„Einer von uns“ in Spandau

Henryk Wichmann, Kevin Müller, Lothar Priewe und Frank Bürger bei der Präsentation des Films „Einer von uns“ in Schwedt 2010

An Brandenburger Schulen gibt es rechtsextreme Vorfälle. Die rechte Gefahr hat nicht nachgelassen. Grund genug noch einmal des Aussteigerfilm „Einer von uns“ im Gemeindesaal der Evangelischen Weihnachtskirche, Haselhorster Damm 54-58, 13599 Berlin, am 18. Juni zu zeigen und mit Akteuren ins Gespräch zu kommen. Kevin Müller begrüßt die Präsentation, Mit dabei sind unter anderem Ibraimo Alberto, der bereits in der Weihnachtskirche zu Gast war. Dazu kommt Lothar Priewe, Mitinitiator des Films, und Wegbereiter für mein Buch „Kloster Götschendorf“, sowie Irmela Mensah-Schramm, die seit Jahren Zeichen gegen Rassismus setzt.

Von Frank Bürger

Die Geschichte ist eine besondere. Es liegt fast 13 Jahren zurück. Vor der Premiere des 45-minütigen Dokumentarfilms „Einer von uns“ an den Uckermärkischen Bühnen Schwedt gab es im Internet Morddrohungen gegen den Protagonisten Kevin Müller.

„Wir werden dich und deine Freundin umbringen“, diese Mailnachricht bekam er aus der Rechten Szene. Im Rahmen des Aussteigerprogramms „Exit“ wurde der 22-jährige Uckermärker zu seinem Schutz in einem Berliner Hotel untergebracht. Gemeinsam mit der Polizei ist man auf der Suche nach den Tätern.

Die Morddrohung, aber auch die Tatsache, dass Kevin Müller heute ein lange erhofftes Praktikum in einem Seniorenheim beginnen konnte – das ihm die Chance auf eine Ausbildung und damit auf eine Reintegration in die Gesellschaft bietet – sind die Gründe dafür, dass er nicht zur Erstaufführung des Films erscheinen wollte. Die ursprünglich geplante Gesprächsrunde im Anschluss an den Film musste somit leider ausfallen. Auch heute ist es besser, wenn Kevin Müller nicht persönlich ins Rampenlicht rückt.

Unter den Besuchern waren auch „Rechte“ auszumachen. So trug einer von ihnen eine „Thor Steinar“  Jacke. Das in Zeesen (Dahme-Spreewald) ansässige Unternehmen Mediatex GmbH produziert die bei Rechtsextremisten hoch im Kurs stehende Marke „Thor Steinar“. Das Sortiment der Firma Mediatex kann als Bedienung völkischer Symbolik in Farbgebung und Schrifttyp – etwa durch das Verwenden von Tarnfarben und -mustern oder gedruckten Schriftzügen in Runenschrift – verstanden werden. Auch gibt es Bekleidungsstücke mit militärischen Reminiszenzen. Das Tragen von „Thor Steinar“ dient als identitätsstiftendes Erkennungszeichen unter Rechtsextremisten.

PoDeSt-Vereinsvorsitzender Frank Bürger informierte zu Beginn der Veranstaltung das Publikum über die Hintergründe von Kevin Müllers Fehlen. Auch der Schwedter Bürgermeister Jürgen Polzehl, der das Projekt unterstützte, forderte vor der Präsentation des Films, weiterhin mit solch mutigen Projekten den Kampf gegen Rechts zu unterstützen.

Unter den Gästen war auch Pfarrer i. R. Hans-Rainer Harney. Er war drei Jahre lang als ehrenamtlicher Ausländerbeauftragter der Stadt tätig und ist Mitbegründer des Schwedter Bündnisses gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt. Für seinen Einsatz erhielt er als Sonderpreis das Band für Mut und Verständigung.

Unter den Gästen befand sich auch die Berlinerin Irmela Mensah-Schramm. Seit 37 Jahren kämpft Irmela Mensah-Schramm international gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Sie ist bekannt geworden durch ihr 1986 begonnenes Dokumentieren und das konsequente Entfernen von rassistischen und antisemitischen Aufklebern und Graffiti im Stadtgebiet von Berlin. Nach der Wende weitete sie ihre Beseitigung dieser Parolen auch auf andere Bundesländer aus. Mit über 300 Ausstellungen zum Thema „Hass vernichtet“ und vielen Unterrichtsbesuchen dokumentiert sie ihre Arbeit. Für ihr Engagement wurde sie 2005 mit dem Erich-Kästner-Preis des Presseclubs Dresden ausgezeichnet. Andere Preisträger sind der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker oder die verstorbene Herausgeberin der „Zeit“, Dr. Marion Gräfin Dönhoff.

