Einhörner im Museum Barberini

Gemälde aus dem Bestand der Schlösser, Gärten und Kunstsammlung Mecklenburg Vorpommern (SSGK-MV) in Schwerin., Inv.-Nr.: G 193
Maerten de Vos (1532 – 1603), Titel: Einhorn, 1572

Berlin. Das Potsdamer Museum Barberini präsentiert wieder eine besondere Exposition: „Einhorn. Das Fabeltier in der Kunst“. Mit beteiligt sind auch Armin Schubert und die Bücherkinder Brandenburg.

Von Frank Bürger

Wie kein anderes Tier hat das Einhorn die Phantasie angeregt. Seit Jahrhunderten ist es in vielen Kulturen belegt. Seine Faszination hält bis heute an. Das mythische Tier ist ein vielschichtiges Zeichen, von dem eine assoziative Energie ausgeht. Die Spur des Einhorns zeigt sich in der christlichen und außereuropäischen Kunst, in Naturwissenschaft und Medizin und einer vielfältigen Symbolik. Die Beschäftigung mit der Ikonographie des Einhorns lädt ein zu Reflexionen über Phantasie, Weltwissen, Ambivalenzen und Projektionen. 

Die Ausstellung ( 25. Oktober 2025 bis 1. Februar 2026) versammelt fast 150 Werke aus einem Zeitraum von etwa 4000 Jahren, darunter Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphiken, illuminierte Manuskripte, Plastiken und Tapisserien. Viele dieser Werke werden nur selten ausgeliehen. Zu den 88 Leihgebern aus 16 Ländern gehören die Albertina, Wien, das Ashmolean Museum, University of Oxford, die Gallerie degli Uffizi, Florenz, das Germanische Nationalmuseum, Nürnberg, das Grüne Gewölbe der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das Historische Museum Basel, die Koninklijke Bibliotheek, Den Haag, das Musée du Louvre, Paris, das MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien, das Metropolitan Museum of Art, New York, das Musées royaux d’Art et d’Histoire, Brüssel, das Museo Nacional del Prado, Madrid, das Rijksmuseum, Amsterdam, das Szépművészeti Múzeum, Budapest, und das Victoria and Albert Museum, London.  

Die Bandbreite der Exponate bildet eine Zeitspanne vom zweiten Jahrtausend vor Christus bis in die Gegenwart ab und umfasst neben Gemälden und Grafiken auch Skulpturen, Manuskripte, Tapisserien und Kunstkammerobjekte. Gezeigt werden dabei Werke von Künstlerinnen und Künstlern wie Arnold Böcklin, Albrecht Dürer, Angela Hampel, Gustave Moreau, Joachim Sandrart oder Marie Cecile Thijs.

Eine Ausstellung des Museums Barberini, Potsdam, mit dem Musée de Cluny – musée national du Moyen Âge und dem GrandPalaisRmn, Paris.
Im Musée de Cluny wird Einhorn. Das Fabeltier in der Kunst vom 13. März bis 12. Juli 2026 zu sehen sein.

Quelle: Museum Barberini

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Bücherkinder Brandenburg

Auch die Bücherkinder Brandenburg sind mit an der Ausstellung projektorientiert beteiligt. Dazu entstanden ist wieder ein Buch mit dem Titel „Vom Mehrwert des Einhorns“

