Der Abbau einer Orgel

Quelle: Peter Michael Seifried

Berlin. Mit Blick auf verschiedene Orgeln fiel unser Blick auf die Oberlinger Orgel der Dormitio. Hier ein Artikel des Orgelsachverständigen Peter Michael Seifried.

Von Frank Bürger

Der Begriff „organspender“ bekam im Zuge des Notabbaus der Oberlinger Orgel der Dormitio einen neuen Zusammenhang. Die Bestandteile Chororgel, Rückpositiv, Glockenspiel und Zimbelstern machten sich auf den Weg – doch der Reihe nach.


Die deadline 02. September 21 für den Abschluss der Arbeiten stand unverrückbar fest als ich am 02. 08. 21 endlich zur Amtsübernahme in Erlöser einreisen durfte. Die, für den Abbau und die ordentliche Verpackung in zwei Containern notwendigen drei deutschen Orgelbauer bekamen keine Einreise. Das hieß: kein Verkauf nach Jekaterinburg, kein „sanfter“ Abbau, sondern Rettung der wiederverwendbaren Teile für die Orgellandschaft Jerusalem – und Verwertung aller nicht benötigten Teile.


Helfer zu den umfangreichen Arbeiten kamen aus dem Paulushaus in Gestalt des Direktors und zweier Mitarbeiter (Danke Ralf, Salem und George), die sich intensiv und dennoch sehr vorsichtig mit dem Rückpositiv beschäftigten. Jede Pfeife wurde zellophaniert und in fünf, eigens gebaute Transportkisten verpackt. Die umfangreiche Technik der Windladen, der Traktur usw. wurden von der großen Orgel getrennt und vorsichtig verpackt. Das ganze Material des Rückpositivs machte dann seinen Weg auf die Empore der für die Schmidt- Schule und das Paulushaus dienenden Kirche – und harrt nach der Deckensanierung seines Wiederaufbaues.


Zimbelstern und Glockenspiel werden nach dem Einbau die Gottesdienste der Erlöserkirche bereichern – endlich Weihnachten mit Zimbelstern und fröhlichen Glockenspielklängen – die Gemeinde wird lächelnd die frohe Botschaft hören. Dank an die Brüder der Dormitio für diese wunderbare Spende.


Die Chororgel – ein kleines eigenständiges Orgelwerk neben dem Dormitioaltar – hatte verschiedene Reisemöglichkeiten, deren endgültige nun die Prokathedrale des lateinischen Patriarchen ist. Der Abbau erfolgte mit kräftiger Hilfe durch George unspektakulär und schnell. Mit geistlicher Unterstützung durch Pater Firas und tatkräftiger Zusammenarbeit von George und mir verschwand die gesamte Technik nebst Motor und Pfeifen in Transportkisten, die dann in drei Fahrten ins Südschiff der Prokathedrale gebracht wurden und dem Wiederaufbau entgegensehen.


Bei der Lokationfindung geschah ein wirkliches Wunder – auf der Südempore entdeckte ich die verstummte Späth Orgel (päpstlicher Hoflieferant) op. 446 von 1933. Ein Schwesterinstrument der Späth Orgel von 1937 in Damaskus. Nach einigem Spiel löste sich so manche Oxidierung der Kontakte – und (wenn noch ein Wunder geschieht) kann sie wieder in Gänze erklingen und die Orgellandschaft Jerusalems in besonderer Weise bereichern.

Tilman Späth (in fünfter Generation Firmenchef) hat schon ein „Not“programm zur Entscheidungsfindung nach Spielbarmachung vorbereitet. Und nun last but not least das Schicksal des Hauptwerkes und Oberwerkes – sichtbar der größte Teil der Orgel. Um nicht depressiv zu werden, hier ein wichtiger Einschub zur Belichtung der Dormitio. Ein besonderes Juwel in Kirchen ist meist das/die Fenster auf der Westseite, die das Licht der Sonne bis zu ihrem Untergang in den Kirchenraum lassen. Genau vor die Westfenster wurde 1982 – für mich völlig liturgiezerstörend und verdunkelnd – die Hauptorgel platziert, alle Westfenster mit Preßholzplatten abgedeckt und es herrschte dann absolute Finsternis auf der Westempore und somit auch in weiten Bereichen des majestätischen Kirchenraumes. Auch der Gedanke an „meditative Stimmung“ und „Gott will im Dunkel wohnen“ machte es nicht leichter, denn das Zitat geht eben weiter „und hat es doch erhellt“. Die Verbauung des guten Krytazuganges aus dem Chorraum durch die Errichtung der Chororgel war ein weiteres unverständliches Erbe des Orgelbaues 1982.


Mit tatkräftigem Wirken von Pater Basilius, den Mitarbeitenden Amjad und Eyad wurden aus der Hauptorgel die, im Shop dereinst verkaufbaren Orgelpfeifen entnommen und gelagert. Alle Technik und der größere Teil der – oft seit Jahren unbrauchbaren Pfeifen – wurde mit allen Holzteilen der getrennten Verwertung zugeführt. Als der wunderbare Organist der Dormitio, Pater Simeon aus der Quarantäne kam, fand er die Kirche lichtdurchflutet, der Zugang aus dem Altarraum in die Krypta wieder weit und offen – und die Kirche voller Chancen auf ein Jahrhundertwerk europäischen Orgelbaues.


Nach Restaurierung der Kirche eine exquisite Herausforderung ein für Jahrhunderte bestehendes gültiges Zeugnis von Orgel – Liturgie – Konzert zu errichten.


Ich bin menschlich außerordentlich bereichert durch die gewachsenen Kontakte beim Orgelabbau – welch guter Beginn.

Möge Gottes reicher Segen auf diesem Projekt liegen.

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