Bürgerquellen: Von Schwetzingen nach Wannsee

Frank Bürger in der Rolle des Schneider Böck aus der Kantate „Max und Moritz“. Foto: Norbert Lenhardt

Berlin. Die Schwetzinger Zeitung war Ausgangspunkt meiner Reise und ist auch mit dem Namen Bürger verbunden.

Von Frank Bürger

Das Lutherhaus Schwetzingen. Vor zirka 50 Jahren. Kantor Gerhard Strub konnte gut mit Kindern umgehen. Es war eine schöne Zeit in der Schwetzinger Kinderkantorei. Wir führten im Lutherhaus die Kantate „Max und Moritz“ auf. Ich durfte die Rolle des Schneiders übernehmen. Bei der Premiere war auch der damals junge Fotograf der Schwetzinger Zeitung mit vor Ort. Das Foto erschien in der Schwetzinger Zeitung. Die Mütze hatte Georg Ueltzhöffer, mein Patenonkel, besorgt, aus dem Fundus des Heidelberger Theaters. Dort arbeitete er als Solist und Chorist.

Am 19. Januar bekam meine Mutter dieses Heft zum 85. Geburtstag von der Stadt Schwetzingen.

Beim Stöbern entdeckte ich dieses bisher unveröffentlichte Bild von Onkel Schorsch in den Bürger-Unterlagen.

Auf der Rückseite vermerkt. Aufnahme von einer Aufführung von Don Giovanni vom Theater Meiningen aus der Spielzeit 1950 / 1951. Eine Recherche von mir vor Ort ergab: Aus dieser Zeit gibt es nur spärlich Unterlagen. Dass ich später für die Schwetzinger Zeitung eine Aufführung des Mpzart-Klassikers im Rokokotheater rezensieren durfte, stand damals noch in den Sternen.

Im Text oben von Margit Doll vermerkt eines der Lieblingslieder meines Patenonkels: „Die Uhr“ von Carl Loewe.

Es war 1996, kurz bevor ich Schwetzingen verlassen hatte, dass ich auch Hermann Prey erleben durfte, bei einem seiner letzten Auftritte. Als Zugabe präsentierte er dieses besondere Stück. Auch wieder hatte ich das meinem Musiklehrer Werner Boll zu verdanken.

Werner Boll (2. v. rechts) mit Hermann Prey. Foto: privat

1986 reisten Musikdirektor Detlev Helmer und ich auf Bolls Initiative als Stipendiaten nach Bayreuth. Uber Prälat Traugott Schächtele gab es hier noch einmal eine Kooperation mit der Weihnachtskirche zum 200. Geburtstag der badischen Landeskirche.

1986 gab es auch im Schwetzinger Schloss ein wunderbares Konzert unter Leitung von Werner Boll.

Ein Dankeschön an Prof Dr. Traugott Schächtele, dass er zu einer besonderen Ordination nach Spandau kam. Zugegen auch Abt Daniil Irbits, über den ich mein Buch zu „Kloster Götschendorf“ verfasste.

Inzwischen spielte auch wieder die Schwetzinger Zeitung eine Rolle

Doch die Bürgerquelle hat auch eine historisch interessante Bedeutung.

„Berlin 1937 – Im Schatten von morgen“ war eine Ausstellung im Berliner Märkischen Museum überschrieben, die inzwischen zu Ende gegangen ist. Überraschenderweise enthielt sie ein Exponat mit Bezug zu Schwetzingen. Denn gezeigt wurden hier Tafeln des antisemitischen Hetzblatts „Stürmer“, und darunter jene Seite, auf der gegen den Eigner und Verleger der Schwetzinger Zeitung, Albert Moch, Propaganda gemacht worden war.

