Vom Palmensaal bis Schloss Cecilienhof

Der begnadete Pianist Tobias Koch im historischen Palmensaal in der Orangerie im Neuen Garten. Foto: Tobias_Koch_by_Frank_Buerger_Musikfestspiele_PS_2024

Berlin. Die Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci ermöglichten eine historisch wertvolle Zeitenreise: Zu Orten der Potsdamer Konferenz mit musikalischer Note.

Von Frank Bürger

Im zweiten Teil des Konzerts am 13. Juni im Rahmen der Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci erklangen Werke von Frédéric Chopin. Mit welcher Empathie und technischer Perfektion gestaltete der Pianist Tobias Koch auf dem historischen Hammerklavier.

Mit Entdeckungsfreude und unvoreingenommener Vielseitigkeit dem Geheimnis des Klanges nachspüren, das ist das musikalische Credo von Tobias Koch. Seit Beginn seiner musikalischen Laufbahn faszinieren den in Kempen am Niederrhein geborenen Pianisten die Ausdrucksmöglichkeiten historischer Tasteninstrumente: Auf Cembalo, Clavichord, Tangenten- und Hammerflügel, Orphika, Pedalflügel, Orgel und romantischem Konzertflügel spielt er ebenso unorthodox wie lebendig jede Art von Musik – „mit entwaffnender Spontaneität“, wie eine große deutsche Tageszeitung über ihn schreibt. Er überrascht immer wieder mit künstlerisch besonders ausgefallenen Projekten, die gleichermaßen sein weit gespanntes Repertoire wie seine ausgeprägte instrumentale Neugierde spiegeln. Tobias Koch gilt seit langem als einer der profiliertesten Interpreten auf dem Gebiet der klassischen und romantischen Aufführungspraxis und erntet internationale Anerkennung für seine Pionierarbeit und dabei zugleich höchst individuelle Neubewertung von Repertoire-Klassikern der Klaviermusik, darunter zuletzt insbesondere Werke von Beethoven, Schubert, Chopin und Schumann: „Von der ersten Sekunde an inspiriert und inspirierend – Koch lässt durch sein Klavierspiel musikalische Bilder wie im Fluge entstehen und wieder vergehen. Mitreißend gespielt, wird hier einfach jeder Takt zum Erlebnis.“ (MDR Figaro)

Eine umfassende musikalische Laufbahn führt ihn durch ganz Europa, nach Nordamerika, in den Nahen Osten und weit darüber hinaus. Als Solist, Kammermusiker und Liedbegleiter gastiert er bei bedeutenden Festivals, darunter Schleswig-Holstein Musikfestival, Ludwigsburger Schlossfestspiele, Verbier Festival, Chopin-Festival Warschau, Rheingau Musikfestival, Beethovenfest Bonn, Schumannfeste Düsseldorf, Bonn, Leipzig, Zwickau, Mendelssohn-Tage im Gewandhaus Leipzig und eine Vielzahl von internationalen Festivals für Alte Musik.
Wertvolle künstlerische Anregungen erhielt er während seines Studiums in Meisterklassen an den Musikhochschulen in Düsseldorf und Graz von David Levine, Roberto Szidon und Walter Kamper, weiterführende Impulse erhielt er u. a. von Jos van Immerseel, Malcolm Bilson und Andreas Staier. Tobias Koch ist Förderpreisträger Musik der Landeshauptstadt Düsseldorf und unterrichtet an der dortigen Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, an der Universität der Künste Berlin, als gesuchter Dozent weltweit bei Meisterkursen sowie an Akademien in Verbier und Montepulciano. Darüber hinaus ist er Jury-Mitglied in bedeutenden Klavierwettbewerben wie beim internationalen Chopin-Wettbewerb auf historischen Instrumenten in Warschau oder beim Deutschen Chopin- Wettbewerb.

