Wohin mit dem Polendenkmal ?

Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit / Wikipedia / Assmann

Berlin. Die Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin macht zum Thema „Polendenkmal“ einen Vorstoß. Auch der renommierte Politiker Markus Meckel, eigentlich ein Gegner eines nach Nationen getrennten Gedenkens bezüglich der Opfer des Zweiten Weltkrieges könnte mit dem Standort leben:  das Gelände „Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit“ als Ort des Erinnerns für die polnischen Opfer des 2. Weltkriegs.

Von Frank Bürger

Die Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin schlägt das Gelände „Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit“ als Ort des Erinnerns für die polnischen Opfer des 2. Weltkriegs vor.

Der Politiker Markus Meckel ist gedanklich mit dabei, wenn es um deutsch-polnische Themen geht. „Seit über 30 Jahren beschäftige ich mich mit den Beziehungen zwischen Deutschland und Polen“, sagt er bei einem Telefonat.

Der langjährige Bundestagsabgeordnete meinte, er fände es schwierig, der NS-Opfer „nun nach Nationen getrennt zu gedenken“. Wer damit anfängt, müsse dann auch Denkmäler für die Opfer anderer Nationen und Ethnien errichten – für Ukrainer, Belarussen, Russen und viele andere.

Der Bundestag hat sich am 30. Oktober mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass in Berlin ein eigener Ort zur Erinnerung an die polnischen Opfer des Nationalsozialismus entsteht. Alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD stimmten für das Projekt, das auch die Auseinandersetzung und die Begegnung mit dem deutschen Nachbarstaat fördern soll.

Schon drei Wochen vorher hatte der Bundestag beschlossen, ein Dokumentationszentrum für die Opfer der Besatzung und des Vernichtungskriegs im Osten zu installieren.

Doch wohin nun das Ganze institutionell verorten?

Vor einigen Tagen hat sich nun neben den Planungen der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) eine Arbeitsgruppe unter dem Dach des Auswärtigen Amtes unter Leitung von Rolf Nikel, dem ehemaligen Botschafter der Bundesrepublik in Polen, gegründet.

„Deshalb kommt der Vorstoß der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Berlin zum rechten Zeitpunkt“, sagt Meckel.

Das Moabit-Gefängnis sei ein authentischer Ort. Die Mitglieder von Widerstandsgruppen im Dritten Reich seien dort inhaftiert worden.

Seit einiger Zeit existierten zwei Vorschläge für eine neue Gedenkstätte in Berlin nebeneinander und es wurde heftig darüber debattiert. Der eine Vorschlag griff eine Anregung des Holocaust-Überlebenden und ehemaligen polnischen Außenministers Władysław Bartoszewski auf. Bartoszewski wollte einen Ort in Berlin, an dem ausschließlich an die sechs Millionen polnischen Opfer der deutschen Besatzungsherrschaft erinnert wird. Der andere Vorschlag warb für eine Gedenkstätte, an der aller Staaten und Ethnien gedacht wird, die Opfer des nationalsozialistischen Terrors wurden.

Beide Beschlüsse des Bundestages sollten in ein kohärentes Konzept integriert werden. so Meckel.

„Der vor uns liegende 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni ist eine Herausforderung, diese Geschichte integriert in den Blick zu nehmen. Nachdem Polen in der Zeit des Hitler-Stalinpaktes durch Deutschland, aber auch die Sowjetunion, Furchtbarstes erlitten hatte, begann nun der Vernichtungskrieg in der Sowjetunion, also in Belarus, der Ukraine und Russland sowie anderen Sowjetrepubliken, der weit mehr als 20 Millionen Opfer kostete“, sagt er.

Hier nun die Begründung der DPG Berlin zur Standortwahl ihres Vorstoßes:

Bei weiterer Umschau bietet sich das Gelände des Geschichtsparks auf dem Gelände des ehemaligen Zellengefängnis in Berlin-Moabit unmittelbar am Berliner Hauptbahnhof an. Vom Königreich Preußen von 1842 bis 49 als eines der modernsten Gefängnisse erbaut (statt Gemeinschaftszellen gab es 540 Einzelzellen nach dem Konzept „Läuterung durch Isolation“), war dessen Kirche im Jahr 1847 infolge des Aufstandes in der Provinz Posen Schauplatz des „Polenprozesses“ (in Polen heißt er „Berliner Prozess“), der öffentlich gegen 254 polnische Bürger wegen Hochverrats (was hier die Wiederherstellung Polens in den Grenzen vor den Teilungen meinte). Im März 1848 wurden die verurteilten Aufständischen auf Druck der demonstrierenden Bevölkerung begnadigt und freigelassen. Gemeinsam mit begeisterten Berlinern zogen die polnischen Aufständischen, darunter Ludwik Mierosławski (ein Revolutionär, der 1849 die badische Revolutionsarmee befehligte) und Karol Libelt (ein Wissenschaftler, der sich zeitlebens am polnischen Widerstand beteiligte), in einem Triumphzug vor das Stadtschloss.

