Von Gartz nach Potsdam

Berlin. Michael Gabriel Fredersdorff ist eine schillernde Figur im Umfeld Friedrichs des Großen. Er ist einer der berühmtesten Söhne der Oderstadt Gartz

Von Frank Bürger

Der junge Gartzer Bürgermeister Luca Piwodda ist begeistert, wenn er von Michael Gabriel Fredersdorff spricht. „Hierbei handelt es sich natürlich um Michael Gabriel Fredersdorff, der 1708 in unserer Heimstadt geboren wurde und 1758 in Potsdam starb. Er häufte sehr viel Macht an und war einer der engsten Freunde und Berater vom Preußenkönig Friedrich II. Inzwischen gibt es mehrere Publikationen über ihn, sogar ein Buch über den Briefwechsel zwischen dem König & dem Jartzer 

Leider geriet unser Fredersdorff aber größtenteils in Vergessenheit – das ändern wir nun.“ schreibt der Bürgermeister auf Facebook

Fredersdorf war ein Gewächs der Uckermark und stammte aus der Kleinstadt Gartz an der Oder…

In kleinen Verhältnissen, als Sohn des dortigen Stadtmusikus, kam Fredersdorf irgendwann im Sommer 1708 zur Welt. Als junger Soldat wurde er im preußischen Infanterieregiment in Frankfurt an der Oder als Militärmusiker ausgebildet und verkürzte dem damals in der Festung Küstrin einsitzenden Kronprinzen Friedrich durch sein Flötenspiel die Zeit der Gefangenschaft. Auch gehen Gerüchte, Fredersdorf habe in dieser Zeit einen heimlichen Briefverkehr zwischen Friedrich und dessen Lieblingsschwester Wilhelmine vermittelt. Kurz und gut, Kronprinz Friedrich fand großes Gefallen an dem anstelligen, höflichen, intelligenten und stets zuverlässigen, noch dazu stark musikalischen Mann.

Als für Friedrich die Zeit seiner Gefangenschaft in Küstrin endete und er als Regimentskommandeur und junger Ehemann nach Rheinsberg übersiedeln durfte, nahm er seinen Fredersdorf mit sich, um ihn als Lakai (Hausbediensteten), später sogar als seinen Kammerdiener zu verwenden. 

Die Deutsch-Polnischen Nachrichten warfen auch einen Blick auf die Zeit Friedrichs in Küstrin.

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Hans Hermann von Katte. Gedenktafel in Küstrin Foto: Frank Bürger

Das Schicksal des in Berlin geborenen Hans Hermann Katte ist eng an das Wirken und Handeln des „Alten Fritz“ gebunden. Mit dem Reiseführer Klaus Ahrendt kommen wir in dem polnischen Küstrin ins Gespräch.

„Anno 1730“ hatten sich der preußische König und sein ältester Sohn Friedrich so entzweit, dass der Kronprinz ins Ausland fliehen wollte. Sein Plan misslang. Vor einem Kriegsgericht in Schloss Köpenick ging es für Friedrich und seinen „Komplotteur“ Hans Hermann von Katte um Krone und Kragen.  Hans Hermann von Kattes Lebensweg begann am 28. Februar 1704 im Berliner Gouverneurspalais und endete am 6. November 1730 auf dem Küstriner Festungswall. Beide Daten wurden auch im Kirchenbuch der Wuster Pfarrei verzeichnet. 1717 kam der Junge zur Ausbildung unter pietistischen Vorzeichen nach Halle in das Franckesche Pädagogium. Bis 1716 war dort auch der Graf von Zinzendorf Zögling gewesen, der als basisreligiöser Außenseiter 1727 die Herrnhuter Brüdergemeinde gründete. Im Jahr darauf gab er an Katte ein bedenkenswertes Stammbuchblatt aus. Hans Hermann seinerseits scheint sich in Glaubensfragen für die Amtskirchen-Kritik eines William Sherlock interessiert zu haben. Jedenfalls ist er in Halle kein dienstbereiter preußischer Pietist geworden. Sein weiterer Weg führte ihn ab 1721 zu Jura-Studien an die Universitäten Königsberg und Utrecht, wobei er auch Musik und Malerei betrieb. Solche Talente spiegelte ein Stammbuch, in dem er sich am 13. Januar 1724 verewigte.

Im Juni 1862 war es, als Theodor Fontane das Warthebruch – Jenseits der Oder – besuchte. Die stolze Festung Küstrin mit historischer Altstadt, das Dorf Tamsel und das Schlachtfeld bei Zorndorf sowie die Johanniter Ordenskirche in Sonnenburg waren seine Ziele.  Die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ berichten davon.