Zu seinen musikalischen Partnern gehören u.a. die Pianisten Andreas Staier und Janusz Olejniczak, die Geiger Gottfried von der Goltz, Rüdiger Lotter, Anton Steck, Lena Neudauer und Joshua Bell, der Cellist Steven Isserlis, Sängerpersönlichkeiten wie Dorothee Mields, Markus Schäfer, Jan Kobow und Thomas E. Bauer, die Orchester Concerto Köln unter Leitung von Kent Nagano, Gianluca Capuano und Michael Güttler, Frieder Bernius und die Stuttgarter Hofkapelle, Václav Luks und das Collegium 1704 Prag, Rüdiger Lotter und die Hofkapelle München, Nieuwe Sinfonietta Amsterdam, (oh!) orkiestra historyczna Katowice, Kölner Kammerorchester, Chursächsische Philharmonie, sowie die Chöre des Westdeutschen und Bayerischen Rundfunks. Darüber hinaus verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit mit Instrumentenbauern, Restauratoren und zahlreichen renommierten Instrumentenmuseen. Koch nennt eine umfangreiche Sammlung historischer Tasteninstrumente sein Eigen.

Eine Vielzahl von Rundfunk- und TV-Produktionen, Publikationen zu Aufführungspraxis, Rhetorik und Musikästhetik, Notenausgaben u. a. bei der Wiener Urtext Edition runden seine musikalische Tätigkeit ebenso ab wie inzwischen über 40 CD-Aufnahmen mit Werken von Mozart bis Brahms, die zahlreiche internationale Auszeichnungen und Preise erhielten – darunter sämtliche Klavierstücke Ludwig van Beethovens sowie zwei CDs innerhalb der New Complete Beethoven Edition bei der Deutschen Grammophon, bei denen Koch mit neuentdeckten und bislang unveröffentlichten Klavierstücken für zahlreiche Beethoven- Weltpremieren sorgte.

Quelle: Homepage Tobias Koch

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Der Palmensaal hat zudem historische Bedeutung.

1791 ließ Friedrich Wilhelm II. durch Carl Gotthard Langhans das repräsentative Orangeriegebäude errichten, das nicht nur zur Aufbewahrung exotischer Pflanzen diente, sondern einen zentralen Konzertsaal erhielt. Der preußische König Friedrich Wilhelm II. nutzte den Saal für kleine Konzerte, die er, selbst auf dem Cello spielend, gemeinsam mit einem Kammerorchester gab. Der Palmensaal ist ein mit Taxus-, Pflaumenbaum- und Rüsternholz getäfelter Raum. Große Fenster und eine zentrale Tür an der Südseite öffnen den Blick in den Park. Man betritt das Gebäude an der Ostseite durch das Ägyptische Portal und die Pflanzenhalle.

Quelle: Stadtmagazin Events

Anlässlich des 70. Jahrestages der Potsdamer Konferenz luden die Landeshauptstadt Potsdam und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg am 31. August 2015, in die Orangerie im Neuen Garten ein. Der damalige Oberbürgermeister Jann Jakobs und damalige Bundesjustizminister Heiko Maas nahmen gemeinsam mit diplomatischen Vertretern der drei alliierten Siegermächte Vereinigte Staaten, Großbritannien und Russland (damals Sowjetunion) an der Podiumsdiskussion im Palmensaal der Orangerie zur aktuellen Bedeutung der Potsdam Konferenz teil. Prof. Dr. Hartmut Dorgerloh, damals Generaldirektor der Stiftung preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, eröffnete die Konferenz. Heute ist Prof. Dr. Hartmut Dorgerloh Generalintendant und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss. Der Kunsthistoriker und Kulturmanager lehrt seit 2004 als Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Die Konferenz mit der Verabschiedung des „Potsdamer Abkommens“ durch Harry Truman (USA), Winston Churchill (Großbritannien) und Joseph Stalin (Sowjetunion) am 2. August 1945 jährt sich 2025 zum 80. Mal.

Nicht unweit vom Palmensaal ist das Schloss Cecilienhof. Und kein geringerer als der Experte Matthias Simmich von der Stiftung preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg führte durch die Räume. dieses Mal mit dem Blick auf die Musik, die ja viel hinter den Kulissen zeigt.

