
Berlin. Das Chaos herrscht auf der Insel, zumindest in Großbritannien. Die Gazetten sind sich einig: So haben wir uns das nicht mit dem Brexit vorgestellt.
Die Beschäftigung mit dem Engländerlager in Ruheleben hat dazu geführt, dass unsere Redaktion von jungen Deutschen, die in UK leben, kontaktiert wurde.
So nehmen wir uns nun diesem besonderen Thema an. Eine der Deutsch-Engländerinnen kommt aus Potsdam. Sie zeigt angesichts ihrer Situation bestimmt nicht Gesicht. Wir nennen sie einfach mal Ruth. Die junge Mutter bestätigt unseren Eindruck, es weht ein Geist der Unzufriedenheit bei den Erben des Weltreiches, aus dessen Wurzeln die Vereinigten Staaten hervorging.
„18 Monate sind vergangen, seit die Briten den Exit aus der EU wählten. Seitdem gleicht die britische Politik einer Irrfahrt auf dem Ärmelkanal zwischen Europa und England. Sicherer Hafen? Nicht in Sicht. Das beunruhigt inzwischen auch die eigenen Bürger. Seit diesem Herbst wächst eine noch zaghafte Mehrheit, die den Austritt ihres Landes aus der EU für einen Fehler hält. Schließlich wird 2018 das Jahr der Entscheidung: Wenn der Vertrag über die künftige Beziehung zwischen der EU und Großbritannien gelingen soll, dann muss er im nächsten Jahr zustande kommen. Das wird schwierig. Die Minister in Theresa Mays Kabinett haben bis heute nicht nur einander widersprechende Vorstellungen davon, wie dieser Vertrag aussehen soll. Oft stehen ihre Vorstellungen auch im Widerspruch zur Wirklichkeit“, schreibt die Zeit bildhaft.
Wirklich eine zaghafte Mehrheit?
Es gibt andere Rechnungen
16.2 Millionen wählten den Verbleib in der EU und 5 Millionen hatten keine Stimme. Diese 5 Millionen sind 3.5 Millionen EU-Bürger in der UK und 1.5 Millionen Briten in der EU – sie hatten kein Stimmrecht! Das sind gerechnet 21.2 Millionen Menschen die nicht aus der EU wollen!
Das interne Gerangel um die Macht ist dazu frappierend. Außenminister Boris Johnson liebt es Unruhe zu stiften, er fährt nach Moskau und lässt sich wirklich völlig erfahrungslos mit dem russischen Strategen Wladimir Putin ein. Und daheim fällt er der Premierministerin in den Rücken, mit dem Blick auf den Stuhl.
Dass die Enttäuschung immer mehr wächst ist verständlich. An vorderster Front stehen die EU-Bürger.
Fast 10 Prozent davon sind Steuerzahler. Doch eine Einbürgerung nach fünf Jahren ist schwierig, das Verfahren sehr teuer. Der Nachweis ist zu liefern, wo man sich die letzten 5 Jahre aufgehalten hat, mit Kopien Flugtickets zum Beispiel – es ist umfangreich. Die Kosten dafür in Höhe von £1200 schrecken viele ab. „Zur Einbürgerung gehört ein Geschichtstest, den viele Briten nicht einmal bestehen würden“, sagt die aus Brandenburg stammende Brexit-Gegnerin. Der Ärger ist groß, die Commonwealth Bürger, die Großbritannien sind wie die Iren bei allen Wahlen mit dabei.
„Es kann doch nicht sein, dass ich als Deutsche, die 20 Jahre lebt, mit einem Briten verheiratet bin und ein Kind habe, kein Stimmrecht habe, aber ein Australier, der nur wenige Monate hier lebt“, sagt die Demonstrantin. Und dazu kommt die Angst, die Angst nicht auf der Insel bleiben zu dürfen.
Das Aufenthaltsrecht stelle die Regierung nicht in Frage Jedoch stelle sie sich dagegen, den 3.5 Millionen EU-Bürgern volle Rechte anzuerkennen, ihr Existieren zu quitieren. Gleichzeitig entbürgere die Britische Regierung ihre 1.5 Millionen Bürger in der EU.
„Das Vereinigte Königreich ist komplett gebrochen, es liegt am Boden mit ungefähr 30 Brexiteers von 630 Members of Parliament, die das ganze Land in Geiselhaft genommen haben. Die Rhetorik ist entsprechend arrogant, dumm, großmäulig, das Land durchlebt jetzt das Grauen der 1930er Jahre.“
Und es bleiben Fragen…
Wie legal ist denn der Brexit wirklich? Kann er tatsächlich geltend gemacht werden, kann eine einfache Volksabstimmung die Millionen direkt vom Wählen auschloss, wirklich die konstitutionelle Struktur der UK, in der 65 Millionen Briten implementiert werden?
Und … Davon sind auch eine Million Polen in Großbritannien betroffen
Das kommende Jahr bringt nun die Entscheidung… ein europäisches Feuerwerk im Einklang mit der Rule Britannia oder doch den Sieg des Nationalismus mit wehenden Fahnen.
Beitrag: Frank Bürger