Heilung

SUNSET IV – 40x30cm – 15.7×11.8in – Acrylic on deep canvas by Holger Baehr – 2022

Worte aus Taizé

Die Jünger sahen, wie Jesus über den See ging und sich ihrem Boot näherte. Er rief ihnen zu: Ich bin es; fürchtet euch nicht!

Joh 6,16-21

Berlin.  Gedanken kommen dieses Mal von mir zum 19. Sonntag nach Trinitatis, Siegfried Weber, stellvertretender Dekan in Karlsruhe. Es läuten die Glocken der evangelischen Pfarrkirche in Berlin-Altglienicke. Es gibt Tipps aus dem und für den Religionsunterricht, eine Einspielung von Ann-Helena Schlüter. Es gibt Impulse für Kinder von Redaktionsmitarbeiterin Juliane Heger. Es gibt eine Buchempfehlung vom Klotz-Verlag, eine Filmempfehlung kommt von Klassikradio. Jazziges kommt über Andreas Discher vom Jazznet Spandau. Besonders sind die Orgelnoten der Stiftung Orgelklang.

Von Frank Bürger

Predigt über Mc 2, 1 – 12 am 23. Oktober 2022 um 10 Uhr in Haselhorst von Pfarrer a.D. Dr. Lorenz Wilkens

TIBI DICO: SURGE, TOLLE GRABATUM TUUM ET VADE IN DOMUM TUAM!

Liebe Gemeinde,

die Geschichte von der Heilung eines Gelähmten gehört zu dennbekanntesten Teilen des Markus-Evangeliums. Es ist seine fünfte Heilungsgeschichte. Die Älteren unter uns erinnern sich an die Übersetzung Luthers, in der von der Heilung eines ‚Gicht-brüchigen‘bdie Rede ist. Doch dasn entsprechende griechische Wort – paralytikós – bedeutet eben ‚gelähmt‘.

Jesus befindet sich in Kapernaum – Sie wissen, die Stadt lag ambnordwestlichen Ufer des Sees Genezareth; es war die Hauptstadt Galiläas. Er hält sich, so heißt es, in einem Hause auf. Es ist von Menschen überfüllt. Auch draußen, um das Haus herum, ist kein freier Platz mehr. Selbst der Weg zum Eingang ist verstellt. Die Nachricht von Jesus ist ihm voraus geeilt. Nun wollen alle ihn sehen und hören.

Es gab ja kein Telefon, kein Radio, kein Fernsehen. Und es heißt: „Er sagte ihnen das Wort.“ Es heißt nicht: das Evangelium, auch nicht: se i n Wort, sondern absolut: d a s Wort. Was meint diese Formulierung?

Ich glaube, man darf deuten: Er sagte das e i n e , das entscheidende Wort, das Z e n t r u m seiner Verkündigung, d. i. die Botschaft vom nahenden Reich Gottes und von der Möglichkeit, der Forderung der U m k e h r . Sie können in diesem Sinne an das Wort denken, mit dem Johannes der Täufer seine Mission eröffnete: „Kehrt um! Denn nahe gekommen ist das Reich der Himmel.“ (Mt 3, 1f.)

Auf einmal entsteht in dem Haus eine Unruhe. Sie kommt von oben. Man hört es dort rascheln. Man hört darnach, wie die Decke das Zimmers aufgebrochen wird. Und dann sieht man, wie sich von oben eine Bahre herab senkt, auf der ein Kranker liegt – ein Gelähmter. Und die dem Loch, von dem sie herabkommt, nahe sitzen, erblicken die Männer, die die Bahre an Seilen halten und so herablassen.

Auch Jesus sieht den Gelähmten und errät den Zweck seines unerwarteten Eindringens. Noch bevor er, bevor die Männer, die ihn herablassen, auch nur ein Wort gesagt haben, spricht Jesus s e i n Wort.

