
Berlin. Die Reise von der evangelischen Weihnachtskirche Berlin in die Hebelstadt Schwetzingen ist keine weite. In Schwetzingen werden weitere Weichen für die Renaissance des Schweitzer-Clubs gestellt.
Von Frank Bürger
Der 16. Mai 2024 war ein besonderer Moment in der Geschichte der Deutsch-Polnischen Nachrichten mit Albert Schweitzer. Denn in den Räumlichkeiten der evangelischen Weihnachtskirche in Spandau wurde nun die endgültige Rezeptur für den „Albert-Schweitzer-Tee“ festgelegt. Dafür zuständig im deutschlandweit kooperierenden Team war die Berlinerin Carolin Richter. In der Endauswahl, die sie mit mir als Inhaber der Namensmarke traf, standen drei neu gemischte Teesorten. Gemeinsam wurde probiert. Und letztendlich legten wir uns fest. Die Marke beinhaltet Melisse, Süßholz, Passionsblume und Honig.





Passionsblumen und Melissen können in einem Test zuerst in einem Hochbeet der Kita Haselhorster Damm angebaut werden.
Gestern ist nun der einzige Beutel in den „Bürgerstuben“ in der Schwetzinger Lindenstraße, also in der Hebelstadt gelandet. Noch nicht klar ist, wann der Tee hier vor Ort probiert wird … Pfingsten ist jedenfalls der richtige Zeitpunkt dafür.
Und eine lange Hebel- und Schweitzer-Reise hat wieder einen Markierungspunkt gefunden.
Geplant ist die Renaissance eines Albert-Schweitzer-Clubs in Schwetzingen. Denn dort hat es ihn etwas im Verborgenen gegeben. Das dokumentiert ein Buch der Autorin Carla Thompkins und auch ein Besuch bei „Onkel Hellmut“

Ein Päckchen Tee mit auf die Reise zur Buchpräsentation bekommt Carla Thompkins zur Buchvorstellung in Weimar

Inzwischen gab es auch Gespräche mit Staatssekretär Andre Baumann zur Gründung des Albert-Schweitzer-Clubs. In Kooperation mit der evangelischen Kirchengemeinde Schwetzingen wird es voraussichtlich am 11. oder 18. Januar einen Expertenvortrag in den Schwetzinger Büroräumen Baumanns geben.

Seit September 2009 betreibt die Stadtbibliothek eine Zweigstelle im Erdgeschoss des Mensagebäudes des Johann-Peter-Hebelgymnasiums.
Der Autor des Textes ist Träger der Hebel-Gedenkmedaille der Stadt Schwetzingen und hat das Hebelgymnasium besucht.

In der Zentralstelle und Bibliothek sind die Bücher zum „Kloster Götschendorf“ auszuleihen. Die Erstauflage ist vergriffen, die überarbeitete Zweitauflage ist vergriffen. In dem Buch spielen auch Begegnungen mit Albert Schweitzer eine Rollen.

Das Grabmal von Hebel befindet sich nur wenige 100 Meter von der Hauptstelle der Bibliothek entfernt.