1730 war es, als Kronprinz Friedrich auf Befehl seines Vaters König Friedrich Wilhelm I. in der Festung Küstrin einsaß.  Das Schloss, in der Küstriner Altstadt, wurde zu seinem Gefängnis. Von seinem Fenster aus, sollte Friedrich der Hinrichtung seines Komplotteurs Hans Hermann von Katte zuschauen. „Der Schelm, [der] in Cüstrin sitzt, hat desertieren wollen wie ein Dieb und Schelm“, lautete der Ausspruch des Königs, als besorgniserregende Berichte der preußischen Gesandten eintrafen.

Küstrin

Panorama von Küstrin: Von Herrn Norbert Streich 1960 auf Öl gebracht, nach einer Luftaufnahme von Anfang der 30er. © Tourist-Information Kostrzyn

In seiner Funktion als „Geheimer Kämmerer“ war Fredersdorf in erster Linie für die „königliche Schatulle“, also für die gewinnbringende Verwaltung des Privatvermögens des Königs zuständig. Als „Mädchen für alles“ sorgte Fredersdorf daneben für die persönlichen Bedürfnisse des Königs, mochte sich dieser nun in Berlin oder Potsdam, auf Reisen oder im Krieg befinden. Er kümmerte sich um die Tabaksdosen und Flöten des Königs, sorgte dafür, dass die Schlösser und Gärten wohlausgestattet und gepflegt waren, dass Keller und Speisekammern nie leer wurden, und setzte auch die Intentionen des Königs in Kunst- und Theatersachen um. So schrieb Fried-rich während des Zweiten Schlesischen Krieges aus dem böhmischen Trautenau an Fredersdorf die knappe Anweisung „… die Barbarin (die berühmte italienische Tänzerin Barbara Campanini) Kann bis zum 24. Geduldt haben, dann kann ihr Köpen (Geheimrat Köppen) das geldt tzahlen … wegen der oppera (Oper) So Gäbe ich zu Kleider vohr Sänger und Däntzer 5000 Taler, aber die Ersten acteurs (Schauspieler) Müssen guht gkleidet werden, die Casparini in Silber und Magnifique, die Salimbeni auch …“ Streng hielt Friedrich in seiner persönlichen Schatulle auf finanzielle Ordnung und wollte beispielsweise am 18. Oktober 1745 von Fredersdorf genau wissen, wie viel in der „Stallcasse“ wegen der Abwesenheit des Königs in Schlesien erspart worden sei und wie viel Fredersdorf aus demselben Gründe „Bey der Kellerey“ abknapsen konnte und wie hoch der Bestand an Geld in der königlichen Privatschatulle derzeit wäre. Fredersdorf war zudem auch in viele geheime politische Dinge eingeweiht und leitete in Friedrichs Auftrag sehr geschickt und sehr diskret die preußische Spionage.

Da Fredersdorf oft an fiebrigen Krankheiten litt, konnte sich Friedrich immer sehr erregen, wenn der etwas abergläubische Fredersdorf in seiner Not zur Hilfe durch irgendwelche Quack-salber griff. Es zeigt allerdings den Menschen Fried-rich von seiner schönsten Seite, als er Fredersdorf während eines heftigen Krankheitsanfalles mitleidig schrieb: „ich wollte Dihr So gern helffen, als ich das leben habe! und glaube gewisse, daß, wo es von Mihr dependirte (abhinge), Du gewisse gleich gesundt seindt solst.“ Diese enge Freundschaft beruhte auf Gegenseitigkeit und Theodor Fontane weiß zu berichten, dass Michael Gabriel Fredersdorf verfügte, als er sein Ende nahen sah, man möge ihm seine alte Soldatenpatronentasche aus den Küstriner Tagen auf den Sarg legen. Am 12. Januar 1758 verstarb Fredersdorf und wurde in der Zernickower Kirche beigesetzt.

Für Außenstehende gab sich König Friedrich oft kühl und zynisch, doch war der Mensch Friedrich auch zu tiefer Freundschaft fähig, wenn er sich von den menschlichen Qualitäten seines Gegen-über überzeugt hatte. Ein schönes Beispiel von Männerfreundschaft, der man keinesfalls homosexuelle Züge beimengen darf, verband Friedrich mit seinem geheimen Kämmerer und persönlichen Vertrauten Michael Gabriel Fredersdorf bis zu dessen frühen Tod.

Voltaire, der eine Zeitlang am preußischen Hof lebte und die Verhältnisse genau kannte, nannte ihn mit Recht „le grand Factotum du roi Fréderic“ (die bedeutende Hilfskraft von König Friedrich). 