Es heißt: „Als er ihre Treue sah, sagte er zu dem Gelähmten: ‚Mein Kind, dir werden deine Sünden vergeben.‘“ Wohl gemerkt, es heißt nicht, wie die meisten Übersetzungen haben: ‚Dir si n d deine Sünden vergeben‘, sondern: ‚Sie w e r d e n dir vergeben‘ – jetzt, eben in diesem Augenblick. Das Motiv dieser Einsicht Jesu geht aus seiner Wahrnehmung der Treue derer vor, die den Kranken herablassen. Die meisten Übersetzungen sprechen hier nicht von ‚Treue‘, sondern von ‚Glauben‘. Allein das griechische Wort, das hier gebraucht wird, heißt nun einmal die Treue, ebenso wie das hebräische Wort ämäth, das in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments durch ‚pistis‘ wiedergegeben wird – die ‚Treue‘.

Wir können und sollten uns jetzt also fragen, wie Jesus durch die Empfindung der T r e u e jener, die den Kranken herablassen, zu dem Impuls geführt wird, ihm, dem Kranken, seine S ü n d e n z u v e r g e b e n und ihn so zu heilen.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich glaube, die Treue der Männer, die den Kranken zu Jesus bringen, bezieht sich auf zwei Personen – den Kranken und Jesus. Erstens auf den Kranken: Die Männer halten ihm die Treue, auch und gerade während seiner Krankheit. Sie setzen alles ihnen Mögliche dazu ein, ihm zu helfen. Man sieht es daran, daß die versperrte Tür ihre Bemühung, ihn zu Jesus zu bringen, nicht beendet hat. Und von hier zu dem zweiten Gegenstand ihrer Treue: Jesus. Sie haben ihn wohl noch nie gesehen, doch alles, was sie über ihn gehört haben, hat sie in ihnen hervorgerufen. Und wir dürfen zwei Momente ihrer Treue zu ihm voneinander unterscheiden: Verständnis und Vertrauen.

Verständnis und Vertrauen – beide bedingen einander. Sie verstehen Jesus; ich möchte sagen, sie bringen ihn mit den prophetischen Verheißungen zusammen, die zu der geistigen Erbschaft Israels gehören.

Was sie von Jesus gehört haben, bestärkt sie in der Annahme, daß in ihm die entscheidende Energie des B u n d e s , die Treue, vorhanden und bestimmend ist. Und von hier zu dem zweiten Moment i h r e r Treue: dem Vertrauen. Nicht zufällig sind beide Wörter – Treue und Vertrauen – miteinander verwandt. Die Männer wissen, daß in Jesus die Energie des Bundes mit Gott bestimmend ist; d a r u m vertrauen sie ihm.

Und Jesus erkennt all dies, sobald er sieht, wie die Männer den Kranken von dem geöffneten Dach herablassen. Er s i e h t ihr Vertrauen und damit, d a r i n ihre Treue zu dem Kranken.

V. 5 unseres Textes lautet: „Und Jesus erkannte ihre Treue und sagte zu dem Gelähmten: ‚Mein Kind, dir werden deine Sünden vergeben.‘“ Er sagt nicht, daß e r sie vergebe; sondern sie w e r d e n vergeben – eben durch den Vorgang, dessen Zeuge er ist und dessen Antrieb in der Treue, dem Vertrauen der Männer besteht, die den Kranken zu ihm bringen. Er empfindet, daß mit der Bahre des Kranken ein neuer Geist in das Haus einkehrt: der Geist der Treue, des Vertrauens, der Geist des Bundes . Von diesem Geist gehen beide aus: Vergebung und Heilung. Im Grunde sind sie ein- und dasselbe.

Doch von hier nun zu denen, die der Text die ‚Schriftkundigen‘ nennt – Theologen. In ihnen regt sich keine Empathie mit dem Kranken, kein Mitgefühl mit dem Geist, der, ihn umgebend, eben in das Haus hinab kommt. Sie denken: „Wie kann er – d. h. Jesus – so reden? Er lästert!