Zu Hebel
(* 10. Mai 1760 in Basel; † 22. September 1826 in Schwetzingen) war ein Dichter aus dem alemannischen Sprachraum. Anlässlich der 250. Wiederkehr seines Geburtstages erinnerte man landauf landab an ihn. Bekannt wurde er vor allem durch seine „Alemannischen Gedichte“ und das „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“. Dass er von Haus aus evangelischer Theologe, Pädagoge und ein führender Vertreter der badischen Landeskirche war, ist nicht so sehr im allgemeinen Bewusstsein.
Hebel war ein gebildeter, kluger und humorvoller Mann – und er war tiefgläubig.
Seine Texte kommen leicht daher, sind aber niemals seicht oder harmlos. Er erzählt voller Tief- und Hintersinn. Alle Geschichten dienen zur Erkenntnis der Wahrheit in dieser Welt und im menschlichen Leben mit seinen Brüchen. Das ist der Grund, warum sich sogar Schriftsteller und Philosophen wie Franz Kafka, Bertolt Brecht oder Ernst Bloch auf Johann Peter Hebel bezogen haben.
Sein „Seltsamer Spazierritt“ z.B. fand sich über Jahrzehnte hinweg in Lesebüchern für den Deutschunterricht:
Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus und läßt seinen Buben zu Fuß nebenher laufen. Kommt ein Wanderer und sagt: „Das ist nicht recht, Vater, dass Ihr reitet und lasst Euern Sohn laufen; Ihr habt stärkere Glieder.“ Da stieg der Vater vom Esel herab und ließ den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wandersmann und sagt: „Das ist nicht recht, Bursche, dass du reitest und lässest Deinen Vater zu Fuß gehen. Du hast jüngere Beine.“ Da saßen beide auf und ritten eine Strecke. Kommt ein dritter Wandersmann und sagt: „Was ist das für ein Unverstand, zwei Kerle auf einem schwachen Tiere? Sollte man nicht einen Stock nehmen und Euch beide hinabjagen?“ Da stiegen beide ab und gingen selbdritt zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn und in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter Wandersmann und sagt: „Ihr seid drei kuriose Gesellen. Ist’s nicht genug, wenn zwei zu Fuß gehen? Geht’s nicht leichter, wenn einer von Euch reitet?“ Da band der Vater dem Esel die vordern Beine zusammen, und der Sohn band ihm die hintern Beine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim.
So weit kann’s kommen, wenn man es allen Leuten will recht machen.
J. P. Hebel, Werke1, Frankfurt 1968, S.224.
Erstmals aufgefallen war Hebel durch seine Alemannischen Gedichte. Mit ihnen hatte er etwas vollkommen Neues gewagt: Er verlieh dem Dialekt, der Sprache der einfachen Leute eine literarische Qualität. Die 32 Gedichte wurden vom damaligen Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe anerkennend besprochen und darauf hin auch gut verkauft. Eine Beispiel-Strophe aus dem Gedicht :„Der Wegweiser“
Und wenn de amme Chrützweg stohsch, Und wenn du an einem Kreuzweg stehst
und nümme weisch, wo’s ane goht, und nimmer weißt, wohin dein Pfad,
halt still, und frog di Gwisse zwerst, halt still, frag dein Gewissen erst,
‚s cha dütsch, gottlob und folg sim Rot. ‚s kann Deutsch, gottlob, folg seinem Rat!
J. P. Hebel, Alemannische Gedichte, Stuttgart 1969, S. 190)
Unerfüllter Lebenstraum Hebels blieb es Landpfarrer zu werden. Stattdessen erwartete ihn eine Karriere im Schuldienst. Er unterrichtete hauptsächlich Latein, Hebräisch und Griechisch, aber auch Mathematik und Naturkunde. Dabei bemühte er sich um eine kindgerechte Pädagogik und eine starke Orientierung an den Fähigkeiten und Interessen seiner Schüler. Im Nachlass findet sich die Geschichte: „Farbenspiel“
In einer Schule saßen zwei Schüler, von denen hieß der eine Schwarz, der andere Weiß, wie es sich treffen kann; der Schullehrer aber für sich hatte den Namen Rot.
Geht eines Tages der Schüler Schwarz zu einem andern Kameraden und sagt zu ihm: „Du, Jakob“, sagt er, „der Weiß hat dich bei dem Schulherrn verleumdet.“ Geht der Schüler zu dem Schulherrn und sagt: „Ich höre, der Weiß habe mich bei Euch schwarz gemacht, und ich verlange eine Untersuchung. Ihr seid mir ohnehin nicht grün, Herr Rot!“
