Orgelschwein besucht Weihnachtskirche

Foto: Jürgen Trinkewitz

Berlin. Ideen muss man haben. Am 22. September 2024 kommt das Orgelschwein Ottilie in die Spandauer Weihnachtskirche.

Von Frank Bürger

Zur 71. Haselhorster Orgelstunde am 22. September um 16 Uhr empfängt Kantor Jürgen Trinkewitz in der Weihnachtskirche, Haselhorster Damm 58, 13599 Berlin, das Orgelschwein Ottilie. Barbara Herrberg schlüpft in die Rolle des Schweins. Eine besondere Präsentation der renommierten Reger-Orgel, auf der Jürgen Trinkewitz spielen wird und sie präsentiert.

Das Schwein Ottilie gehört Jürgen Trinkewitz. Hergestellt wurde es von Maria Barleben aus Endingen (Baden-Württemberg). Sie fertigt in ihrer Manufaktur Handpuppentiere, auch mit Klappmaul, liebevoll an. Die Ergebnisse der Arbeit sind unter anderem zu finden:

  • Puppenspielern und Geschichtenerzählern
  • Tier- und Naturfreunden
  • Menschen mit Freude am Spielen
  • Ärzten und Therapeuten
  • Sammlern & Jägern
  • Oma & Opa
  • in Kindergärten und Schulen
  • im Kinderzimmer, Schlafzimmern
  • und in Pflegeheimen.

Zur renommierten Reger-Orgel:

1913 sollte für den Schützenhaussaal in Meiningen, in dem Max Reger mit der herzoglichen Hofkapelle konzertierte, eine Orgel beschafft werden. Reger wünschte aus aufführungspraktischen Gründen einen fahrbaren Spieltisch, der damals nur von der Firma Steinmeyer geliefert werden konnte. Deshalb nahm er Verbindung mit dem Orgelbauer Steinmeyer auf und bestellte auf einer Postkarte die Orgel: „Im Auftrage seiner Hoheit des Herzogs Georg von Sachsen-Meiningen bestelle ich hiermit eine Orgel für 20.000 RM für den neuen Schützenhaussaal in Meiningen. Ich darf Sie wohl bitten, mir balde Disposition der Orgel zu senden u. mir überhaupt genau zu schreiben, wie die Orgel werden soll“.

Bald darauf fuhr Kommerzienrat Johannes Steinmeyer nach Meiningen und verhandelte mündlich mit Reger. Dabei wurde auch die Disposition aufgestellt. Vermutlich entwarf Steinmeyer die Disposition, und Reger machte Änderungsvorschläge. Was allerdings im einzelnen auf wen zurückgeht, lässt sich heute mangels Unterlagen nicht mehr genau feststellen. Nur eine nachträglich aufgeschriebene Erzählung Steinmeyers von seinen Gesprächen mit Reger ist uns überliefert: „Als die Disposition festgelegt war – Preis RM 20.000 – äußerte Reger: Wir müssen noch ein Quintatön 8’ im 2. Manual haben. Darauf Herr Steinmeyer: Der Preis darf RM 20.000.- nicht überschreiten, welches Register wollen Sie, Herr Generalmusikdirektor, dafür weglassen? Regers Antwort: Das weiß ich auch nicht, denn die Disposition ist gut, das Register Quintatön wurde dann doch nachbestellt.“ Der damalige Assistent Regers, Prof. Dr. Poppen, war beim Dispositionsentwurf ebenfalls beteiligt. Ein Brief Regers an Steinmeyer vom 1.5.1913 zeigt, dass auch Steinmeyer noch nachträglich Änderungsvorschläge machte: „Ich bin auch damit einverstanden, wenn Sie ins 2. Manual eine kleine 3fache Mixtur 2’ bringen (statt Sesquialtera). Auch bin ich damit einverstanden, wenn Sie im 3. Manual statt des Lieblichgedeckt ein Nachthorn bringen.“

Das Instrument wurde dann auf Kosten des Herzogs als Eigentum der Schützengesellschaft Meiningen im Februar 1914 aufgestellt. Karl Straube spielte am 19. April das Einweihungskonzert. Aber die Orgel stand unter keinem guten Stern; unerwartete Ereignisse folgten Schlag auf Schlag. Schon im März 1914 musste Reger krankheitshalber nach Meran reisen, und am 6. April reichte er von dort sein Entlassungsgesuch ein. Herzog Georg starb am 26. Juni 1914; Reger spielte bei der Trauerfeier 3 Choralvorspiele von Bach (Herzlich tut mich verlangen; Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ; O Mensch, bewein dein Sünde groß), ein Largo F-Dur für Violine mit Orgelbegleitung op. 93 sowie ein wohl improvisiertes Nachspiel. Am 1. August 1914 begann der 1. Weltkrieg und die Orgel wurde fortan nicht mehr benutzt.

