Romeo und Julia im Schnee

Berlin. Mit einem besonderen Streifen wartet die Evangelische Weihnachtskirche am 14. November um 16 Uhr auf. Ernst Lubitsch tritt in Erscheinung, den die Deutsch-Polnischen Nachrichten gerne im Fokus haben. Gezeigt wird der Film „Romeo und Julia im Schnee“ aus dem Jahr 1920. An der Max Reger Orgel nimmt Anna Vavilkina Platz, die vor allem im Babylon-Kino immer wieder aktiv ist: ein historischer Leckerbissen.

Von Frank Bürger

Die Handlung ist einfach:

Das kleine Dorf Schwabstedt im Schwarzwald Seit Herr Capulethofer und Herr Montekugerl den Dorfrichter während eines Prozesses mit einer Wurst bestechen wollten und daher beide zur Zahlung der Verhandlungskosten bestimmt wurden, herrscht Feindschaft zwischen den Bauernfamilien. Julia soll den jungen Paris heiraten, doch verliebt sie sich auf den ersten Blick in Romeo, den Sohn des Hauses Montekugerl, der nach Jahres des Militärdienstes ins Dorf zurückgekehrt ist.

Ein Maskenfest steht an, auf dem Paris Julia den Hof machen will. Romeo jedoch gelingt es, ihn betrunken zu machen und in sein Kostüm zu schlüpfen. Romeo und Julia beschließen noch in derselben Nacht zu heiraten. Julia jedoch soll nun gegen ihren Willen mit Paris verlobt werden. Zusammen mit Romeo kauft sie bei einem Apotheker Gift, das sich jedoch nach der Einnahme in einer Scheune als Zuckerwasser entpuppt. Da Julia ihrer Familie einen Abschiedsbrief hinterlassen hat, ist die Aufregung groß. Die Capulethofers und die Montekugerls gelangen gemeinsam zur Scheune, wo sie das sich totstellende Liebespaar finden. Über dem gemeinsamen Bejammern der verlorenen Kinder „erwachen“ Romeo und Julia und verkünden schließlich zur allgemeinen Erleichterung, dass sie heiraten werden.

Die Dreharbeiten fanden in den Maxim-Studions auf der Blücherstraße in Berlin und in Menzenschwand im Schwarzwald statt.

Die Uraufführung von Romeo und Julia im Schnee war am 12. März 1920 im Mozartsaal und im U.T. Kurfürstendamm in Berlin. Drei Tage vor Romeo und Julia im Schnee war mit Kohlhiesels Töchter bereits eine weitere Shakespeare-Adaption Lubitschs in die Kinos gekommen.

(Quelle: Wikipedia)

Ernst Lubitsch (1892–1947) wurde am 29. Januar in Berlin geboren. 126 Jahre nach seiner Geburt ist diese Konferenz ein weiterer Baustein auf dem langen Weg, seine Filme wieder dahin zurückzubringen, wo seine Karriere begann.

Ziel der Konferenz ist es, Lubitschs Geburtsort Berlin und seine Bedeutung für das Kino, die Philosophie und die politischen Fragen der Jetztzeit miteinander zu verknüpfen – auch um die Einwohner Berlins an das Genie zu erinnern, welches mit subversiven Komödien vor fast 100 Jahren das Besondere der Berliner Kultur filmisch verbreitete.

Berlin sollte endlich die Bedeutung dieses Filmemachers von Weltruf für die Identität der Einwohner und Bewunderer dieser Stadt erkennen, wenn sie den stolzen Satz sprechen: „Ich bin ein Berliner!“. Darum ist es von herausragender Wichtigkeit, ein kleines Stück der Straße am Rosa-Luxemburg-Platz nach ihm zu benennen. Gleich um die Ecke wurde er geboren und wuchs er auf. Als Schauspieler stand er das erste Mal hier auf der Bühne, der Volksbühne.