Darob lächelte der Schulherr und sagte: „Sei ruhig, mein Sohn! Es hat dich niemand verklagt, der Schwarz hat dir nur etwas weiß gemacht.“
J.P.Hebel, Werke 1, Frankfurt 1968, S. 118.
Später stieg er bis zum badischen Prälaten auf. Als sich 1821 die lutherische und die reformierte Landeskirche Badens zur heutigen Evangelischen Landeskirche in Baden vereinigten, war Hebel daran maßgeblich beteiligt. Aber auch in diesen Funktionen brachte er Menschen, die ihm anvertraut waren in Predigten und Briefen die Freundlichkeit Gottes nahe:
„Gott grüßt manchen, der ihm nicht dankt.“ Zum Beispiel, wenn dich früh die Sonne zu einem neuen, kräftigen Leben weckt, so bietet er dir: Guten Morgen. Wenn sich abends dein Auge zum erquicklichen Schlummer schließet: Gute Nacht. Wenn du mit gesundem Appetit dich zur Mahlzeit setzest, sagt er: Wohl bekomms. Wenn du eine Gefahr noch zur rechten Zeit entdeckst, so sagt er: Nimm dich in acht, junges Kind, oder altes Kind, und kehre lieber wieder um! Wenn du am schönen Maitag im Blütenduft und Lerchengesang spazieren gehst, und es ist dir wohl, sagt er: Sei willkommen in meinem Schloßgarten. Oder du denkst an nichts, uns es wird dir auf einmal wunderlich im Herzen und naß in den Augen, und denkst, ich will doch anders werden, als ich bin, so sagt er: Merkst du, wer bei dir ist? Oder du gehst an einem offnen Grab vorbei und es schaudert dich, so denkt er just nicht daran, daß du lutherisch oder reformiert bist, und sagt: Gelobt sei Jesus Christ!
Also grüßt Gott manchen, der ihm nicht antwortet und nicht dankt.“
(J. P. Hebel, Werke 1, Frankfurt 1968, S. 402).
Autor: Pfarrer Thomas Müller
Zum 190. Todestag hielt Prälat i. R. Traugott Schächtele eine beeindruckende Rede zu dem alemannischen Dichter.
„Die Welt – so scheint’s – gerät aus den Fugen. Sie gerät in Gefahr, ihre tragende Balance zu verlieren – jene Balance, der wir Jahrzehnte des Friedens, des sozialen Ausgleichs und des erträglichen Miteinanders verdanken. Gegenüber unserem Gedenken an derselben Stelle vor zwei Jahren haben sich die lokalen und die globalen Rahmenbedingungen grundlegend verändert. „Die Zukunft ist wieder offen!“ – so hat es ein Publizist vor einigen Wochen in der Zeit beschrieben.
Gleichwohl gibt es Konstanten in aller Dynamik des Wandels. Eine durchaus aussagekräftige Konstante besteht darin, dass wir auch heute wieder an dieser Stelle – vor dem Grab Johann Peter Hebels – stehen. Wir sind – gottsei-dank! – weitdavon entfernt, „dass ein Gespräch über“ Johann Peter Hebel „schon ein Verbrechen ist“ – um einen Satz des Dichters Bertolt Brecht zu variieren. Im Gegenteil. Die Tatsache, dass wir uns heute auch 190 Jahre nach dem Todes Hebels hier versammeln, sendet ein anderes Signal. Menschen, deren Gedenken auch nach so langer Zeit in so vitaler Weise begangen wird, haben sich wohl bleibend verdient gemacht. Wir hatten und haben Menschen wie Johann Peter Hebel nötig. Und heute eher noch mehr als zu Hebels Lebzeiten. Weil die Konfliktklagen komplexer geworden sind.“
Wenn es um ethische Dimensionen und Schwetzingen geht, ist auch das Genie Albert Schweitzer zu nennen, der sich nach Recherchen der Deutsch-Polnischen Nachrichten mehrmals in Schwetzingen aufgehalten hat. Aus der Schwetzinger Partnerstadt Lunéville kommt Marie Viroux, die auch Verbindungen zu Schweitzer hat.
„Das Vaterhaus Schweitzers in Kaysersberg, das rund 120 Kilometer von Lunéville entfernt liegt, ist ein Museum, ich habe es mehrmals besucht mit meiner Freundin aus Neuss, deren Vater ein Jude aus Mulhouse mit Schweitzer befreundet war und Geld gespendet hatte um ihm für sein Unternehmen in Lambaréné zu helfen. Meine Freundin Yvette Winter geborene Cywie hat ihren Vater jedesmal nach Kaysersberg begleitet und so hat sie ihn natürlich auch kennengelernt. Schweitzer kam ab und zu in sein Heimatstädtchen zurück um Sponsoren zu suchen… Yvette war damals noch ein sehr junges Mädchen. Ich denke, dass es so um 1954 bis 1960 geschehen war.“