Gezeigt sollte dabei werden, wie sich Berlin damals Einwohnern und Besuchern der Stadt präsentierte, welche Brüche oder Kontinuitäten im öffentlichen und privaten Raum festzustellen waren. Wie konnte das NS-Regime im „roten“ Berlin Zustimmung finden und wie deutlich zeigte sich sein verbrecherischer Charakter bereits vor Krieg und Holocaust? Dafür wurde der Alltag der Vorkriegszeit in den Vordergrund gerückt, sollten 50 exemplarische Objekte, verbunden mit Zeitzeugenberichten, die Geschichte „zum Sprechen“ bringen.

Ein Artikel über den damaligen Verleger der Schwetzinger Zeitung, Albert Moch, erschien am 23. Juni 1935 im Nazi-Hetzblatt „Stürmer“. Jetzt war die Seite Teil einer Ausstellung in Berlin.

Von Beginn an wollten die Nationalsozialisten Juden aus dem deutschen Pressewesen verbannen. Die Propaganda von „Hakenkreuzbanner“ und „Stürmer“ richtete sich in diesem Sinn auch gegen Albert Moch und seinen katholisch getauften Sohn Guido und ihre Schwetzinger Zeitung. So hielt man Vater Moch vor, ein SS-Schaureiten karikiert und in seinem „Kampf gegen das Hakenkreuz“ 1932 ein Inserat aufgenommen zu haben, in dem von der „Ermordung einer arischen Sau“ die Rede war. Bis Ende 1935 wurde das Blatt auf Anweisung der Reichspressekammer Berlin „arisiert“, also enteignet.

Die Tafel war 2015 auf dem Dachboden einer Ausflugsgaststätte in Berlin-Schmöckwitz gefunden worden, die abgerissen werden sollte, und wurde der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz übergeben.

https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-die-hetze-im-stuermer-gegen-verleger-moch-_arid,1259354.html

Nachdem ein dauerndes Aufenthaltsverbot gegen ihn ausgesprochen worden war, verließ Albert am 11. Januar 1936 Schwetzingen, hielt sich zwischenzeitlich in Ludwigshafen am Rhein auf, bevor er schließlich nach Pforzheim zog. Aron Adolf Moch starb am 27. August 1938 im Alter von 72 Jahren an einer Herzschwäche und wurde in Pforzheim bestattet.

Alfons Stemmle hatte bereits im Oktober 1935 Druckerei und Verlag der Schwetzinger Zeitung übernommen; ab 1936 wurde in Schwetzingen nur noch das Mannheimer NSDAP-Blatt „Hakenkreuzbanner“ mit Lokalseite vertrieben. Albert Mochs Sohn Guido, der sich bis zum Kriegsende durchschlagen konnte, kehrt im Hochsommer 1945 nach Schwetzingen zurück, wurde wieder publizistisch tätig und machte Ansprüche auf die von seinem Vater unter Zwang verkaufte Schwetzinger Zeitung geltend. Die Familien Stemmle und Moch einigten sich schließlich gütlich und wirkten fortan in produktiver Art und Weise gemeinsam an der Herausgabe der Schwetzinger Zeitung.

https://www.schwetzinger-zeitung.de/deutschland-welt_artikel,-seite-1-zum-verkauf-gedraengt-_arid,1776631.html

Aus einer Ausgabe des antisemitischen Propagandablattes „Der Stürmer“ vom Juni 1935 geht hervor, dass die Nazis nicht vergessen hatten, wer sich schon zur Weimarer Zeit gegen sie geäußert hatte, und dazu gehörte auch die Schwetzinger Zeitung. Als einer ihrer Gegner nicht nur aus sogenannten „rassischen“, sondern auch politischen Gründen stand so insbesondere der Eigentümer der Schwetzinger Zeitung, Albert Moch, – und in zweiter Linie sein Sohn Guido – im Visier von Attacken des wöchentlich erscheinenden Nazi-Organs „Stürmer“.