Ludwik Mierosławski hielt eine Rede, die auch heute noch bemerkenswert ist, weil sie der Intention des Bundestagsbeschlusses entspricht: „Nicht du, edles deutsches Volk, hast meinem unglücklichen Vaterlande Fesseln geschmiedet; deine Fürsten haben es getan; sie haben mit der Teilung Polens ewige Schmach auf sich geladen. Und wie es jüngst noch für Euch und uns als Verbrechen galt, nach des Vaterlandes Freiheit zu ringen, und wie sie uns darob, draußen im Kerker, in eiserne Bande schlugen, so warst du es, hochherziges Volk, dessen Blut in diesen Tagen der Befreiung auch für unsere Freiheit floss. Wir danken Euch! Eure Freiheit ist unsere Freiheit, und unsere Freiheit ist die Eure!”

Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. bestätigte notgedrungen die Freilassung und verbeugte sich vor dem Demonstrationszug aus Berliner Bürgern und den befreiten Polen. Dieses Ereignis stand für die damalige „Polenbegeisterung“. Das Zellengefängnis hatte bis 1945 eine Geschichte bis hin zur Inhaftierung von Beteiligten und Verdächtigten nach dem Attentat vom 20. Juli 1944. Nach 1945 nutzten die Alliierten die Haftanstalt. Ende der 1950er Jahre abgerissen, blieben lediglich Teile der Gefängnismauer und drei Beamtenwohnhäuser erhalten. Danach diente das Gelände als Parkplatz für das nahegelegene Poststadion. Heute wird das Umfeld des Geschichtsparks mit Wohngebieten, Gewerbe und dem im Ausbau befindlichen Europaplatz zu einem zentralen Stadtviertel entwickelt.

Der Geschichtspark wäre an prominenter Stelle in Berlin gelegen ideal für den geplanten Gedenkort und Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit der Geschichte der Nachbarn Deutschland und Polen, wie es der Beschluss des Bundestages fordert. Das Gelände – gut erreichbar für Besucher aus Berlin, Deutschland und Polen – ist frei von jeglicher Bebauung und würde genug Platz für den Erinnerungsort bieten. Dieser sollte künftig auch ein Netzwerk von Orten sichtbar werden lassen, die mit der deutsch-polnischen Nachbarschaftsgeschichte verbunden sind. Dazu zählen das Denkmal für die ermordeten Juden Europas und das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma, das interpretationsbedürftige „Denkmal des polnischen Soldaten und des deutschen Antifaschisten“ im Bezirk Friedrichshain, der Britische Soldatenfriedhof an der Heerstraße, auf dem auch polnische Piloten begraben sind, die Gedenkstätte Plötzensee und das Denkmal für die Soldaten der 1. Polnischen Armee, Division „Tadeusz Kościuszko“ in Hohen Neuendorf, wie auch die Gedenkstätte Sachsenhausen und die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.

Die Frage des Gedenkens und Erinnerns ist in den deutsch-polnischen Beziehungen von besonderer Bedeutung, stellte der Bundestag fest. Im Geschichtspark wären die Bedingungen gegeben, einen „sichtbaren und zugänglichen Ort zu schaffen, der auch Platz der Begegnung von Deutschen und Polen sein sollte, der zur Vertiefung unserer Beziehungen und Freundschaft beiträgt,“ wie der Bundestag forderte.

Wir wollen der Opfer gedenken, keine Frage. Doch wir wollen auch die Geschichte einer Nachbarschaft in Erinnerung rufen, vor der die Sätze von Władysław Bartoszewski im Jahre 2013 erst verständlich werden: „Ich glaube, die polnisch-deutschen Beziehungen gehören zur Welt der Wunder, positive Wunder der Europäisierung der Menschen nach 1990. Die deutsch-polnischen Beziehungen haben so große Fortschritte gemacht wie keine anderen in Europa. Wir kennen keine zwei Länder, die so weit aus der weiten Entfernung bei Überwindung der Kluft, der bestehenden psychologischen Kluft … so weit aufeinander zugegangen sind.”

Unterzeichnet haben die Pressemitteilung Christian Schröter, Vorsitzender der DPG Berlin und sein Stellvertreter Dr. Wolfram Meyer zu Uptrup.

Hier nun ein Artikel von Markus Meckel zu einem anderen polnischen Denkmal im Volkspark Friedrichshain aus dem Jahre 2010

Hier Rezension zum Buch „Zeitansagen“ der Deutsch-Polnischen Nachrichten

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