Von Apple zur Cineastik

Das Wiener Haus. Foto: Frank Bürger

Berlin. Der Weg vom Wiener Haus mit Sitz des Apple Stores zur Filmwelt in Spandau ist kein weiter. Eine Spurensuche.

Von Frank Bürger

Für jeden Besitzer eines iPads und eines iphones ist der weg zum Berliner AppleStore ein Muss. Der Besuch zeigt: Der Weg ist sehr geschichtsträchtig. Denn der Shop befindet sich im Haus Wien. Verbunden ist das Haus mit dem Namen Karl Kutschera

Kutschera war Anfang der 1930er Jahre einer der bekanntesten Gastronomen Berlins. Das Weinrestaurant Zigeunerkeller und das Café Wien hatten internationalen Ruf und waren beliebter Treffpunkt für das mondäne Berlin. Von 1924 bis 1937 betrieb er auch das Kurhaus Cladow in Berlin-Kladow, wo er auch wohnte.

Ab 1936 wurden Kutscheras und seine Gaststätten Opfer der antisemitischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten, die von einer Hetz-Kampagne des NS-Wochenblattes Der Stürmer publizistisch begleitet wurde. Der Stürmer bezeichnete das Café Wien und den Zigeunerkeller als „Judeneldorado des Kurfürstendamms“. Auf Seiten der Nationalsozialisten war unter anderem der Gestapo- und SD-Mann Heinrich Hamann für die Verfolgung zuständig. Ein Jahr und mehrere diffamierende Artikel später sah sich Kutschera zur Aufgabe gezwungen. Um den Entzug seiner Konzession abzuwenden, entschloss er sich, beide Betriebe an die nichtjüdischen Mitgesellschafter Ernst Krüger und Josef Stüber zu verpachten. Bald darauf prangte über den Eingängen das Schild „Juden unerwünscht“. Die Betreiberfirma ließ er kurze Zeit später aus dem Handelsregister löschen. Es war also nicht ein etwaiger Boykott seiner Gaststätten, der Kutschera zur Aufgabe zwang – seine Firma hatte im Vergleich zum lukrativen Olympia-Vorjahr 1936 sogar noch eine Umsatzsteigerung verzeichnen können –, sondern vielmehr der durch den Stürmer ausgeübte Druck auf städtische Behörden, der maßgebend für seine Verdrängung aus dem Berliner Wirtschaftsleben war. Noch 1937 machten seine Betriebe einen Jahresumsatz von 1,5 Mio. Reichsmark. Der Betrieb beschäftigte 154 Angestellte, darunter 13 Musiker, und war damit einer der erfolgreichsten gastronomischen Betriebe Berlins.

Kutschera zog sich nach Kladow zurück. Die Familie Kutschera wurde am 19. Mai 1943 in das KZ Theresienstadt deportiert. Während Karl Kutschera und seine zweite Frau Josephine das Konzentrationslager überlebten, wurden ihre beiden gemeinsamen Kinder, Karin-Gertrud (* 1927) und Klaus Gerhard (* 1926), im KZ Auschwitz ermordet.

Somit ist die Familie Kutschera auch verbunden mit der Shoa von Auschwitz und dem Hetzplatz „Der Stürmer“…hier führt die Spur zum Wannsee und nach Schwetzingen.

Eike Stegen (links) mit Autor Frank Bürger. Foto: Haus der Wannseekonferenz

Eike Stegen (links) mit Autor Frank Bürger. Foto: Haus der Wannseekonferenz

Ein Artikel über den damaligen Verleger der Schwetzinger Zeitung, Albert Moch, erschien am 23. Juni 1935 im Nazi-Hetzblatt „Stürmer“. Jetzt war die Seite Teil einer Ausstellung in Berlin.

Von Beginn an wollten die Nationalsozialisten Juden aus dem deutschen Pressewesen verbannen. Die Propaganda von „Hakenkreuzbanner“ und „Stürmer“ richtete sich in diesem Sinn auch gegen Albert Moch und seinen katholisch getauften Sohn Guido und ihre Schwetzinger Zeitung. So hielt man Vater Moch vor, ein SS-Schaureiten karikiert und in seinem „Kampf gegen das Hakenkreuz“ 1932 ein Inserat aufgenommen zu haben, in dem von der „Ermordung einer arischen Sau“ die Rede war. Bis Ende 1935 wurde das Blatt auf Anweisung der Reichspressekammer Berlin „arisiert“, also enteignet.