Zu Schwetzingen heißt es in dem Beitrag, der Ort genieße Weltruf, jeder Deutsche kenne „den berühmten Schwetzinger Spargel“ und solle „den einzigartigen Schwetzinger Schloßgarten“ besuchen. Auch hier sei in der Zeit „des Kampfes um die Macht“ das „Häuflein derer, die zu Adolf Hitler standen,“ klein gewesen, anders als jetzt – gäbe es da nicht „heute noch eine sogenannte ‚Heimatzeitung‘ “, deren Druckerei und Verlag der Kaufmann und Verleger „Aaron (Albert) Moch“ erworben habe, der Jude sei und die Zeitung nach der NS-Machtübertragung seinem Sohn Guido übergeben habe.

„Der Stürmer“ verlautbarte, in der Zeitung aber habe der Vater öffentlich weiter gegen die Nazis gekämpft. So habe er über ein Schaureiten der SS mit solcher Übertreibung berichtet, „dass sich das benachbarte Ausland auf die ‚Schwetzinger Zeitung‘ “ berufen und erklärt habe: „Seht, so ist die SS. bewaffnet!“ Als Herausgeber der Schwetzinger Zeitung hätte „Jud Moch“ seine ganze Macht benutzt, „um die Völkischen und Nazis in Schach zu halten.“ Der „Stürmer“ hält ihm in seinem „Kampf gegen das Hakenkreuz […] Niedertracht sondergleichen“ vor und sucht dies anhand einiger Beispiele zu verdeutlichen: „Am 9. Februar 1932 nahm Jud Moch ein Inserat auf, worin von der ‚Ermordung einer arischen Sau‘ die Rede ist.“ Die Anzeige rief wie zu einem Schlachtfest mit ungewohnter Speise in die Gaststätte „Alte Pfalz“ auf, während auf einer nachfolgenden, abendlichen Fasnachtssitzung bereits der „Einmarsch in das IV. Reich“ in Aussicht gestellt wird. Der „Stürmer“ weiter: „Am 11. März 1932 erschien ein Inserat vom Köpferollen.“ Reproduktionen wurden zur Illustration gezeigt. Die Nationalsozialisten griffen die dritte von vier Zeichnungen, die sich gegen die Nazis richtete, heraus: Ein Henker mit Hakenkreuzbinde und -kappe und Beil in der einen Hand, dessen anderer Arm zum Hitlergruß ausgestreckt ist, vor Galgen und einer Reihe Köpfen stehend, versehen mit der rhetorischen Unterzeile: „Soll es zum Dritten Reiche gehn, / Wo Köpfe rollen, Galgen stehn“, während unter der vierten Zeichnung die Aufforderung steht: „Nein! Durch die Not der schweren Zeit / Mit Hindenburg zur Einigkeit.“

Das zeigte die politische Stellung der Zeitung im Vorfeld der Reichspräsidentenwahl 1932. Hindenburg wurde als Reichspräsident im April 1932 im zweiten Wahlgang unterstützt von SPD und Zentrum wiedergewählt, gegen Hitler. Doch 1933 ermöglichte er mit Erlass der „Reichstagsbrandverordnung“ und des Ermächtigungsgesetzes die Errichtung des NS-Regimes.

Wie aus Akten des Schwetzinger Stadtarchivs hervorgeht, war es einmal mehr der berüchtigte „Stürmer“-Zuträger, der 1936 „der Stadt Nürnberg bezw. Gauleiter Streicher 2 Schwäne und einen Spargelkorb als Gabe der Stadt Schwetzingen“ auf Anordnung des Schwetzinger NS-Bürgermeisters Stober überbringen durfte.114 In dem Begleitschreiben heißt es, dass „sich Parteileitung und Stadtverwaltung“ in „Erinnerung an Ihren Osterbesuch im vergangenen Jahr“ erlaubten, ihm „zwei junge Schwäne des Schlossgartens und zwar aus dem Nest, das Ihnen bei Ihrem Besuch so gefallen hat,“ nebst Schwetzinger Spargel und Schlossgartenflieder zu übermitteln. Dienen sollte dies als „Beweis unserer Verbundenheit“. 1937 wurden dem Spargelkorb im Begleitschreiben „die besten Wünsche der hiesigen Ortsgruppe und der Stadtverwaltung für Ihre weitere Arbeit im Kampfe gegen das Judentum.

