
Berlin. Die Museumslandschaft in der Festspielstadt Schwetzingen ist in Bewegung. Hier ein Gastbeitrag von Dr. Dietmar Schuth, Betreiber des Blaumuseums.
Von Frank Bürger
In Schwetzingen, der alten Residenzstadt zwischen Mannheim und Heidelberg, steht nicht nur ein weltberühmtes Schloss, sondern auch ein höchst originelles Museum, das einzige seiner Art, weltweit. Die Farbe Blau ist das Thema, begründet von einem ebenso originellen Menschen, Dr. Dietmar Schuth. Dieser hatte 1995 als Kunsthistoriker in Heidelberg über Blau promoviert und ist wahrscheinlich der beste Kenner dieser Farbe, vermutlich auch weltweit.
Dies verrät sein Lexikon der Farbe Blau, wo er auf über 500 Seiten die faszinierenden Fassetten dieser Farbe beleuchtet.
Doch neben dem zunächst rein wissenschaftlichen Interesse an Blau begann er mit den Jahren auch zu sammeln, blaue Gegenstände, Bilder und Kunstwerke aller Art, die sein Heim in Heidelberg zu sprengen drohten, so dass er ein Museum einrichten musste. Er gründete zu diesem Zweck einen gemeinnützigen Verein, und Kulturamt, Bürgermeister und Gemeinderat der Stadt fanden die Idee prima. So überließ man dem Verein 2014, ein verwahrlostes Biedermeierhäuschen im Herzen der Stadt. Es folgten drei Jahre der Sanierung, wobei viele polnische Facharbeiter halfen, und die Einrichtung des Museums mit Platz für über 1500 Exponate schufen.
Im Erdgeschoss wird in vier Räumen die Kulturgeschichte der Farbe Blau erzählt, anhand der vier wichtigsten Pigmente. So behandelt der erste Raum den blauen Purpur, der die einzige Vokabel für Blau in der Bibel darstellt. Das Drüsensekret der Purpurschnecke war einst der wertvollste Farbstoff und ermöglicht – je nach Verarbeitung – nicht nur rötliche Textilfarbstoffe, sondern auch blaue, was heute nahezu völlig vergessen ist. Roter und blauer Purpur nobilitierte die höchsten weltlichen wie religiösen Würdenträger bis hin zur Gottesmutter Maria. Ihr stets blauer Mantel ist nicht blau, weil sie als eine Königin im Himmel wohnt, sondern weil sie den blauen Purpur als Zeichen ihres gottgleichen Ranges trägt.
Im nächsten Raum wird die Geschichte des Farbstoffes Indigo erzählt, der seit Jahrtausenden bekannt ist und die einzige haltbare, wasch- und lichtechte blaue Textilfarbe der Menschheit darstellt. In Europa wurde er aus dem Färberwaid gewonnen, der vor allem in Südfrankreich und in Thüringen angebaut wurde. Färber verwandelten den Pflanzensud mithilfe von Harnstoff und Alaun in eine Farbe, die aber erst in Verbindung mit Licht und Sauerstoff das gewünschte Blau ergab, was als ein blaues Wunder verstanden wurde.
Durch den Anbau des Indigos im großen Stil auf Plantagen wurde der Indigo zunehmend preiswerter und blieb nicht mehr nur den reichen Menschen vorbehalten. Diese Entwicklung steigerte sich durch die Erfindung des synthetischen, so doch naturidentischen Indigos, so dass sich alle Menschen in ein kleidsames Blau hüllen konnten, wie heute noch die Blue Jeans zeigen.
In dritten Raum wird von Kobalt erzählt, das ebenfalls seit Jahrtausenden bekannt ist und als mineralisches Pigment schon die Keramik im alten Mesopotamien blau einfärbte. Gleiches gilt für blaues Glas, das schon die alten Ägypter und Römer kannten. In Europa gerieten
beide Technologien im Mittelalter in Vergessenheit. Nur die Venezianer vermochten blaues Glas herzustellen und handelte es als Luxusobjekte in der ganzen Welt. Blaue Keramik kam seit der frühen Neuzeit vor allem aus China, wo blauweißes Porzellan ebenfalls sehr teuer exportiert wurde, ehe es auch den Europäern im 18. Jahrhundert gelang, blaue Keramik mit Kobalt herzustellen.
Im vierten Raum schließlich wird von dem Ultramarin erzählt, das ebenfalls schon in der Antike bekannt ist und aus dem Halbedelstein Lapislazuli gewonnen wurde. Es war das wichtigste blaue Pigment für die Kunst, namentlich die Malerei. Da der Lapislazuli bis heute nur im Hindukusch-Gebirge in Afghanistan vorkommt, war es so teuer wie Gold. Erst durch die Erfindung des synthetischen Ultramarins wurde es allgemein verfügbar und inspirierte viele Künstler wie den Franzosen Yves Klein.
Hundert andere Geschichten werden im Schwetzinger Museum erzählt, das sich als lebendiges 3D-Lexikon begreift und alle Exponate auch didaktisch vermittelt. Wer alles lesen will, kann sich mehrere Stunden im Museum aufhalten. Man kann aber einfach nur schauen, staunen und sich an der sehr kreativ gestalteten Präsentation erfreuen. Das gilt vor allem für die obere Etage, wo Blau als blaues Naturwunder gezeigt und erklärt wird. Hier haben vor allem die Kinder ihren Spaß an blauen Blumen zum Beispiel, blauen Schmetterlingen und blauen Kuscheltieren, einer Wolkenschaukel im blauen Himmel oder einer blauen Geisterstube.
Ort: Hebelstraße 2, 68203 Schwetzingen
Öffnungszeiten:
Von März bis November
Sa + an Feiertagen 14-18 Uhr
So 10-18 Uhr und nach Vereinbarung
Eintritt 5 € / erm. 3 €
Gruppenführungen auf Anfrage museumblau@t-online.de
http://www.museum blau.de


Der Weg von Potsdam nach Schwetzingen ist kein weiter