Quelle: © Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-12 vom 10. November 2012

Eine tiefe Freundschaft entwickelte sich, die dazu führte, dass Friedrich nach seiner Thronbesteigung Fredersdorff 1740 das Gut Zernikow für seine treuen Dienste schenkte und ihn zu seinem geheimen Kämmerer und Tresorier ernannte. In Zernikow setzte Fredersdorff um, was er bei seinem königlichen Herren gelernt hatte: Es entstanden eine Ziegelei, das Gutshaus und Wirtschaftgebäude. Für die Zucht von Seidenraupen wurden eine Maulbeerbaumplantage und ein Seidenhaus angelegt. Viele Spuren von Fredersdorffs Wirken sind noch heute in Zernikow zu finden.

Am 17.08.1992 wurde der Verein Initiative Zernikow e.V. von Achim von Arnim, dem ältesten Sohn der seit vielen Generationen in Zernikow ansässigen Familie der Arnims, Rainer Schlaugk aus Burow und vielen weiteren Verbündeten gegründet.

Quelle: Initiative Zernikow

Für mehrere Jahre umwarb Fredersdorff Caroline Marie Elisabeth Daum (* 27. Juli 1730 in Potsdam; † 10. März 1810 in Berlin), die Tochter des reichen Gewehrfabrikanten und preußischen Bankiers Gottfried Adolph Daum. Der König ließ seinen Diener ungern heiraten, aber als Fredersdorff ihm erklärte, dass er dringend eine Pflegerin brauche, um seine schwache Gesundheit zu verbessern, gab Friederich nach und erlaubte die Ehe.[4] In einem Brief von November 1753 schrieb Friederich an Fredersdorf: „lasse Dihr lieber heüte wie Morgen Trauen, wann Das zu Deiner flege helfen kan“.[5] Laut dem Kirchenbuch der Potsdamer Garnisonkirche fand die Trauung am 30. Dezember 1753 statt.[6] Die als Pflegerin geheiratete Caroline lebte „als Jungfrau unter tausend Kümmernissen“. Trotzdem kam das zweckmäßig verheiratete Paar gut miteinander zurecht, sodass Caroline „unter […] seliger Freyheit, Uebereinstimmung und innerer Heiterkeit“ mit ihrem Mann bis zu seinem Tod zusammenlebte.[7]

 Achim von Arnim: Grosmutter v Labes, In: Heinz Härtl (Hrsg.): Anekdoten, die wir erlebten und hörten
. Wallstein-Verlag, Göttingen 2003, ISBN 3-89244-663-6, S. 28.

Die Deutsch-Polnischen Nachrichten beschäftigten sich intensiv mit Achim von Arnim und seiner Verbindung zur sogenannten „Heidelberger Romantik“

Der Autor mit Anastasia im Eichendorff-Museum bei Heidelberg

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Voltaire, eine prägende Gestalt in Potsdam und Schwetzingen, hier zu sehen in der Schwetzinger Orangerie. Foto: Frank Bürger

1753 überwirft sich Voltaire mit König Friedrich II. und verlässt Preußen. Carl Theodor lädt den Dichter daraufhin in seine Sommerresidenz ein. Hier erholt sich Voltaire und berichtet: „Ich bin augenblicklich im Lustschloß seiner Durchlaucht des Kurfürsten von der Pfalz. Es fehlt mir nur Gesundheit, um alle Vergnügungen zu genießen. Französische und italienische Komödie, große italienische Oper, Komische Oper, Balletts, große Essen, Konversation, Höflichkeit, Würde, Einfachheit, das ist der Mannheimer Hof.“

Während Voltaires Aufenthalt kommen Opern und Komödien auf die Bühne des Schlosstheaters, darunter auch seine eigenen Stücke. Beim zweiten Besuch 1758 lässt Carl Theodor Voltaires Tragödie „Mahomet ou le fanatisme“ aufführen. Voltaire arbeitet im Schloss an seinem Werk „Candide“ und liest dem Kurfürsten daraus vor. 1759 überstellt er seinen Sekretär Cosimo Collini in die Dienste des Kurfürsten.

Der  „alte Fritz“, der sich von Voltaire in Potsdam getrennt hatte, bezeichnete diesen später als einen „Affen“. Auch hämisch, oder eher neidig bezeichnete er den Kurfürsten als „Glücksschwein“, weil dieser nie Krieg führen musste. Diese Bezeichnung diente auch als Anregung für das viel diskutierte Denkmal auf dem Schwetzinger Schlossplatz. Bildhauer Peter Lenk atmet auch Weltluft. Mit seinem Relief „Friede sei mit Dir“ am taz-Gebäude gegenüber der Springer-Zentrale hält er so unter anderem der Boulevardpresse und dem gesamten Springer-Imperium den Spiegel vor.

Viele historische Aspekte gibt es in dem Buch „Christianisierung in Pommern“, das in der nächsten Zeit erscheinen wird.

St. Stephan in Gartz. Foto: Frank Bürger

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