Die Tafel war 2015 auf dem Dachboden einer Ausflugsgaststätte in Berlin-Schmöckwitz gefunden worden, die abgerissen werden sollte, und wurde der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz übergeben.

https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-die-hetze-im-stuermer-gegen-verleger-moch-_arid,1259354.html

Nachdem ein dauerndes Aufenthaltsverbot gegen ihn ausgesprochen worden war, verließ Albert am 11. Januar 1936 Schwetzingen, hielt sich zwischenzeitlich in Ludwigshafen am Rhein auf, bevor er schließlich nach Pforzheim zog. Aron Adolf Moch starb am 27. August 1938 im Alter von 72 Jahren an einer Herzschwäche und wurde in Pforzheim bestattet.

Alfons Stemmle hatte bereits im Oktober 1935 Druckerei und Verlag der Schwetzinger Zeitung übernommen; ab 1936 wurde in Schwetzingen nur noch das Mannheimer NSDAP-Blatt „Hakenkreuzbanner“ mit Lokalseite vertrieben. Albert Mochs Sohn Guido, der sich bis zum Kriegsende durchschlagen konnte, kehrt im Hochsommer 1945 nach Schwetzingen zurück, wurde wieder publizistisch tätig und machte Ansprüche auf die von seinem Vater unter Zwang verkaufte Schwetzinger Zeitung geltend. Die Familien Stemmle und Moch einigten sich schließlich gütlich und wirkten fortan in produktiver Art und Weise gemeinsam an der Herausgabe der Schwetzinger Zeitung.

https://www.schwetzinger-zeitung.de/deutschland-welt_artikel,-seite-1-zum-verkauf-gedraengt-_arid,1776631.html

Aus einer Ausgabe des antisemitischen Propagandablattes „Der Stürmer“ vom Juni 1935 geht hervor, dass die Nazis nicht vergessen hatten, wer sich schon zur Weimarer Zeit gegen sie geäußert hatte, und dazu gehörte auch die Schwetzinger Zeitung. Als einer ihrer Gegner nicht nur aus sogenannten „rassischen“, sondern auch politischen Gründen stand so insbesondere der Eigentümer der Schwetzinger Zeitung, Albert Moch, – und in zweiter Linie sein Sohn Guido – im Visier von Attacken des wöchentlich erscheinenden Nazi-Organs „Stürmer“.

Zu Schwetzingen heißt es in dem Beitrag, der Ort genieße Weltruf, jeder Deutsche kenne „den berühmten Schwetzinger Spargel“ und solle „den einzigartigen Schwetzinger Schloßgarten“ besuchen. Auch hier sei in der Zeit „des Kampfes um die Macht“ das „Häuflein derer, die zu Adolf Hitler standen,“ klein gewesen, anders als jetzt – gäbe es da nicht „heute noch eine sogenannte ‚Heimatzeitung‘ “, deren Druckerei und Verlag der Kaufmann und Verleger „Aaron (Albert) Moch“ erworben habe, der Jude sei und die Zeitung nach der NS-Machtübertragung seinem Sohn Guido übergeben habe.

„Der Stürmer“ verlautbarte, in der Zeitung aber habe der Vater öffentlich weiter gegen die Nazis gekämpft. So habe er über ein Schaureiten der SS mit solcher Übertreibung berichtet, „dass sich das benachbarte Ausland auf die ‚Schwetzinger Zeitung‘ “ berufen und erklärt habe: „Seht, so ist die SS. bewaffnet!“ Als Herausgeber der Schwetzinger Zeitung hätte „Jud Moch“ seine ganze Macht benutzt, „um die Völkischen und Nazis in Schach zu halten.“ Der „Stürmer“ hält ihm in seinem „Kampf gegen das Hakenkreuz […] Niedertracht sondergleichen“ vor und sucht dies anhand einiger Beispiele zu verdeutlichen: „Am 9. Februar 1932 nahm Jud Moch ein Inserat auf, worin von der ‚Ermordung einer arischen Sau‘ die Rede ist.“ Die Anzeige rief wie zu einem Schlachtfest mit ungewohnter Speise in die Gaststätte „Alte Pfalz“ auf, während auf einer nachfolgenden, abendlichen Fasnachtssitzung bereits der „Einmarsch in das IV. Reich“ in Aussicht gestellt wird. Der „Stürmer“ weiter: „Am 11. März 1932 erschien ein Inserat vom Köpferollen.“ Reproduktionen wurden zur Illustration gezeigt. Die Nationalsozialisten griffen die dritte von vier Zeichnungen, die sich gegen die Nazis richtete, heraus: Ein Henker mit Hakenkreuzbinde und -kappe und Beil in der einen Hand, dessen anderer Arm zum Hitlergruß ausgestreckt ist, vor Galgen und einer Reihe Köpfen stehend, versehen mit der rhetorischen Unterzeile: „Soll es zum Dritten Reiche gehn, / Wo Köpfe rollen, Galgen stehn“, während unter der vierten Zeichnung die Aufforderung steht: „Nein! Durch die Not der schweren Zeit / Mit Hindenburg zur Einigkeit.“