Gemeinsam mit dem Verein Polnisch-Deutsche Standortentwicklung organisierte Irmela Mensah-Schramm einen „Schweigemarsch“ gegen rechte Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Schwedt.

.Der Film „Einer von uns“, der als Auftragswerk des Schwedter Vereins „Polnisch-Deutsche Standortentwicklung PoDeSt“ mit Mitteln aus dem Förderprogramm „Vielfalt tut gut“ realisiert wurde, schildert den Weg des Jugendlichen Kevin Müller in die Neonazi-Szene und seinen späteren Ausstieg. Der Film zeigt auch einen gemeinsamen Besuch des Jugendkonzentrationslagers Ravensbrück, bei dem sich Kevin Müller den Fragen von deutschen und polnischen Jugendlichen stellte. Die Idee zum Film stammt vom Vereinsvorsitzenden Frank Bürger, Projektverantwortlicher ist der Bielefelder Politologe Nicolaus Raßloff. Umgesetzt wurde der Film von den Berliner Filmemachern Karoline Hugler und Julian Tyrasa.

Die Resonanz auf das Projekt ist groß. Das Amt für Kirchliche Dienste in Berlin bestellte sofort zehn Exemplare für die Bibliothek. Auch die Opferperspektive Potsdam will mit dem Film arbeiten. Anfragen kamen von der Kirchengemeinde Adlershof, dem Kirchenkreis Oranienburg, aus Frankfurt (Oder), der Dreiklang-Schule Schwedt. Im Oktober wird der Film von der Arbeitsstelle für Evangelische Kinder- und Jugendarbeit im Kirchenkreis an Oder und Spree präsentiert.

Hintergrund: Der Verein Polnisch-Deutsche Standortentwicklung hat sich den Kampf gegen Rassismus und rechte Gewalt auf die Fahne geschrieben. So organisierte der Trägerverein vor zwei Jahren einen Schweigemarsch gegen rechte Gewalt durch Schwedt, an dem auch Bürgermeister Jürgen Polzehl und der Schwedter Landtagsabgeordnete Mike Bischoff beteiligt waren. Es folgten Ausstellungen und auch ein deutsch-polnisches Projekt mit dem Besuch des KZ Auschwitz.

Kevin M. schildert seinen Weg: Erst als jugendlicher Linker drangsaliert von Neonazis in der Uckermark, wurde er dann in Berlin selber ein Nazi und stieg im System der NPD auf, bis schließlich ein Gewalterlebnis sein Umdenken auslöste. Eine intensive Auseinandersetzung mit Deutschland, der gegenwärtigen Politik und den Lebensbedingungen in diesem Land. Ein Film über menschliche Werte und über das Erwachsenwerden.

 D 2010. 48 Min. Farbe. HD.

Mit Kevin Müller, Monika Müller,Nicolaus Raßloff, Lothar Priebe u.a.

Idee und Produktion: Frank Bürger / PoDeSt e.V.  Konzept, Kamera, Schnitt, Regie: Karoline Hugler und Julian Tyrasa

Über Rassismus diskutieren am 18. Juni um nach der Präsentation Ibraimo Alberto, Lothar Priewe, Irmela Mensah-Schramm und Frank Bürger.

Alberto war auch als Ausländerbeauftragter in Schwedt tätig. Er war Teilnehmer des Schweigemarschs gegen Rechts. Lothar Priewe war Mitinitiator des Filmprojekts.

Hier eine aktuelle Stellungnahme von Irmela-Mensah-Schramm:

Irmela Mensah-Schramm. Foto: Marisa Reichert

Kevin Müller mit dem Landtagsabgeordneten Mike Bischoff und Frank Bürger bei der Filmpräsentation im Potsdamer Landtag

Die Filmemacher Karoline Hugler und Julian Tyrasa bei der Filmpräsentation in Kleinmachnow
Vor der Todeswand in der Gedenkstätte Auschwitz. Foto: Frank Bürger / Archiv PoDeSt

Hier die Pressemappe zum Film „Einer von uns“

Ibraimo Alberto mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Einer der Gäste: Ibraimo Alberto

Hier der Link zum Engagement von Ibraimo Alberto in Afrika

Auch in meinem Buch „Kloster Götschendorf“ spielt der Film eine Rolle

Besuch in Auschwitz

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