Quo Vadis Domine?

Domine, quo vadis?
Gemälde von Annibale Carracci, 1602

Berlin. Pilgern ist in! Eine Pilgererzählung steht auch im Mittelpunkt der Oper „Tannhäuser“, die auch in der Deutschen Oper Berlin zu sehen ist.

Von Frank Bürger

Abgestoßen von der Sinnenfeindlichkeit der Wartburg-Gesellschaft, sucht der Ritter Tannhäuser Erfüllung im Venusberg. Doch die Sehnsucht nach Elisabeth treibt ihn wieder zurück. Bei einem Sängerfest, auf dem das Hohelied der Liebe gesungen werden soll, brüskiert Tannhäuser jedoch die Versammlung, indem der sein Ideal einer Liebe in sinnlicher Erfüllung besingt. Er wird verstoßen und nach Rom geschickt, um vom Papst Gnade zu erbitten. Als Tannhäuser aus Rom zurückkehrt, berichtet er, dass ihm die Gnade verweigert wurde. Er beschließt verbittert, wieder in den Venusberg zurückzukehren. Doch dann geschieht ein Wunder und ihm wird die ersehnte Erlösung zuteil.

Wohl keine der Opern Richard Wagners hat einen direkteren Bezug zur Biografie des Komponisten und zu seinem künstlerischen Selbstverständnis als der TANNHÄUSER. Denn in der Geschichte vom Sängerkrieg auf der Wartburg sind all die Themen gegenwärtig, die die Konflikte romantischen Künstlertums ausmachen: Das Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung einerseits, andererseits die Infragestellung gesellschaftlicher Verhaltensnormen. Die Suche nach sinnlicher Erfüllung und ihre Unvereinbarkeit mit einem idealisierten, entsexualisierten Frauenbild. Nicht zuletzt aber auch den Konflikt zwischen der Entfaltung des Ich im Leben wie in der Kunst und den Schuldgefühlen, die dieses egomanische Verhalten mit sich bringt.

In ihrer Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin richtet Kirsten Harms den Blick vor allem auf das komplexe Verhältnis zwischen Tannhäuser und Elisabeth, der jungen Thüringer Landgräfin, die in der Oper für das Ideal der hehren, reinen Liebe steht. Für Harms ist der TANNHÄUSER „eine Geschichte zweier Menschen, die zwei Seelen in ihrer Brust haben“. Aus diesem Grund werden in ihrer Inszenierung auch die Figuren von Elisabeth und Venus von der gleichen Sängerin dargestellt – und verschmelzen am Ende der Oper schließlich zu einer einzigen Figur, die für sich die Erlösung gefunden hat. Doch mehr noch, für Harms verkörpern auch Tannhäuser und sein stiller, in sich gekehrter Freund Wolfram von Eschenbach zwei Seiten einer Persönlichkeit.

Dem entsprechend ist auch der Venusberg, in dem der Ritter Tannhäuser zu Beginn der Oper weilt, „keine Lasterhöhle, sondern eine Sphäre, in der sich Wunsch, Verlangen und Begehren zur lustvollen Erfüllung verschränken“ [Harms]. Die Inszenierung erzählt diese Geschichte in kraftvollen Tableaux, die aus der reichen Bildwelt hochmittelalterlicher Handschriften schöpfen, jedoch auch immer eine Verortung in der Gegenwart versuchen.