Lubitschs herausragende Bedeutung für Hollywood ist unstrittig, sein Renommee als komischer Darsteller und Regisseur bereits in der Stummfilmära tritt dabei oft in den Hintergrund. „Die Puppe“, „Die Austernprinzessin“ und „Madame Dubarry“ (alle 1919 in Berlin gedreht) werden bis heute für ihre innovativen Erzähltechniken und als Beispiel für die Meisterschaft des frühen deutschen bzw. Weimarer Kinos gepriesen.

Nachdem Lubitsch Anfang der 1920er Jahre nach Hollywood gegangen war, wurde er schnell als einer der frühen Meister, wenn nicht sogar als der Vater der raffinierten, romantischen Komödie gefeiert, welche dem Genre der berühmten Screwball-Komödie zur Blüte verhalf und viele andere Regisseure, nicht zuletzt Billy Wilder, maßgeblich beeinflusste. Wilder rief 1958 zusammen mit dem Club der Filmjournalisten den jährlichen Ernst-Lubitsch-Preis ins Leben.

In seinen Meisterwerken des klassischen Hollywood-Kinos, wie z.B. „Trouble in Paradise“ (1932), „Design for Living“ (1933), „Ninotchka“ (1939) und eben „To Be or Not to Be“ (1942), griff Lubitsch wichtige soziale und politische Themen seiner Zeit auf, durchwoben von visionären Vorstellungen über Liebe, Sexualität, Romantik und Begehren – dies alles verbunden durch treffenden Witz und elegante Leichtigkeit. Genau dafür konnte er die großen Stars wie Greta Garbo, Marlene Dietrich und Carole Lombard verpflichten.

Deshalb dürfen Lubitschs Filme nicht in der Gruft der Geschichte oder in den dunklen Regalen der Museen und Archiven verschwinden. Im Unterschied zu vielen Stummfilmen und Filmen des klassischen Kinos ist sein Werk heute genauso lebendig wie zur Zeit der Weltwirtschaftskrise, unter der prüden Selbstzensur des US-amerikanischen Hays Code oder während des Zweiten Weltkriegs. Es scheint sogar, dass seine Filme origineller in der Form und subversiver im Inhalt sind, als die meisten der heutigen Komödien.

Wir sollten Lubitschs Filme nicht an unserer heutigen Erfahrung messen, sondern umgekehrt: Wir sollten seine unglaublichen Meisterwerke dazu nutzen, um unsere heutigen Ideologien und Nöte zu analysieren.

Was würde Lubitsch unter der jetzt herrschenden politischen Ordnung, dem Erstarken des Populismus, dem Verlust an Edelmut und der Verrohung der Sitten machen? Was können seine Filme uns über tiefgreifend veränderte, scheinbar liberale, moderne Auffassungen von Sex, Beziehung und sozialer Normen sagen?

Diese Konferenz fußt auf der festen Überzeugung, dass Lubitschs Kino in philosophischer und cinephiler Hinsicht den Anforderungen eines heutigen Feminismus, des Kapitalismus, den Fragen der Political Correctness, der Identität, zu Sex, Liebe, Humor und weiteren Aspekten des modernen Lebens gerecht wird.

Das Interesse Sloweniens an Lubitsch erscheint für Außenstehende erstaunlich. Doch in den 1990er Jahren wurde in Slowenien zufälligerweise mit der Kopie des Stummfilms „Als ich tot war“ (1915) der älteste, erhaltene Lubitsch-Film wiederentdeckt und später vom Nationaltheater Lubljana als Pantomine-Theater neu inszeniert.

Ernst Lubitsch…Foto: Alexander Binder

Anna Vavilkina studierte am Moskauer Konservatorium und an den Musikhochschulen in Lübeck und Detmold. Sie wurde ausgezeichnet beim Internationalen Orgelwettbewerb in Minsk und war Finalistin bei internationalen Wettbewerben für Orgelimprovisation in Deutschland und Österreich.

Die Babylon Besucher können Anna Vavilkina während der samstäglichen Reihe „Stummfilm um Mitternacht“ live erleben und außerdem nahezu täglich vor dem Hauptfilm.

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