Franz und Marie Bürger. Quelle: Jürgen Bürger

Das Schwetzinger Lokalblatt hatte auch mit der Familie Bürger zu tun.

Jürgen Bürger auf Reisen. Foto: Archiv

Edmund Bürger übernahm am 26. November 1902 die Gaststätte zum „Zähringer Hof“. Vermutlich halfen seine Schwestern Rosa und Eva bei ihrem Bruder Edmund als Bedienungen aus.

In dieser Zeit lernten die beiden zwei  Wanderburschen aus Altensteig im Schwarzwald kennen. Es waren Martin und Ernst Luz aus Altensteig im Schwarzwald. Die Gemeinde liegt nicht fernab von Schömberg, Bad Wildbad und Althengstett, wo Heinz und Annemarie Bürger die letzten Exemplare des Buches „Kloster Götschendorf“ abgeholt haben.

 Die beiden Buchdrucker Luz  kamen nach Schwetzingen und arbeiteten bei dem Schwetzinger Lokalblatt. Die Druckerei lag am Schlossplatz.

„Bei einem Mittagessen und noch wahrscheinlich abends bei einem Glas Bier lernten sie ihre spätere Frauen kennen. 1908  heiratete Ernst Rosa Bürger, zwei Jahre später heiratete Martin Luz Eva Bürger.

Marie Luz, die Schwester von Martin und Ernst Luz, war als Dienstmädchen ebenfalls auf Wanderschaft, sie kam von Altensteig über Straßburg und Heidelberg nach Schwetzingen. Dabei lernte sie auf einer Hochzeit ihren späteren Mann Franz Bürger kennen“, schreibt Jürgen Bürger. Marie und Franz Bürger sind die Großeltern von Jürgen Bürger

Nach Berichten von Jürgen Bürger, dem Vater des CDU-Stadtrates Markus Bürger, war bei der Nazi-Enteignung der Familie Moch auch der Name der Buchdrucker mit dem Skandal um die Schwetzinger Zeitung verbunden. „Doch Eva Bürger erkannte die Verantwortung und riet ihrem Mann von einer Übernahme ab.“

Frank Bürger mit Verlagschef Wolfgang Schröck-Schmidt in den Schwetzinger Bürgerstuben

Über die Recherche zu meinem Buch „Auf den geheimnisvollen Spuren von Albert Schweitzer“, das von der Edition Schröck-Schmidt herausgegeben wird, stieß ich wieder auf den Namen Erwin Stemmle.

Gründungspräsident des RC Schwetzingen-Walldorf war Erwin Stemmle. „Im Jahr 2005 hat unser Club die Patenschaft für die Gründung zweier weiterer Rotary Clubs übernommen: den RC Schwetzingen-Kurpfalz und den RC Hockenheim!“, so auf der Homepage der Rotarier.

Auch ich hatte das Glück, Dr. Erwin Stemmle, den Gründungsvater kennenzulernen. 40 Jahre lang hat er als Verleger und Chefredakteur die Entwicklung der Schwetzinger Zeitung geprägt.

Es war der Beginn meiner persönlichen journalistischen Reise. Es war Musiklehrer Werner Boll, der mich zu Erwin Stemmle brachte. Das Gespräch war unvergesslich. Es führte mich auf so vielen Wegen, die wirklich noch dokumentiert werden, letztendlich nach Berlin.

Vorsitzende der Rotarier war unter anderem auch Andrea Gadamer, ehemalige Schwetzinger Amtsgerichtspräsidentin. Sie ist Tochter des weltberühmten Philosophen Hans-Georg Gadamer, den ich über meinen Musiklehrer im Europäischen Hof während einer Veranstaltung des Richard-Wagner-Verbandes Heidelberg persönlich kennenlernen durfte.

Erst vor wenigen Monaten durfte ich zum Richard-Wagner-Verband Heidelberg zurückkehren.

Max Ehrlich (links) mit Gabriele Priester und Fran Bürger im Europäischen Hof. Foto: privat

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