Angela Hampel: Das Einhorn

In vielen unserer Vorgängerbücher sprachen und schrieben wir über eine deutliche Unruhe. Wir berichteten vor einigen Gremien darüber, hielten Vorträge und die Bücherkinder lasen aus ihren Werken. Wir haben kulturpolitisch argumentiert und soziologische Fragen erörtert. Bei einer Tagung zu Wilhelm Fraenger (*1890 in Erlangen; † 1964 in Potsdam) in Heidelberg bekamen wir die Information, dass das Museum Barberini in Potsdam eine Ausstellung zum Einhorn in der Kunst zeigen werde. Vielleicht wäre das ein interessantes Thema für uns? Beim Mentor der Bücherkinder war der erste Impuls eher gering, bedingt durch die marktwirtschaftlichen Auswüchse, die mit der Einhornfigur weltweit zu beobachten sind. Bei näherer Betrachtung dieses mythologischen Wesens, so mit Hilfe des Physiologus, einer griechischen Schrift aus dem 2. bis 4. Jahrhundert, und mit Kenntnis des Märchens vom Tapferen Schneiderlein, begann mein Interesse zu wachsen. Mehr und mehr stellte sich heraus, welchen Mehrwert dieses Thema für uns haben könnte. So entstand diesmal beinahe zuerst der Titel. Vom Mehrwert des Einhorns, der sich bei genauer Betrachtung zu vielen wunderbaren Denk- und Schreibaufgaben entwickeln ließ. Was also wird in diesem Buch von den Bücherkindern Brandenburg verhandelt? Unsere Arbeit begann mit dem viel zu wenig bekannten Einhornteppich, der vermutlich um das Jahr 1450 in Lüneburg entstand und der auf wundersame Weise in die St. Gotthardtkirche der Altstadt von Brandenburg gelangte. Ein Filmteam von ARTE, das dieses Buchprojekt der Bücherkinder begleitete, begann hier schon 2024 seine Dreharbeit. Die Kinder befassten sich durch diesen Brandenburger Teppich mit den Burgundern und deren Web- und Textilkunst. Uns begegnete dann der Dichter Rainer Maria Rilke mit seinem Text Die Dame mit dem Einhorn zu den sechs Teppichen mit der Darstellung der fünf Sinne, die heute im Pariser Musée de Cluny zu sehen sind. Der Teppich zum Sehsinn hat uns zum Schreiben angeregt. Rilkes Behauptung, dass das Einhorn ein Tier ist, das es nicht gibt, erregte lebhaften Widerspruch bei den Bücherkindern. In unserer angestrengten Beschäftigung mit dem Rilke-Thema kamen uns immer weitere Ideen. So lasen die Bücherkinder Gedichte von Mascha Kaléko, Ernst Jandl, Ringelnatz, Morgenstern und Robert Gernhardt, lasen auch das POEDU-Buch vom ELIF Verlag und Schillers Handschuh, um Impulse zu Parallelgedichten und -texten zu bekommen. Und so lernten wir den Illustrator Pètrus Akkordéon kennen und er auch uns. Er schickte den Kindern viele Zeichnungen zum Einhorn und sogar solche auf Bestellung, wie die Brandenburger Stadtmusikanten, das Pegasus-Einhorn und Löwe und Einhorn mit unserer Fahne, deren Abbildungen z.T. im Buch zu sehen sind. Deshalb finden sich in unserem Buch Texte zu unseren Stadtmusikanten und, interessant, durch das Pegasus-Einhorn viele ökologische Ideen mit der Konferenz der Einhörner, die durch Presseberichte zum Zustand der Weltmeere und durch Erich Kästners Tierkonferenz-Buch angeregt wurden. Seit Jahren ist die Dresdener Malerin und Grafikerin Angela Hampel mit uns befreundet. Von ihr bekamen wir die durch Klaus Raasch in Hamburg gedruckte Grafik Jungfrau mit dem Einhorn, die als Original in das Buch eingebunden wurde. Aus Paris erhielten wir einen Flyer aus dem Musée de Cluny mit der Abbildung zum Gobelin mit dem Einhorn vor einem Spiegel. Mit dem ARTE-Filmteam, das uns bei der Arbeit zum Buch 2025 begleitete, hörten wir zu Beginn das Lied Paff, der Zauberdrachen von Marlene Dietrich. Auch das ergab wunderbare Schreibimpulse. Das Museum Barberini hat seit vielen Jahren wechselnde Gruppen von Bücherkindern aus Brandenburg/H. zum Schreiben angeregt. Wenn wir im Oktober 2025 die internationale Einhornausstellung in diesem Museum sehen können, werden wir mit Sicherheit viele weitere Impulse mit Mehrwert erhalten. Mein Dank gilt allen Bücherkindern, den Künstlern und wir alle danken auch diesem Haus.

