Auf den Spuren von Johann Peter Hebel

Berlin. Johann Peter Hebel ist seit ziemlich genau 185 Jahren tot. Und doch, darüber bestand bei der kleinen Gedenkstunde an seinem Grab Einigkeit, würde der Mann dem derzeit aufgeheizten Diskurs im Land guttun.

Von Frank Bürger

Ein so kluger Kopf, der gewusst habe was Demut sei und trotzdem eine spitze Zunge sein Eigen nannte, so der Schwetzinger Oberbürgermeister Dr. René Pöltl, „hätte uns alle wohl gut beraten“.

Beinah prophetisch, so der Oberbürgermeister, erschien hierbei ein Auszug aus einer seiner Predigten: „Die ganze Ordnung der Dinge kehrt sich um, der Mensch ist nicht mehr an der Spitze der Geschöpfe, das Meisterstück ihres Urhebers, als das einzig misslungene Werk, das der Schöpfer zu groß anfing, um es vollenden zu können.“ Die Unvollkommenheit des Menschen, die er leider immer auch wieder vergisst und ihn zu Hybris verführt, wurde wohl nur selten so elegant gefasst.

Auch der nordbadische Prälat Professor Dr. Traugott Schächtele, ein Nachfolger Hebels in diesem Amt der badisch evangelischen Landeskirche, betonte die Menschenfreundlichkeit Hebels. Und, das sei das wichtigste, „er war ein kluger Menschenfreund“. In Zeiten, in denen kleine und große Möchtegern-Autokraten lauter werde, könne man von Menschen dieses Kalibers gar nicht genug haben.

So berichtete die Schwetzinger Zeitung vor einigen Tagen über die Gedenkfeier.

Auch für mich persönlich ist ein Besuch des Hebelgrabes auf dem Platz der Freundschaft ein Moment des Innehaltens. Für die kulturellen Verdienste um die Stadt Schwetzingen hatte ich als Schüler die Hebel-Gedenk-Medaille bekommen. Auch über die Zeitschrift „Frohe Botschaft“ haben wir uns ins Berlin mit der Zeitung beschäftigt.

Damals konnte ich den Schwetzinger Pfarrer Thomas Müller als Autor gewinnen, der Biografisches notierte.

(* 10. Mai 1760 in Basel; † 22. September 1826 in Schwetzingen) war ein Dichter aus dem alemannischen Sprachraum. Anlässlich der 250. Wiederkehr seines Geburtstages erinnerte man landauf landab an ihn. Bekannt wurde er vor allem durch seine „Alemannischen Gedichte“ und das „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“. Dass er von Haus aus evangelischer Theologe, Pädagoge und ein führender Vertreter der badischen Landeskirche war, ist nicht so sehr im allgemeinen Bewusstsein.

Hebel war ein gebildeter, kluger und humorvoller Mann – und er war tiefgläubig.
Seine Texte kommen leicht daher, sind aber niemals seicht oder harmlos. Er erzählt voller Tief- und Hintersinn. Alle Geschichten dienen zur Erkenntnis der Wahrheit in dieser Welt und im menschlichen Leben mit seinen Brüchen. Das ist der Grund, warum sich sogar Schriftsteller und Philosophen wie Franz Kafka, Bertolt Brecht oder Ernst Bloch auf Johann Peter Hebel bezogen haben.

Sein „Seltsamer Spazierritt“ z.B. fand sich über Jahrzehnte hinweg in Lesebüchern für den Deutschunterricht:

Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus und läßt seinen Buben zu Fuß nebenher laufen. Kommt ein Wanderer und sagt: „Das ist nicht recht, Vater, dass Ihr reitet und lasst Euern Sohn laufen; Ihr habt stärkere Glieder.“ Da stieg der Vater vom Esel herab und ließ den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wandersmann und sagt: „Das ist nicht recht, Bursche, dass du reitest und lässest Deinen Vater zu Fuß gehen. Du hast jüngere Beine.“ Da saßen beide auf und ritten eine Strecke. Kommt ein dritter Wandersmann und sagt: „Was ist das für ein Unverstand, zwei Kerle auf einem schwachen Tiere? Sollte man nicht einen Stock nehmen und Euch beide hinabjagen?“ Da stiegen beide ab und gingen selbdritt zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn und in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter Wandersmann und sagt: „Ihr seid drei kuriose Gesellen. Ist’s nicht genug, wenn zwei zu Fuß gehen? Geht’s nicht leichter, wenn einer von Euch reitet?“ Da band der Vater dem Esel die vordern Beine zusammen, und der Sohn band ihm die hintern Beine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim.
So weit kann’s kommen, wenn man es allen Leuten will recht machen.
J. P. Hebel, Werke1, Frankfurt 1968, S.224.

Unerfüllter Lebenstraum Hebels blieb es Landpfarrer zu werden. Stattdessen erwartete ihn eine Karriere im Schuldienst. Er unterrichtete hauptsächlich Latein, Hebräisch und Griechisch, aber auch Mathematik und Naturkunde. Dabei bemühte er sich um eine kindgerechte Pädagogik und eine starke Orientierung an den Fähigkeiten und Interessen seiner Schüler. Im Nachlass findet sich die Geschichte: „Farbenspiel“
In einer Schule saßen zwei Schüler, von denen hieß der eine Schwarz, der andere Weiß, wie es sich treffen kann; der Schullehrer aber für sich hatte den Namen Rot.
Geht eines Tages der Schüler Schwarz zu einem andern Kameraden und sagt zu ihm: „Du, Jakob“, sagt er, „der Weiß hat dich bei dem Schulherrn verleumdet.“ Geht der Schüler zu dem Schulherrn und sagt: „Ich höre, der Weiß habe mich bei Euch schwarz gemacht, und ich verlange eine Untersuchung. Ihr seid mir ohnehin nicht grün, Herr Rot!“
Darob lächelte der Schulherr und sagte: „Sei ruhig, mein Sohn! Es hat dich niemand verklagt, der Schwarz hat dir nur etwas weiß gemacht.“
J.P.Hebel, Werke 1, Frankfurt 1968, S. 118.

Später stieg er bis zum badischen Prälaten auf. Als sich 1821 die lutherische und die reformierte Landeskirche Badens zur heutigen Evangelischen Landeskirche in Baden vereinigten, war Hebel daran maßgeblich beteiligt. Aber auch in diesen Funktionen brachte er Menschen, die ihm anvertraut waren in Predigten und Briefen die Freundlichkeit Gottes nahe.

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