Quelle: Deutsche Oper Berlin

Clay Hilley in der Rolle des Tannhäusers. Copright: Per Kreutzberger

Der historische Tannhäuser

«Der Tanhûser» – vielleicht der Künstlername eines fahrenden Minnesängers – hat sich zeitweise am Wiener Hof Friedrichs II. von Österreich aufgehalten und war dort wohl Nachfolger von Neidhart und Walter von der Vogelweide. Das ist alles, was wir sicher über sein Leben wissen. Wenn sich Lied XIII auf den von Kaiser Friedrich II. angeführten Kreuzzug von 1227/28 bezieht, könnte sein Geburtsdatum zwischen 1200 und 1210 gelegen haben. Nach dem Tod Friedrichs II. 1246 scheint er seine privilegierte Stellung am Wiener Hof verloren zu haben und führt danach wieder ein unstetes Leben als fahrender Sänger. Auf Grund der Datierung von Lied VI ist der Dichter nach 1266 gestorben. In der Großen Heidelberger Liederhandschrift werden ihm sechs Leiche, sechs Minnelieder, ein Kreuzlied, zwei Sangspruchreihen und eine Rätselsammlung zugeschrieben. Umstritten ist die Zuweisung des «Bußlieds» in der Jenaer Liederhandschrift und der «Hofzucht» in einer Wiener Handschrift des 14. Jahrhunderts. Tannhäusers «naturalistische» Lyrik ist geprägt von satirischer und karikierender Kritik der «Hohen Minne», von offenherziger Sinnenlust und einer heiteren Lebensfreude. Das ist wohl der Grund, warum in der späteren Sage vom Venusberg Tannhäuser mit «Frau Venus» in Verbindung gebracht wurde. Dem Sündenpfuhl entflieht er schließlich und geht als Büßer nach Rom, um vom Papst vergeblich Absolution zu erbitten. Die Geschehnisse dieser Sage haben ihn in einer Vielzahl von literarischen Werken bis hin zu Richard Wagners «Tannhäuser» unsterblich gemacht.

Quelle: Technische Hochschule Augsburg

In der Deutschen Oper Berlin war zur ersten Aufführung der Saison die Besetzung und die Orchesterleistung brillant

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Ein Höhepunkt ist auch der Chor der jüngeren Pilger am Ende:

Heil! Heil! Der Gnade Wunder Heil!
Erlösung ward der Welt zuteil!
Es tat in nächtlich heil’ger Stund‘
der Herr sich durch ein Wunder kund:
den dürren Stab in Priesters Hand
hat er geschmückt mit frischem Grün:
dem Sünder in der Hölle Brand
soll so Erlösung neu erblühn!
Ruft ihm es zu durch alle Land‘,
der durch dies Wunder Gnade fand!
Hoch über aller Welt ist Gott,
und sein Erbarmen ist kein Spott!
Halleluja! Halleluja!
Halleluja!

Das Ende ist ein Rückgriff auf die Romserzählung Tannhäusers über seine Pilgerschaft in die Heilige Stadt.

Und er, den so ich bat, hub an:
„Hast du so böse Lust geteilt,
dich an der Hö1le Glut entflammt,
hast du im Venusberg geweilt,
so bist nun ewig du verdammt!
Wie dieser Stab in meiner Hand
nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,
kann aus der Hö1le heissen Brand
Erlösung nimmer dir erblühn!“

Es ist eine Stelle, die auf anderer Stelle literarisch und cineastisch aufgegriffen wurde

„Quo Vadis Domine“

Wir greifen zurück auf das Buch Quo Vadis von Henryk Sienkiewicz

Beim nächsten Morgengrauen schritten zwei dunkle Gestalten auf der Via Appia der Campania zu. Es waren dies Nazarius, der Sohn der Miriam, und der Apostel Petrus, der Rom und seine Glaubensbrüder verließ.

Die Nebelschleier zerrissen, und die weite Campania mit den darauf zerstreuten Häusern und Grabmälern und mit den vereinzelten Baumgruppen, in deren Tautropfen die aufgehende Sonne sich spiegelte, wurde sichtbar.

Auf dem Wege war kein Mensch zu sehen. Die Landleute, welche Sommergetreide und Gartenerzeugnisse nach der Stadt fuhren, sah man noch nicht. Die Steinfliesen, mit denen der Weg bis ins Gebirge ausgelegt war, hallten wider von dem Klappern der Holzschuhe, welche die beiden Wanderer an den Füßen trugen.

Es schien dem Apostel, als ob der aufgehende goldene Sonnenball, anstatt höher und höher zu steigen, vom Gebirge abwärts und den Weg entlang rolle. Er hielt den Schritt an und fragte: »Siehst du das Licht, das auf uns zukommt?«

»Ich sehe nichts!« entgegnete Nazarius.