Ausgangspunkt: Der Teppich

Mira, 14 Jahre

Seit Jahrhunderten hänge ich, der Teppich mit Figuren aus Burgund, schon in der Marienkirche auf dem Harlungerberge zu Brandenburg, den die Menschen heute Marienberg nennen. Früher war hier viel los. Menschen kamen von weit her zu Wallfahrten und man hatte ein lebendiges Leben hier oben. Das Kirchenschiff war gefüllt mit dem Duft brennender Kerzen und Weihrauch. Die Mönche, die hier früher lebten, kamen jeden Tag dreimal in die Kirche. Es war für mich ein tolles Geräusch, wenn sie sich mit ihrem braunen Habit, diesen langen Umhängen, beim Laufen bewegten. Doch irgendwann habe ich das Geräusch nicht mehr gehört. Die Mönche waren weg. Pilger zog es in andere Gegenden Brandenburgs. Die Mönche waren nun in der Altstadt und hatten ihre Bibliothek und alles andere mit in die Gotthardtkirche genommen. Die Kirche hier oben auf dem Berg verfiel, das Holz der alten Bänke wurde nass und verschimmelte. Es roch moderig. Ich hänge unbeachtet an der Wand. Mein Zustand wurde in den Jahren nicht besser. Die einst teuren Fäden, die wohl Frauen aus Lüneburg in einer besonderen Klosterknüpftechnik verarbeitet hatten, wurden schmutzig. Meine Farben verloren durch den Staub ihren Glanz. Die Stille wurde eines Tages von Stimmengewirr und Schritten unterbrochen. Das klang wieder einmal nach mehreren dunklen Personen, die um das Mauerwerk herum liefen. Ob die wohl zu mir wollen? „Durchsucht alles. Wir müssen sehen, ob es noch wertvolle Dinge in der Ruine hier oben gibt“, hörte ich die Stimme eines Mannes sagen. Als die große Doppelflügeltür geöffnet wird, fällt sogar Licht in den Raum. Drei Männer treten in die Haupthalle und wirbeln mit ihren Schritten den Staub der Jahre auf. Sie flüstern sich etwas zu, während sie sich der Halle nähern. Wozu flüstern die, denn hier ist sonst niemand. Nur ich, der Einhornteppich. Vermutlich haben die doch dunkle Absichten. „Da, schaut mal. Der Teppich sieht wertvoll aus. Sucht, ob es noch mehr gibt“, ruft ein anderer Mann, der durch die offene Pforte tritt. Einer von denen hat sogar die feine Kleidung von Mönchen an, die ich von früher doch kenne? Früher hatten solche in meiner Nähe die Messe abgehalten und schön gesungen. Ob die mich heute endlich mitnehmen und in eine andere Kirche bringen? Es schüttelte mich vor Freude und der Staub gab meine Schönheit wieder etwas frei. Ich wurde entdeckt und mit in die Altstadt von Brandenburg genommen. Man legte mich über eine lange Kirchenbank, damit die Menschen im Sitzen beim Gottesdienst an der kalten und immer etwas feuchten Wand nicht so sehr frieren mussten. Aber soll das das Ende meines Lebens sein? Ich bin gespannt, was noch aus mir werden wird.

