35 Jahre Mauerfall in Berlin – Momentaufnahmen

© Frau, die sich auf zwei Fäuste stützt, Hendrik Nicolaas Werkman, 1944, Rijksmuseum

Berlin. Vor 35 Jahren fiel die Mauer. Gedenkfeierlichkeiten finden viele in Berlin statt, wir nehmen einige in den Fokus.

Von Frank Bürger

Mit den Baumaßnahmen zur Abriegelung West-Berlins wurde in der Nacht zum 13.8.1961 mit Zustimmung der Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts begonnen. Bis auf wenige kontrollierte Grenzübergänge wurde West-Berlin hermetisch abgeriegelt. Noch am 15.6.1961 betonte Walter Ulbricht (*1893, †1973, Erster Sekretär bzw. Generalsekretär der SED von 1950 bis 1971, Staatsratsvorsitzender der DDR von 1960 bis 1973) auf einer Pressekonferenz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“

Der Bau der Berliner Mauer war Teil einer umfassenden militärisch gesicherten Absperrung der DDR zum Westen auch an der innerdeutschen Grenze. Von der DDR-Führung wurden die Berliner Mauer und die anderen Grenzsicherungsanlagen als antifaschistischer Schutzwall bezeichnet.

Seit 1955 ließ die Regierung der DDR die Grenzanlagen an der innerdeutschen Grenze ausbauen, denn viele Menschen (bis 1961 rund 2,6 Millionen) siedelten in die Bundesrepublik Deutschland über. Der DDR fehlten zunehmend qualifizierte Arbeitskräfte. Die Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland wurde damit geschlossen.

Mehrfach wurde die Berliner Mauer wie auch die Grenzanlagen an der innerdeutschen Grenze zu einem fast unüberwindbaren Hindernis ausgebaut und umgebaut, teilweise auch mit Selbstschussanlagen ausgestattet. Bereits seit 1960 galt für Grenzsoldaten ein „Schießbefehl“ auf Flüchtende, von der DDR-Führung als „Republikflüchtlinge“ bezeichnet. Er wurde 1982 in einem Gesetz geregelt. Bis 1989 starben mindestens 825 Menschen bei Fluchtversuchen an der innerdeutschen Grenze, davon über 200 an der Berliner Mauer.

Besonders im Zusammenhang mit der neuen Ostpolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt (*1913, †1992, Bundeskanzler von 1969 bis 1974) wurden die Berliner Mauer und die innerdeutsche Grenze in mühsamen Schritten durchlässiger (Transitabkommen, Grundlagenvertrag). Schon vorher gab es Vereinbarungen für Besuche von West nach Ost in Passierscheinabkommen.

Im Rahmen der friedlichen Revolution 1989 kam die Staats- und Parteiführung der DDR zunehmend unter Druck. So musste auch der langjährige Staats- und Parteichef Erich Honecker im Oktober 1989 zurücktreten.

Am Abend des 9.11.1989 verkündete das SED-Politbüromitglied Günter Schabowski (*1929, †2015) auf einer Pressekonferenz überraschend Reisefreiheit an allen DDR-Grenzstellen. Tausende durchschritten daraufhin in der Nacht vom 9. auf den 10.11.1989 die Berliner Grenzanlagen. Die DDR-Grenzsoldaten hatten keine Handlungsanweisungen und ließen die Menschen passieren. Auch die innerdeutsche Grenze wurde durchlässig. Die Berliner Mauer war gewaltfrei gefallen, ein historisches Ereignis. Nach der Lösung der Berlinfrage und der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wurde die Berliner Mauer 1990 abgerissen

Der 9. November ist in mehrfacher Hinsicht ein historisches Datum in der deutschen Geschichte und wird auch als „Schicksalstag der Deutschen“ bezeichnet.

So endete am 9.11.1918 das Deutsche Kaiserreichs mit der Ausrufung der Republik während der Novemberrevolution 1918/1919. Am 9.11.1923 scheiterte in der Weimarer Republik der Hitlerputsch. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ereignet sich am 9.11.1938 die Reichspogromnacht als Menetekel für die Judenvernichtung im Holocaust. Am 9.11.1989 fällt nach der friedlichen Revolution in der DDR die Berliner Mauer.

Quelle: Learnattack / Duden

Auf zwei der vielen Veranstaltungen wollen wir hinweisen

Am Jahrestag der Pogrome vom 9. November 1938 gedenken wir der Opfer und bitten um Orientierung und Stärkung, um dem Antisemitismus unter uns heute zu widerstehen. Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, die Evangelische Akademie zu Berlin und die Französische Kirche Berlin laden ein zum Gedenkgottesdienst.

