Melanchthonkirche: Hort der Demokratie

Berlin. Die Melanchthonkirche in Spandau steht als Hort der Demokratie an historischem Ort. Auch ein Stein auf dem Weg nach Schwetzingen.

Von Frank Bürger

„Die ökonomischen und sozialen Folgen der Globalisierung, die Erweiterung der Europäischen Union und vor allem die Terroranschläge vom 11. September 2001 prägen die 2000er Jahre. Das ,unsichere Jahrzehnt“ bleibt für die politische Bildung nicht folgenlos. Wie kann man auf Herausforderungen wie Parteien- und Politikverdrossenheit, Extremismus, Rassismus. Während die Effekte der Globalisierung sich eher schleichend  und ihre Folgen  als Verunsicherung und Abkehr von den politischen  Eliten bemerkbar machen, werden zu Beginn des Jahrzehnts die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001 mit knapp 3000 Todesopfern zu einem Schlüsselerlebnis der Entsicherung. Die Anschläge und ihre Folgen für die weltpolitische Lage stellen auch an die politische Bildung neue Anforderungen. Die allgegenwärtige Bedrohungslage bleibt in Deutschland nicht ohne Auswirkungen und das gesellschaftliche Miteinander.  Ängste und Verunsicherungen diffundieren ins alltägliche Zusammenleben und aktivieren rassistische und teilweise rechtsextreme Haltungen und Feindbilder.“

Pfarrer Erko Sturm

Das formuliert Pfarrer Erko Sturm in der Festschrift zum 130. Geburtstag der Melanchthonkirche an historischem Ort. Die Innenausstattung prägen die Bilder des Künstlers Helmut Frelke.

„Das Ziel der Kunst sei nicht die Unterhaltung, sondern die sittliche Vervollkommnung des Menschen – soll noch Aristoteles behauptet haben. Zu demselben Gedanken hat sich der Russlanddeutsche Helmut Frelke ganz von allein durchgerungen. Allein schon die Bandbreite seiner Kunst ist beeindruckend: Holzmalerei auf Edelholzfurnieren, Öl-, Keramik- und Wandmalerei, Design und Restaurierungen. Doch: Was Helmut Frelke im Bereich Holzmalerei kreiert, bleibt europaweit einmalig.

Zwar wurde bereits seit jeher auf Holz gearbeitet, aber es wurde meist mit Farbe überzogen. „Seit Jahrhunderten wird versucht, die Natur so detailgetreu wie möglich auf die Leinwand zu bringen. Warum eigentlich nicht die Natur als Leinwand für die Kunst benutzen?“, fragte sich Helmut Frelke. Seitdem begann sein „Leben im Holz“.

Schon nach den ersten zwei Dutzend Arbeiten waren seine Ausstellungen bundesweit und international ein durchschlagender Erfolg. Mehr als 100 Holzunikate von Frelke wurden bereits in Deutschland und Frankreich ausgestellt, darunter im Deutschen Holzkunstmuseum und in mehreren deutschen Städten. Auch seine Ölmalereien waren schon in Russland, Japan, Frankreich und Deutschland zu sehen: in den Kunstgalerien von Aachen, Berlin, Bonn, Dresden, Frankfurt/Main, Köln, München, Stuttgart, Wolfsburg, Bonn, Hamburg und Siegburg sowie bei den internationalen Messen in Hannover und Köln“, ist auf seiner Homepage zu lesen.

Die Bilder sprechen ihre besondere Sprache und passen zu Ort und Kirche.

Denn nicht unweit der Melanchthonkirche war einst ein Ort des Grauens.

Das Kriegsverbrechergefängnis Spandau war ein im heutigen Berliner Ortsteil Wilhelmstadt des Bezirks Spandau gelegenes Gefängnis, in dem ab 1947 die im Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozess verurteilten Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs ihre Haftstrafen verbüßten. Nach dem Tod des letzten Häftlings wurde es 1987 abgerissen.

Im Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozess wurde das Urteil am 30. September und 1. Oktober 1946 gesprochen. Die sieben zu Haftstrafen verurteilten Kriegsverbrecher wurden am 18. Juli 1947 nach Spandau überstellt. Die Häftlinge erhielten eine Nummer in der Reihenfolge, in der sie zunächst ihre Zellen belegten. Laut den Bestimmungen der Alliierten mussten sie auch mit ihrer Nummer angesprochen werden.

Nachdem am 23. Mai dann auch die letzte Reichsregierung im Sonderbereich Mürwik verhaftet worden war, wurden Karl Dönitz, Albert Speer und Alfred Jodl in den Freigängerhof des Polizeipräsidiums Flensburg gebracht, wo die internationale Presse Fotos machen durfte.

Nach der vollständigen Verbüßung seiner Strafe am 1. Oktober 1956 lebte so Karl Dönitz, 1945 der Nachfolger Adolf Hitlers,  bei Hamburg. 

Noch interessanter das Schicksal von Albert Speer, der nach Heidelberg und Schwetzingen führt.

Speers „Spandauer Tagebücher“ dokumentieren die Zeit im Gefängnis. Speer lebte nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Spandau 1966 überwiegend in der Heidelberger Villa, die sein Vater im Jahre 1905 erbaut hatte und die sich auch in den 1960er Jahren noch im Familienbesitz befand. Natürlich ist davon bei einer Fahrt durch den Weg nichts von der Straße aus zu sehen. Der Weg zum Schloss ist nicht weit.

So ist es gut, dass in der Melanchthonkirche Friede und Völkerverständigung groß geschrieben wird. Der Friedensgottesdienst zu Beginn des Überfalls auf die Ukraine wurde gehalten von einem russisch-orthodoxen Priester, dessen Gemeinde eine Heimat in der Melanchthonkirche gefunden hat, von einer Lehrerin aus der Ukraine und einer Gemeindepädagogin, deren Eltern aus der Türkei kommen.

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