Das Instrument wurde also für Reger gebaut, und wenn auch seine Vorstellungen von einer Orgel anscheinend nicht so detailliert waren, dass der Bau vollständig auf ihn zurückzuführen wäre, so war er doch immerhin beteiligt und mit dem Instrument auch sehr zufrieden. Auffälligerweise entspricht die Orgel nicht durchgängig den zeitgenössischen romantischen Gepflogenheiten: Zwar sind, wie bei größeren damaligen Orgeln üblich, auf jedem Manual Zunge und Mixtur vorhanden, auch der 4’ im Pedal war nicht unüblich, aber es fehlt ein labialer 16’ im II. Manual, das III. Manual ist in einzelnen Registern (z.B. Zunge) und im Tutti lauter als das II., und das zerlegte Kornett im III. Manual ist auf den Einfluss der elsässischen Orgelreform zurückzuführen.

Die heutige Weihnachts-Kirche war ursprünglich ein Gemeindesaal, der auch gottesdienstlich genutzt wurde. Die gesamte bauliche Anlage mit Turm, Pfarrwohnung und einigen Gemeinderäumen war 1934/1935 von Erich Bohne für die sogenannte „Reichsforschungssiedlung“ errichtet worden. Bis 1938 handelte es sich um eine Filiale der St. Nikolai-Kirchengemeinde.

1937 erhielt die Gemeinde, die eine Orgel suchte, einen Hinweis auf die „Max-Reger-Orgel“. Sie erwarb das Instrument für 8.500 RM und brachte noch einmal etwa 10.000 RM für Abbau, Reinigung, Transport, Reparatur, Wiederaufstellung und einen neuen Prospekt auf. Aufgestellt wurde das Instrument nicht auf der Orgelempore, sondern im Bühnenraum. Das Instrument erhielt einen flächigen, stummen Prospekt aus stichbogig ansteigenden Prinzipalpfeifen; eine für die 30er Jahre typische, aber architektonisch wenig anspruchsvolle Lösung. Steinmeyer führte die Arbeiten durch. Er baute auch eine Koppel Super I-P ein, weil das Pedal etwas „klein“ sei. Am 31. Oktober 1937 fand die Wiedereinweihung statt, zu der auch Regers Witwe Elsa eingeladen war.

Der 2. Weltkrieg verursachte Feuchtigkeitsschäden wegen fehlender Fenster und mangelnder Pflege; außerdem machte sich das Alter der Taschenladen bemerkbar. Orgelbaumeister Johannes Graf führte 1952 und 1954 Reparaturen durch (u.a. Neubeledern der Taschen im I. Manual). Fortgesetzte Störungen im alten Spieltisch machten dessen Überholung erforderlich; Steinmeyer gab 1956 einen Kostenvoranschlag ab; Obgleich Karl Schuke 1959 vorschlug, einen neuen Spieltisch anzuschaffen, wurde der alte repariert, so dass der historische Spieltisch erhalten blieb. Anfangs der 1960er Jahre war eine Dispositionsänderung im Stile der Orgelbewegung geplant. Während der zu Rate gezogene Fritz Stein nichts dagegen einzuwenden hatte, plädierten Karl Schuke und der Orgelsachverständige Paul Hammermeister für Erweiterung statt Austausch. Man brachte zwar ein Tableau mit neuen Registerzügen bereits im Spieltisch an, aber die Arbeiten in der Orgel haben glücklicherweise nie stattgefunden. So ist dem Instrument ein entstellender neobarocker Eingriff erspart geblieben.

1965/1966 wurde der Gemeindesaal zu einem größeren Kirchenraum umgebaut. Aus Sorge um den Erhalt der Orgel wurde zunächst erwogen, sie zu verkaufen. Sie blieb dann aber doch am alten Platz; lediglich der stumme Prospekt von 1937 wurde aus stilistischen Gründen entfernt und durch ein Holzgitterwerk ersetzt, so dass die Orgel heute nicht mehr sichtbar ist. Im Zuge des Umbaus hat sich die Raumakustik etwas zu Ungunsten der Orgel geändert, weil der Anteil des Reflexionsschall zu gering ist.

1966 wurde der Spieltisch aus dem alten Altarraum auf eine neu gebaute Empore versetzt und das Eichenholz mit einem bräunlich-beigen Lack gestrichen. –

Obwohl die Orgelbaufirma Karl Schuke bis zum Stellenantritt des Verfassers als Kirchenmusiker im Jahre 2001 einen Pflegevertrag mit der Gemeinde hatte, war trotzdem eine umfassende Restaurierung zur Rettung der Orgel notwendig. Die Wände der Orgelkammer und Teile des Instrumentes waren von Schimmel befallen, die gravierenden Mängel in Klang und Technik konnten bereits sehr deutlich wahrgenommen werden. Nach mehrjährigen Vorbereitungen zur Aufarbeitung der historischen Unterlagen sowie der Planung der Bauarbeiten im Orgelraum (Analyse der Schimmelkulturen, Klimamessungen etc.) konnte die für ihre Restaurierungen renommierte    Orgelwerkstatt Christian Scheffler (Sieversdorf) den Auftrag erhalten, der 2006/2007 ausgeführt worden ist.