Doch Petrus bedeckte nach einer Weile die Augen mit der Hand und sprach:

»Eine Gestalt naht uns im Sonnenglanze!«

Es war nicht das leiseste Geräusch nahender Schritte vernehmbar. Nazarius sah nur die Bäume in der Ferne beben, als würden sie geschüttelt, und gewahrte staunend einen sich immer weiter über die Ebene verbreitenden Lichtschein. Er sah den Apostel verwundert an.

»Was ist dir, Rabbi?« fragte er unruhig.

Den Händen des Apostels war der Reisestab entfallen, und er starrte mit halbgeöffneten Lippen unbeweglich vor sich hin; auf seinen Mienen wechselten Erstaunen, Freude und Begeisterung. Plötzlich warf er sich auf die Knie, streckte die Arme aus und rief:

»Christus! Christus!«

Und er warf sich zur Erde nieder, als ob er jemandes Füße küßte.

Lange verharrte er so stillschweigend, dann vernahm man die von Schluchzen unterbrochene Stimme des Greises:

»Domine, quo vadis?«

Nazarius vernahm keine Antwort, Petrus aber hörte eine traurige, sanfte Stimme:

»Weil du mein Volk verlassest, so gehe ich nach Rom, um mich zum zweiten Male kreuzigen zu lassen!«

Das Antlitz im Staube, lag der Apostel lange sprach- und regungslos. Nazarius fing schon an zu fürchten, daß der Greis ohnmächtig oder gar tot sei. Doch raffte er sich plötzlich auf, erhob sich, griff mit zitternden Händen nach dem Pilgerstabe und wandte sich, ohne ein Wort zu reden, wieder der Siebenhügelstadt zu.

Der Knabe, dies erblickend, fragte wie ein Echo: »Quo vadis, Domine?«

»Nach Rom,« versetzte der Apostel.

Und er kehrte zurück.

Paulus, Johannes und Linus wie auch die übrigen Gläubigen empfingen ihn verwundert und erschrocken, denn bald nach seinem Weggange, im ersten Morgengrauen, hatten Prätorianer das Haus der Miriam umringt und den Apostel darin gesucht. Doch er antwortete auf alle Fragen nur:

»Ich habe den Herrn gesehen!«

Noch an demselben Abend begab er sich nach dem Ostranium, um dort zu lehren und zu taufen. Täglich ging er dahin. Es schien, als ob jedes Wort, jede Träne Tausende Bekenner erzeugte. Der Kaiser badete sich förmlich in Blut, Rom und die ganze heidnische Welt raste. Alle Bedrängten und Leidenden suchten und fanden Trost in der Lehre von dem Gott, der aus Liebe zu den Menschen starb, um sie zu erlösen.

Petrus aber begriff jetzt, daß weder der Kaiser noch seine Legionen den wahren Glauben würden vernichten können. Er verstand jetzt, weshalb ihn der Herr von seinem Vorhaben, Rom zu verlassen, ablenkte. Diese Stadt des Stolzes, der Verbrechen, der Zügellosigkeit und der Macht fing an, seine Stadt zu werden – eine zweifache Residenz, aus der die Macht und das geistige Leben strömte.

Auch im Film Quo Vadis hat diese Szene ihren Platz:

Den apokryphen Petrusakten nach begegnete der Apostel Petrus auf seiner Flucht aus Rom Christus und fragte ihn „Quo vadis, Domine?“ („Wohin gehst du, Herr?“) und erhielt zur Antwort „Venio Romam iterum crucifigi.“ („Nach Rom, um mich erneut kreuzigen zu lassen“). Daraufhin kehrte Petrus um, wurde in Rom gefangengenommen und gekreuzigt. Diese Situation wird in den apokryphen Akten des Paulus und der Thekla beschrieben.

Am Ende des Films sieht man den Petri Hirtenstab, aus dem grüne Zweige hervorsprießen.

Fazit: Auf nach Rom, auf zur Pilgerschaft, wie es gerade auch die Schüler:innen des Berliner Liebfrauengymnasiums tun. Oder auch ein Kollege mit seinem Fahrrad über die Alpen…

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