Wer könnte wohl Sünden vergeben außer Gott?!“ Sie sagen es nicht, sie sagen gar nichts, doch Jesus sieht ihren Mienen an, was sie empfinden – oder richtiger gesagt: was sie eben n i c h t empfinden, den Geist neuen Lebens nämlich, der von oben, mit der Bahre, in das Haus herab kommt. Daher können sie Jesus nicht verstehen. Sie deuten, was er gesagt hat, als Anmaßung, er wolle und könne dem Gelähmten seine Sünden vergeben. Doch das hat er ja gar nicht gesagt, sondern: „Dir w e r d e n deine Sünden vergeben.“ Er bewirkt es nicht, sondern er empfindet es, er empfindet, wie mit dem Kranken und den Männern, die seine Bahre halten, vom Dach ein neuer Geist herab kommt, so daß man den Eindruck hat, der Himmel selbst habe sich geöffnet. Die Gelehrten aber – das griechische Wort, das hier steht: grammateús, heißt wörtlich: ‚Mann der Schrift‘ – sie können den Gehalt der Schrift nicht zusammenbringen mit dem Zustand, dem Schicksal des G e i – s t e s der Gesellschaft, das sie hier umgibt und berühren möchte.

Und von hier zu dem Schluß der Geschichte: Jesus sieht sich durch den fühllosen Widerstand der Gelehrten aufgefordert, die Geschichte zu ihrer Vollendung zu bringen. In seinem Schlußwort wendet er sich zunächst an die Gelehrten und unmittelbar darnach an den Gelähmten. Er zieht die Gelehrten so in das Ereignis hinein, daß sie sich ihm nicht länger verweigern können. Er sagt: „Damit ihr aber wißt, daß der Sohn des Menschen die Macht hat, auf Erden Sünden zu vergeben“ – und nun erfolgt der Sprung seiner Rede zu dem Gelähmten, dem er sagt: „Ich sage dir, nimm deine Bahre und geh nach Hause!“ („Nimm dein Bett und gehe heim“ – das war in meiner Kindheit ein geflügeltes Wort.) So

geschieht es. Die Formulierung des griechischen Textes macht die Art deutlich, wie Jesus beide Parteien, die Gelehrten und den Kranken durch den plötz-lichen Wechsel der Anrede miteinander konfrontiert.

Eben in dieser Konfrontation ereignet sich die Heilung, und Jesus wird darin erkannt und in Anspruch genommen als die Verkörperung des neuen Geistes, von dem ich gesprochen habe, des Geistes, in dem der B u n d zwischen Gott und seinem Volk erneuert wird.

Liebe Schwestern und Brüder,

wir können nach der Auslegung dieser Geschichte die Frage nicht übergehen, in welchem Sinne wir die Heilung, von der sie handelt, historisch wörtlich nehmen dürfen. Dazu möchte ich abschließend sagen: Sie ist ein Bericht von dem neuen Geist, der von Jesus ausging und ihm auch, wie unsere Geschichte zeigt, vorauseilen konnte. Die heilende, die therapeutische Wirkung dieses Geistes liegt am Tage. Daher dürfen wir bei manchen Geschichten von den Heilungen Jesu mit Spontan-Heilungen rechnen – so m. E. auch bei unserer Geschichte von der Heilung des Gelähmten.

Bei allem aber laßt uns hoffen auf eine Erneuerung des Geistes, der von Jesus ausging, damit unter uns das Übelnehmen ab- und das Vermögen der Verzeihung zunimmt. Übelnehmen und Mangel an Verständnis und Verzeihung entstehen nicht zuletzt aus der Angst, die das Schwinden der Amtskirche hervorruft. Wir können sie aber nur mit einer Zunahme des gegenseitigen Verständnisses und der Bereitschaft zu gemeinsamer Unternehmung erhalten und erneuern.

Dazu helfe uns Gott. Amen.

Infos aus und für den Religionsunterricht

Zur Vorbereitung auf das Thema Reformation in der Grundschule, sehr zu empfehlen

Musikbeitrag für Klassikfreunde

Wachet und betet!

Hier zum Innehalten und Gebet Es läuten die Glocken der evangelischen Pfarrkirche in Berlin-Altglienicke.

Hier der Link zur Kirchengemeinde

Impuls aus Karlsruhe

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