Als am 17. Juli 1945 der sowjetische Generalissimus Josef Wissarionowitsch Stalin, der britische Premierminister Winston Churchill und der amerikanische Präsident Harry S. Truman die große Halle im Schloss Cecilienhof in Potsdam betraten, wurden sie von einem Blitzlichtgewitter der Fotografen empfangen. Seit Anfang Mai schwiegen die Waffen, der Zweite Weltkrieg in Europa war vorüber, während der Krieg in Asien gegen das japanische Kaiserreich mit unverminderter Härte fortgeführt wurde. Nun schaute die Welt auf das mit Spannung erwartete Zusammentreffen der Großen Drei, diesen „… einzigen Augenblick, der alles bestimmt und alles entscheidet“: „Ein einziges Ja, ein einziges Nein, ein Zufrüh oder ein Zuspät macht diese Stunde unwiderruflich für hundert Geschlechter und bestimmt das Leben eines Einzelnen, eines Volkes und sogar den Schicksalslauf der ganzen Menschheit. Solche dramatisch geballten, solche schicksalsträchtigen Stunden, in denen eine zeitüberdauernde Entscheidung auf ein einziges Datum, auf eine einzige Stunde und oft nur eine Minute zusammengedrängt ist, sind selten im Leben eines Einzelnen und selten im Laufe der Geschichte.“

Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit. Zwölf historische Miniaturen, Frankfurt am Main 1964, S. 8.

Simmich machte deutlich. Zum ersten Konzertabend, an dem sich der „Generalissimo“ einen Pianisten aussuchen konnte, fiel die Wahl auf Frédéric Chopin.

Noch dazu fiel die Wahl auf Eugene List

Eugene List wurde in Philadelphia als Sohn ukrainischer Immigranten geboren. Die Familie zog nach Lists Geburt in der Gegend von Los Angeles, wo sein Vater als Sprachlehrer an einer staatlichen Schule Anstellung fand. List erhielt Klavierunterricht und entpuppte sich als musikalisches Wunderkind. Mit 12 Jahren konzertierte er mit den Los Angeles Philharmonikern unter dem Dirigat von Leopold Stokowski und brachte das 3. Klavierkonzert von Beethoven zum Vortrag.

Am 1. März 1942 wurde List zur US-Armee einberufen, zuerst war er dem Hafen-Transportkorps in Brooklyn zugeteilt, ein Jahr später wechselte er in die Special Services Division – die Entertainment-Abteilung der US-Streitkräfte. List trat nicht nur bei Armee-Konzerten, sondern auch bei zivilen Musikveranstaltungen in Uniform auf. Die Medien berichteten umfänglich über den virtuosen Vorzeige-Soldaten und das öffentliche Interesse weitete sich auf das Privatleben des Pianisten aus. Die New York Times berichtete ausführlich über seine Eheschließung mit der US-amerikanischen Geigerin Carroll Glenn 1943. Nach dem VE-Day wurde List nach Paris zur Unterstützung des Seventh Army Symphony Orchestras abkommandiert und anschließend zur Gestaltung des musikalischen Programms der Potsdamer Konferenz eingeladen. Staff Sergeant List erwarb sich durch seine dortigen Auftritte Harry S. Trumans Anerkennung, galt infolge als dessen „inoffizieller Hof-Pianist“ und war bis in die Ära Jimmy Carters regelmäßiger Gast im Weißen Haus.

Lists Militärzeit hatte seiner Karriere deutlichen Auftrieb gegeben, seine Konzerte wurden landesweit und nach Übersee ausgestrahlt. Er nahm Tonträger auf und 1946, nach dem Ende seiner Militärzeit, bekam der gutaussehende Pianist eine Filmrolle in der Komödie The Bachelor’s Daughters.

Die Geschehnisse um die Potsdamer Konferenz, auch im Hinblick auf Polen, füllen Bände. Die Übersetzungen liefen nicht simultan, nur etwa 90 Prozent der Protokolle sind identisch. So ist auch klar. Es liegt ein kein Potsdamer Abkommen vor. Das wird nur im Volksmund so formuliert. Konkret spricht man vom Potsdamer Komitee oder von den Potsdamer Protokollen.

Der Vortrag von Matthias Simmich brachte wieder viel Licht in das Geschehen.

Dankeschön an die Musikfestspiele für dieses wirklich kostbare und einzigartige Angebot, zu unserem Hochzeitstag.

Wir durften Prof. Dr. Hartmut Dogerloh persönlich auf Schloss Wartin in der Uckermark auf Einladung von Prof. Dr. Hans-Joachim Mengel persönlich kennenlernen.

Fotos: Cecilienhof_by_Frank_Buerger_Musikfestspiele_PS_2024

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