Alle technischen Einrichtungen des Spieltisches sind überarbeitet, die Elektrik ist neu verkabelt, das ursprüngliche Holz zeigt sich vom Lack der 1960er Jahre befreit und nun mit Schellack respektive Öl behandelt. Anstatt des überflüssigen Registertableaus hat die Orgelwerkstatt Scheffler wieder eine alte Walzenuhr sowie ein altes Voltmeter – aus alten Steinmeyerschen Beständen – an die ursprüngliche Stelle eingebaut.

Die Traktur ist komplett überarbeitet, das Pfeifwerk gereinigt und vom Intonateur Matthias Ullmann an den etwas zu kleinen Raum angepasst intoniert, ohne die Verhältnisse der Manuale und Register untereinander zu verändern. Im Sinne der Orgelästhetik der Entstehungszeit gibt es nun die Möglichkeit, die Super- und Suboktavkoppeln des 3. Manuals in die Manualkoppeln II und I zu schalten.

Die Reger-Orgel als lebendiges Klangdenkmal lehrt die heutige Organistengeneration, die detailliert notierte Klangvorstellung Karl Straubes und Max Regers an dem vom Komponisten selbst mitgeplanten Instrument adäquat umzusetzen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Aufführungspraxis der spätromantischen Orgelmusik.   

Die Ausführungen stammen aus der Feder von Dr. Jürgen Trinkewitz.

Der Bischof im Gespräch mit dem Kantor. Foto: Barbara Hustedt

So hat einst Pfarrer i. R. Rainer Herrberg ein wunderbares Video zum passenden Sommerlied „Geh aus mein Herz“ produziert. Wie passend als Vorgeschmack auf das „Schweinespektakel“ in der Weihnachtskirche.

Zur Liedinfo hier ein Beitrag aus einem Gemeindebrief der Weihnachtskirche und einem Artikel der Deutsch-Polnischen Nachrichten

Paul Gerhardt (1607 -1676) ist einer der größten Kirchenliederdichter. Seine Lieder gehören zum Erbe der Zeit, die gar nicht so hell schien. Viele Lieder sind so mutmachend, deshalb wurden sie bekannt, fanden den Weg in die Gesangbücher, wurden zu wahren Volksliedern. Dazu gehört auch das Lied „Geh aus, mein Herz und suche Freud“. Wie man an den Lebensdaten sieht, prägte ihn der 30-jährige Krieg mit all seinem Grauen. Und was mir persönlich sehr nahekommt: Bei Kriegsende war Paul Gerhardt in Berlin als Hauslehrer in der Familie des Kammergerichtsadvokaten Andreas Berthold tätig. Er wusste also, was Kinder fühlen und denken, gerade in einer so dunklen Zeit. Denn überall hatte dieser Krieg seine Spuren hinterlassen.

Mit 44 Jahren wurde Gerhardt am 18. November 1651 in der Berliner Nikolaikirche ordiniert, noch im gleichen Monat wurde er Propst an der St. Moritz-Kirche in Mittenwalde und Inspektor der umliegenden Pfarreien.

Erstmals wurde das Gedicht, die Grundlage zum Sommerlied, in der fünften Auflage von Johann Crügers Gesangbuch „Praxis Pietatis Melica“ veröffentlicht. In originaler Fassung umfasste das Lied 15 Strophen, kunstvoll gegliedert. Aufgrund der schönen Melodie singen wir es im Gottesdienst, auf Feiern und zu vielen anderen Gelegenheiten so gern.

Doch der Liedtext wurde im Laufe der Rezeptionsgeschichte immer wieder mit verschiedenen Melodien verknüpft. Günter Balders, baptistischer Pastor und emeritierter Professor für Kirchengeschichte in der Fachhochschule in Elstal, nicht unweit von Spandau, hat 40 Melodien nachgewiesen. Im Erstdruck war der Text zunächst der Melodie des Liedes „Den Herrn meine Seel erhebt“ zugeordnet.

Die gegenwärtig bekannteste Melodie zu Gerhardts Text stammt von August Harder, er lebte von 1775 bis 1813. Ursprünglich war sie eine Vertonung des Gedichts „Die Luft ist blau, das Tal ist grün“ von Ludwig Hölty. Was gefällt besonders an diesem Lied. Es sind die Assoziationen zur Natur, ja zur Schöpfung Gottes. Ist es nicht verständlich, dass es nicht nur von Erwachsenen gerne gesungen wird? Es ist ein Mutmachlied, besonders auch für schwere Zeiten, und spiegelt das Lebensgefühl von Paul Gerhardt wider. 

Hinterlasse einen Kommentar