Benjamin, 10 Jahre

Es ist das Jahr 1470, wir sind im schönen und reichen Burgund. Es mag sein, dass Menschen von heute nichts von dem verstehen, was uns der Teppich aus der Brandenburger Kirche erzählt. Darum werden wir lauschen und berichten, was es zu entdecken gibt. Eine Jagdgesellschaft kommt gerade von der Jagd zurück und wir hören: „Fast hätten wir das Einhorn erwischt“, schimpft der eine Jäger. Der andere ruft verzweifelt: „Jetzt rennt das seltene Tier auch noch auf den Marktplatz in die Nähe des Brunnens! Wenn es da die kostbaren Stoffe der Händler zersticht und zertrampelt, kriegen wir Jäger den Ärger.“ „Ich glaube, so weit ist es nicht gekommen“, sagte einer und grinste. Da sahen es auch die anderen. Das Einhorn lag wie ein Lamm auf dem Kleid einer schönen jungen Frau und dachte gar nicht daran, etwa das blaue Gewand der Frau zu beschmutzen. „Ist das nicht Maria, Maria von Burgund, die Jungfrau, die Maximilian von Habsburg heiraten wird?“, fragte einer der Jäger. Auf der linken Teppichseite, links vom Brunnen, stehen die Adelsleute. Einer von ihnen ist Maximilian. Mit seinen Höflingen quatschen die gerade, nein, sie reden über kostbare Stoffe aus Brokat, die hier gewebt werden und die sie zur Hochzeit tragen werden, und sie reden auch über das Festessen zur bevorstehenden Hochzeit mit Maria. „Mein Fürst“, sagte der mit dem Adler auf dem Arm, „wir haben zu eurem großen Fest ausgeschickt, um in Spanien seltene Früchte zu kaufen und wir haben die Jäger in die Wälder geschickt, um Wild zum Festmahl zu erjagen. Wir brauchen da viele gute Braten für all die Gäste von nah und fern.“ Maximilian sagte: „Ich habe zu meinen Jägern gesagt, sie mögen unbedingt das scheue Einhorn jagen, damit ich aus dem Einhornpulver Profit machen kann. Für ein kleines Gläschen Einhornpulver bekomme ich mindestens zwanzig Gulden. Ich denke, die Jäger werden bald zurückkommen.“ Während sie so redeten, sahen sie Maria am Brunnen sitzen. Sie hatte das Einhorn fest in der Hand. „Haha“, lachte Maximilian, „meine zukünftige Frau ist besser im Jagen als all die Jäger am Hofe.“ Die Fürstengruppe sieht rechts vom Brunnen, dass die Jäger noch nichts erlegt haben. Die Jäger haben nur ihren Falken in der Hand, beenden gerade mit einem Hornsignal die heutige Jagd und schauen betroffen. Maximilian meinte zu seinem Gefolge, dann nehme ich morgen Maria mit zur Jagd. Am Folgetag geschah dies: Maria, die eine leidenschaftliche Reiterin und Jägerin war, ritt mit in den Wald und machte reichliche Beute. Was keiner ahnte, sie hatte ja ihre geheime Jagdhilfe, das Einhorn, an ihrer Seite. Dieses Einhorn war schneller als jeder noch so schnelle Hirsch und besiegte jedes der Tiere mit dem Stich seines Wunderhorns. Am Fürstenhof staunte Maximilian und war wohl sehr stolz. „Diese Menge an Wild reicht nun für drei Feste“, sagte er. Es freute ihn, wie sehr Maria an all dem ihre Freude hatte, so wurde es uns erzählt. Damit war aber diese Legende noch nicht abgeschlossen. Eines Tages ritt Maria wieder aus und da geschah, was später zu lesen war. Maria trug wie all die reichen Frauen der Zeit einen Hennin, einen spitzen Hut mit langem Schleier. Frauen auf unserem Teppich tragen den auch. Der modische und lange Schleier verhedderte sich in einem der Hufe ihres Pferdes und riss Maria von Burgund mit sich. Einige der Jäger riefen, ob alles gut sei? Doch Maria antwortete nicht mehr. Sie war tot. Die Jäger legten sie auf den Waldboden und trauerten um sie. Da kam das Einhorn herbei und hielt den Jägern sein Horn entgegen. „Dieses kluge Tier möchte, dass wir etwas von seinem Horn abschaben, um es Maria auf die Zunge zu legen“, meinte einer der Jäger. So geschah es und Maria stand wieder auf und konnte noch viel Gutes bewirken.

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