
Stuttgart. Das Land Baden-Württemberg hat Hoffnungen auf eine Rückführung der kurpfälzischen „Bibliotheca Palatina“ aus dem Vatikan nach Heidelberg eine Absage erteilt. Derzeitiger Eigentümer sei nicht das Land Baden-Württemberg, sondern der Vatikan, sagte der Sprecher des Wissenschaftsministeriums in Stuttgart, Roland Böhm, am 16. Februar dem evangelischen Pressedienst. Die Rechtsauffassung der Landesregierung dazu habe sich nicht geändert. Einer unserer Autoren, Holger Bähr, hat einen Wohnsitz in Heidelberg. Deshalb lohnt der Blick auf wichtige Nachrichten
Von Frank Bürger / SWR
Die Landesregierung hatte bereits im Jahr 2000 auf eine parlamentarische Anfrage erklärt, ihr seien keine Rechtsakte oder völkerrechtlichen Vereinbarungen bekannt, aufgrund derer sich rückwirkend Erstattungsansprüche für Beutegut aus dem 17. Jahrhundert begründen könnten. Zudem seien 1816 die deutschsprachigen Handschriften an die Heidelberger Universität zurückgegeben worden, sagte der Ministeriumssprecher. Diese sind mittlerweile digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich.
Die Bibliotheca Palatina (lateinisch für „Pfälzische Bibliothek“) in Heidelberg war eine der wichtigsten deutschen Bibliotheken der Renaissance mit umfangreichen Beständen an mittelalterlichen Handschriften und frühen Drucken (Inkunabeln). Die Bestände befinden sich heute zum größten Teil in der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek, die deutschen Handschriften in der Universitätsbibliothek Heidelberg.
Historie
Auf Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz (reg. 1410–1436) geht die Gründung der Stiftsbibliothek an der Heiliggeistkirche in Heidelberg zurück, die den Kern der späteren Bibliotheca Palatina bildete. Aber erst Kurfürst Ottheinrich (reg. 1556–1559) vereinigte die Buchbestände der Universität, der Stiftsbibliothek in der Heiliggeistkirche und der Schlossbibliothek der Kurfürsten von der Pfalz zur eigentlichen Bibliotheca Palatina. Unter den Beständen befanden sich unter anderem das Lorscher Evangeliar aus der Hofschule Karls des Großen, der Codex Manesse (cpg 848) und das Falkenbuch (cpl 1071) von Kaiser Friedrich II. Mit der Vereinigung der Buchbestände schuf Ottheinrich zusammen mit der Einführung der Reformation in der Kurpfalz und der Umwandlung der Universität Heidelberg in eine evangelische Landeshochschule ein protestantisches Zentrum der Lehre. Nach dem Vorbild der Universität Wittenberg stand eine umfangreiche Bibliothek zur Verfügung, die aber im Gegensatz zu der Wittenbergs nicht auf dem Schloss, sondern in der Stadt, in den Emporen der Heidelberger Heiliggeistkirche, Platz fand, wodurch der Zugang für Lehrende und Studenten erleichtert wurde. Nach dem Tode des Augsburgers Ulrich Fugger (1526–1584) gingen 86 weitere zum Teil sehr berühmte Handschriften in den Besitz der Bibliothek über, so die Otfrid-Handschrift (cpl 52) und die Bilderhandschrift des Sachsenspiegels (cpg 164). Mit solch bedeutenden Manuskripten besaß die Bibliotheca Palatina den Charakter einer inoffiziellen Reichsbibliothek und galt zur Zeit ihrer Blüte – nach den Erwerbungen des 16. Jahrhunderts – als die „Mutter aller Bibliotheken“.
Besonders wegen der umfangreichen Sammlung theologischer (überwiegend protestantischer) Literatur galt sie den Katholiken als der Hort der Ketzerei. Als im August 1622 die Kurpfalz von Truppen der katholischen Liga unter Tilly erobert worden war, wollte der bayerische Herzog Maximilian I. die berühmte Bibliothek nach München mitnehmen, musste sie aber Papst Gregor XV. auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin überlassen. Nur die Ottheinrich-Bibel und ein Prachtchorbuch Ottheinrichs gelangten nach München. Ab Dezember 1622 wurde der Abtransport nach Rom durch den päpstlichen Gesandten und späteren Bibliothekar der Vaticana, Leone Allacci (1586–1669) organisiert. Auch ausgesuchte Bücher anderer Heidelberger Bibliotheken, so der Privatbibliothek des Kurfürsten, der Universitätsbibliothek, der kurfürstlichen Kanzlei und der Privatbibliothek von Jan Gruter, dem letzten Bibliothekar der Palatina, wurden mitgenommen und auf dem Rücken von 200 Mauleseln über die Alpenpässe nach Italien transportiert.
Im August 1623 übernahm die Bibliotheca Apostolica Vaticana 184 Kisten mit 3.500 Handschriften und 12.000 Drucken, die zur Gewichtsverminderung großteils ihrer Einbände beraubt worden waren (Allacci behielt 12 weitere Kisten für sich). Sie wurden im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts neu eingebunden. Da schon Ottheinrich viele seiner Bücher hatte neu einbinden lassen, sind heute kaum Einbände von vor 1550 in der Palatina zu finden.
Aufgrund von Vereinbarungen während des Wiener Kongresses konnten 1816 die deutschen Handschriften in die Universitätsbibliothek Heidelberg zurückkehren. Sämtliche Drucke und die fremdsprachigen Manuskripte liegen noch heute in Rom. Die deutschsprachigen mittelalterlichen Handschriften (Codices Palatini germanici) bilden heute eine verhältnismäßig geschlossene und literaturhistorisch bedeutende Sammlung.
Nur wenige hundert Bände, die wohl als Dubletten angesehen worden waren, verblieben in Deutschland. Dort fanden sie den Weg in verschiedene Bibliotheken. Im Jahr 1998 wurden in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln 67 Bände der Bibliotheca Palatina entdeckt. Die Wissenschaftliche Stadtbibliothek Mainz besitzt bedeutende Restbestände der Bibliotheca Palatina, die nach Unterzeichnung des Westfälischen Friedensvertrags von Heidelberg nach Mainz transferiert wurden. Zuvor waren sie Teil der Heidelberger Jesuitenbibliothek. In Mainz wurden die Exemplare auf die Bibliotheken des Jesuitenkollegs und des Noviziats der Oberrheinischen Jesuitenprovinz verteilt. Zu den herausragenden Palatinen in Mainz zählen 63 Exemplare aus der Provenienz von Kurfürst Ottheinrich; sie verteilen sich auf Stadtbibliothek und Gutenberg-Museum. Auch umfangreiche Bestände aus den Bibliotheken der nachfolgenden pfälzischen Kurfürsten haben sich in der Stadtbibliothek erhalten. Hervorzuheben sind des Weiteren Exemplare aus dem Vorbesitz von Ulrich Fugger (1526–1584), Achilles Pirminius Gasser und zahlreicher anderer kurpfälzischer Gelehrter. Der Rest wird auch heute noch im Vatikan aufbewahrt. Zum 600. Gründungsjubiläum der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 1986 kamen viele Bücher für eine einmalige Ausstellung an ihren alten Standort zurück. (Quelle Wikipedia)
Die Spur der Fugger führt auch in die Uckermark, was Thema in meinem Buch „Kloster Götschendorf“ fokussiert wird.

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