Aber die Hebammen fürchteten Gott

und taten nicht, wie der König von Ägypten ihnen gesagt hatte,

sondern ließen die Kinder leben.

(Exodus 1,17)

Die Pogrome am 9. November 1938 markierten eine neue Stufe der Verfolgung und des gewalttätigen Ausschlusses von Jüdinnen und Juden. Sie waren nicht der Beginn und sind nicht das Ende einer mörderischen Verfolgungsgeschichte.

Durch diese Geschichte hindurch regte sich immer wieder auch listiger Widerstand und beherzte Solidarität. Wir sehnen uns nach Rettungsgeschichten und müssen doch beschämt erkennen: Es sind ihrer viel zu wenig.

Im Anschluss an den Gottesdienst gibt es die Möglichkeit, miteinander im Gespräch zu bleiben.

Zum Bild oben: Hendrik Nicolaas Werkman (1882-1945) gehörte als Künstler und Grafiker zur niederländischen Avantgarde. Am 13. März 1945 wurde er unter dem falschen Verdacht der Herstellung und Verbreitung illegaler politischer Drucksachen von den deutschen Besatzern in Haft genommen und am 10. April 1945 zusammen mit neun weiteren Inhaftierten in Bakkeveen erschossen.

Der Gottesdienst beginnt am 9. November um 19 Uhr in der Französischen Friedrichsstadtkirche.

Quelle: Evangelische Akademie Berlin

Das Bezirksamt Spandau von Berlin richtet zum Gedenken an die Novemberpogrome vom 9. zum 10.11.1938 auch in diesem Jahr eine Gedenkstunde mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde zu Berlin aus.
„In diesen Tagen richtet sich unser Blick nicht nur auf Israel, sondern auch auf unser eigenes Land. Seit dem 7. Oktober 2023 erleben wir an Berliner Universitäten, in Kultureinrichtungen, auf den Straßen und in den Medien, wie der Konflikt im Nahen Osten auch hier spürbare Auswirkungen hat. Trauer, Wut, Ungewissheit sind Gefühle, die viele Menschen bewegen. Doch vor dem Eindruck von Spannungen und innerer Zerrissenheit dürfen wir nicht hinnehmen, was nicht hinnehmbar ist. Bedrohtes jüdisches Leben in unserer Stadt, Brandsätze, Markierungen, Bedrohungen, offener Hass, Parolen die einen Nahen Osten ohne Israel fordern – das ist Antisemitismus, den wir nicht dulden.“, erläutert Bezirksbürgermeister Frank Bewig. Die diesjährige Gedenkstunde zur Erinnerung an die November-Pogrome gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger im Jahr 1938 findet statt am Freitag, den 08. November 2024, um 10.00 Uhr
auf der Fläche vor dem Mahnmal Lindenufer / Sternbergpromenade Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Kirchen sowie Schülerinnen und Schülern wollen wir öffentlich an die Leiden von Spandauer Bürgerinnen und Bürgern jüdischer Herkunft während der Zeit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft erinnern und erneut ein sichtbares Zeichen für Toleranz und Menschlichkeit im Bezirk Spandau setzen.

Rabbiner Jonah Sievers und ein Kantor werden als Vertreter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin an der Gedenkstunde mitwirken. Die inhaltliche Gestaltung der Gedenkveranstaltung hat der Ev. Kirchenkreis Spandau übernommen. Neben Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft sind alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen, an dieser Gedenkveranstaltung teilzunehmen.

Quelle: Tabea Marxen, Bezirksamt Spandau

Einen Überblick über die Veranstaltungen gibt es auf dem Blog von Visit Berlin

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Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, sprach auf der Pressekonferenz zur Bedeutung dieses historischen Jahrestags und zu der stadtweiten Aktion, die anlässlich des 35. Jubiläums des Mauerfalls geplant ist. Gemeinsam mit Moritz van Dülmen (Kulturprojekte Berlin), Simone Leimbach (Kulturprojekte Berlin), Prof. Dr. Axel Klausmeier (Stiftung Berliner Mauer), Frank Ebert (Berliner Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur) und Marianne Birthler (ehemals Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR) stellt er das Projekt der Öffentlichkeit vor.

Hier die Pressekonferenz auf YouTube

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