Das zeigte die politische Stellung der Zeitung im Vorfeld der Reichspräsidentenwahl 1932. Hindenburg wurde als Reichspräsident im April 1932 im zweiten Wahlgang unterstützt von SPD und Zentrum wiedergewählt, gegen Hitler. Doch 1933 ermöglichte er mit Erlass der „Reichstagsbrandverordnung“ und des Ermächtigungsgesetzes die Errichtung des NS-Regimes.

Wie aus Akten des Schwetzinger Stadtarchivs hervorgeht, war es einmal mehr der berüchtigte „Stürmer“-Zuträger, der 1936 „der Stadt Nürnberg bezw. Gauleiter Streicher 2 Schwäne und einen Spargelkorb als Gabe der Stadt Schwetzingen“ auf Anordnung des Schwetzinger NS-Bürgermeisters Stober überbringen durfte.114 In dem Begleitschreiben heißt es, dass „sich Parteileitung und Stadtverwaltung“ in „Erinnerung an Ihren Osterbesuch im vergangenen Jahr“ erlaubten, ihm „zwei junge Schwäne des Schlossgartens und zwar aus dem Nest, das Ihnen bei Ihrem Besuch so gefallen hat,“ nebst Schwetzinger Spargel und Schlossgartenflieder zu übermitteln. Dienen sollte dies als „Beweis unserer Verbundenheit“. 1937 wurden dem Spargelkorb im Begleitschreiben „die besten Wünsche der hiesigen Ortsgruppe und der Stadtverwaltung für Ihre weitere Arbeit im Kampfe gegen das Judentum.

Edmund Bürger übernahm am 26. November 1902 die Gaststätte zum „Zähringer Hof“. Vermutlich halfen seine Schwestern Rosa und Eva bei ihrem Bruder Edmund als Bedienungen aus.

In dieser Zeit lernten die beiden zwei  Wanderburschen aus Altensteig im Schwarzwald kennen. Es waren Martin und Ernst Luz aus Altensteig im Schwarzwald. Die Gemeinde liegt nicht fernab von Schömberg, Bad Wildbad und Althengstett, wo Heinz und Annemarie Bürger die letzten Exemplare des Buches „Kloster Götschendorf“ abgeholt haben.

 Die beiden Buchdrucker Luz  kamen nach Schwetzingen und arbeiteten bei dem Schwetzinger Lokalblatt. Die Druckerei lag am Schlossplatz.

„Bei einem Mittagessen und noch wahrscheinlich abends bei einem Glas Bier lernten sie ihre spätere Frauen kennen. 1908  heiratete Ernst Rosa Bürger, zwei Jahre später heiratete Martin Luz Eva Bürger.

Marie Luz, die Schwester von Martin und Ernst Luz, war als Dienstmädchen ebenfalls auf Wanderschaft, sie kam von Altensteig über Straßburg und Heidelberg nach Schwetzingen. Dabei lernte sie auf einer Hochzeit ihren späteren Mann Franz Bürger kennen“, schreibt Jürgen Bürger. Marie und Franz Bürger sind die Großeltern von Jürgen Bürger

Nach Berichten von Jürgen Bürger, dem Vater des CDU-Stadtrates Markus Bürger, war bei der Nazi-Enteignung der Familie Moch auch der Name der Buchdrucker mit dem Skandal um die Schwetzinger Zeitung verbunden. „Doch Eva Bürger erkannte die Verantwortung und riet ihrem Mann von einer Übernahme ab.“

Wieder zurück zum Haus Wien. In dem Gebäude befand sich auch ein renommiertes Kino.

Das Kino wurde 1912-13 von Nentwich & Simon als eines der ersten reinen Lichtspielhäuser in Berlin im Stile des Wilhelminischen Klassizismus mit tempelähnlicher Fassade mit vier ionischen Säulen und Tympanon (Dreiecksgiebel) sowie einem Anbau errichtet und am 2.10.1913 als Union-Palast eröffnet. Unter dem Kinosaal befand sich ein großes Konzert-Café, das neue ‘Café des Westens’. Eingeweiht wurde es mit Max Reinhardts “Insel der Seligen” und entwickelte sich in der Folge zur Experimentierbühne für künstlerisch anspruchsvolle Filme. Seit 1924 gehörte das 850-Plätze-Kino als UFA-Palast, später UFA-Theater zur UFA.

Nach Kriegszerstörungen wurde das Haus 1945 instand gesetzt und umbenannt in Haus Wien bzw. Filmbühne Wien. 1953 wurde es dann auch im Inneren umgebaut. An Stelle des ehemals repräsentativen Eingangs wurden Läden eingerichtet. Bis zuletzt blieb die Filmbühne Wien Premierenkino. Als erstes Kino in Berlin erhielt sie eine Cinemascope-Leinwand und war für kurze Zeit Spielort der Berlinale. 1979-1983 wurde der Bau zerstückelt für die Einrichtung sieben weiterer kleiner Kinosäle.

Am 26.04.2000 wurde das Kino geschlossen. Mit der Filmbühne Wien starb ein besonders traditionsreiches Kino. Zunächst zog bis zu seinem Neubau das Kaufhaus C&A in das Gebäude ein. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Deshalb wurden Fassade, Treppenhaus und Kinosaal samt Rängen erhalten. Auch die Schaukästen vor dem Haus gibt es noch. Vom 29.6. bis 30.9. 2007 wurde in dem Haus eine große Dalí-Ausstellung mit 450 Zeichnungen, Grafiken, illustrierten Büchern, Dokumenten und kompletten Mappenwerken des spanischen Künstlers gezeigt. Der Kunstsammler und Eventmanager Carsten Kollmeier aus Baden-Württemberg wollte ein ständiges Dalí-Museum am Kurfürstendamm einrichten, zog aber dann mit seinem Museum an den Potsdamer Platz.
Am 3.5.2013 eröffnete das amerikanische Computerunternehmen Apple in dem Haus seinen Berliner Flagship-Store.

Eine besondere Uraufführung war auch Paul Lenis „Wachsfigurenkabinett“. Die Spur der Schauspieler Emil Jannings und Wilhelm Dieterle führen dann zu Friedrich Wilhelm Murnaus Faust-Verfilmung.

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Am 11. März 1931, kurz vor einer Europa-Promotion-Tour Murnaus, verlor sein Diener, der 14-jährige Filipino Garcia Stevenson, auf der Küstenstraße südöstlich von Santa Barbara (Kalifornien) die Beherrschung über das Auto, in dem die beiden fuhren, so dass es frontal mit einem Lkw zusammenstieß. Murnau starb wenige Stunden später an seinen Verletzungen. Nur elf Personen haben von ihm am 19. März Abschied genommen, darunter Greta Garbo.

Bei der Beisetzung in Berlin hielt der weltberühmte Regisseur Fritz Lang, Schöpfer des cineastisch bedeutenden Streifens „Metropolis“ und des Heldenepos „Die Nibelungen“ eine Grabrede. Unter den Gästen auch der Schauspieler Emil Jannings, der beim „Faust“ die Rolle des Mephistos übernahm.

Und mit Fritz Lang sind wir bei den CCC-Filmstudios in Spandau. Sein letzter Film: Die 1000 Augen des Dr. Mabuse.

Seit wenigen Tagen gibt es bei CCC die MABUSE-Kollektion in Form der Blu- Ray Box bei Eureka/England @eurekaentertainment mit speziellem Bonus-Material‼️📀

➡️ Enthalten sind die Klassiker:
The Thousand Eyes of Dr Mabuse,
The Return of Dr Mabuse,
The Invisible Dr Mabuse,
The Testament of Dr Mabuse (1962 – Werner Klingler), Scotland Yard Hunts Dr Mabuse,
The Death Ray of Dr Mabuse

Unter anderem auch ein brandaktuelles Interview mit Alice Brauner , Tochter des legendären Artur Brauner 🙏

Nachzulesen auf dem Instagram-Kanal der Künstlerin.

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