Schwerter zu Pflugscharen

Bild: Lutz Ebhardt, Gotha
Zu sehen sind v.l.n.r.:
Eva Löber (Aktivistin von damals), Knut Kreuch (Vorstandsvorsitzender und Oberbürgermeister), Sarah Schorlemmer (Enkelin von Friedrich Schorlemmer), Harald Bretschneider, Markus Meckel (Laudatio), Sigrid Lehniger (Vorsitzende des Kuratoriums der Kulturstiftung Gotha)

Berlin. Der Gothaer Preis „Der FRIEDENSTEIN 2024“ ging an „Schwerter zu Pflugscharen“. Die Laudatio hielt der Politiker Markus Meckel.

Von Frank Bürger

Am 14. April 2024 wurde zum elften Male seit 1998 der Gothaer Kultur- und Friedenspreis „Der Friedenstein“ verliehen. Wie die Kulturstiftung Gotha dazu im vergangenen Jahr schon bekanntgab, wird mit dem Preis im kommenden Jahr die Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ mit ihren Repräsentanten Friedrich Schorlemmer und Harald Brettschneider geehrt. Die Laudatio kam von dem Politiker Markus Meckel.

Schwerter zu Pflugscharen, Skulptur von Jewgeni Wiktorowitsch Wutschetitsch – 1959 Geschenk der Sowjetunion an die UNO – Garten im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York City. Foto: Neptuul 

Markus Meckel bezieht sich hier auf die politische Lage. In der heutigen Situation können die wichtigen und erfolgreichen Erfahrungen aus der Zeit vor 40 Jahren nicht unmittelbar auf die derzeitige Lage in der Ukraine übertragen werden. Der Politiker würdigt das damals mutige Verhalten und beschreibt gleichzeitig seine heutige Entscheidungen, dass Recht erhaltende Gewalt anerkannt werden muss.

Hier nun die Laudatio von Markus Meckel, die er zur Preisverleihung auf Schloss Friedenstein hielt.

Anrede
Heute, in diesem schwierigen Jahr, an die Anfang der 80er Jahre entstandene unabhängige Friedensbewegung in der DDR unter dem Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ zu erinnern und sie mit einem Preis zu würdigen, mag erstaunen. Oder doch nicht? Steht doch auch heute die Frage, wie Frieden und Sicherheit zu erlangen sind, ganz oben auf unserer Agenda. Doch ist Vorsicht geboten, nicht zu Kurzschlüssen zu kommen. Dazu jedoch später..

Ich bin dankbar für diese Preisverleihung und möchte der Kulturstiftung Gotha dafür herzlich danken – und den Protagonisten Harald Bretschneider und Friedrich Schorlemmer herzlich gratulieren!

Sicher ist: Was damals, 1980 und in den Folgejahren geschah und heute ehrend in Erinnerung gerufen wird, hat nicht nur Mut gekostet, sondern war ein wirkmächtiger neuer Ansatz in der damaligen spezifischen Situation, der die Wirklichkeit in unserem Land verändert hat. Von diesen Ereignissen lassen sich lange Linien ziehen zur Friedlichen Revolution 1989 und dem Aufstoßen des Tores zur Deutschen Einheit 1990.

Der Aufruf, „Schwerter zu Pflugscharen“ umzuschmieden, hat viel zu tun mit den Kerzen der Friedlichen Revolution. Und diese waren Teil einer gewaltfreien bmitteleuropäischen Revolution, die in direktem Zusammenhang steht mit dem Ende des Kalten Krieges.

Es war eine ganz besondere Erfahrung des Anfangens und des Aufbruchs, an die dieser Preis heute erinnert. Natürlich ist es immer schwierig zu sagen, wo etwas angefangen hat – denn jedes hat seine Vorgeschichte.

Die Kirchen in Deutschland und eben auch in der DDR waren nach dem Zweiten Weltkrieg in der Frage um Krieg und Frieden sehr sensibel und stark engagiert. „Nie wieder Krieg!“ war die allgemeine Lehre aus den Schrecken des Krieges, nur bei manchen am Anfang im Bewusstsein der Schuld des eigenen Volkes. So ging im Westen der Streit um die Wiederbewaffnung und um die Frage der Nuklearwaffen hoch her. Im Osten war es den Kirchen nach der Einführung der Wehrpflicht 1962 gelungen, dass die DDR 1964 als einziges Land im kommunistischen Osten mit den „Bausoldaten“ einen waffenlosen Wehrdienst ermöglichte. Mahatma Gandhi und Martin-Luther King als bewunderte Beispiele gewaltlosen Kampfes für Freiheit, Unabhängigkeit und Menschenrechte standen in der kirchlichen Jugendarbeit hochim Kurs. 1964 war Martin-Luther King sogar nach Ostberlin gekommen und hat in der St. Marienkirche und wegen großen Zulaufs dann auch in der Sophienkirche gepredigt.

Ich hatte die Chance, ihn damals als 12jähriger zu hören. So spielte über die Jahrzehnte die Frage des Wehrdienstes eine wichtige Rolle. Es wurde diskutiert, ob ein Wehrdienst als Friedensdienst anerkannt werden könne, übrigens in Ost und West. Nicht wenige sahen in der Verweigerung das deutlichere Friedenszeichen. Es ist kein Zufall, dass die beiden Protagonisten Harald Bretschneider und Friedrich Schorlemmer in den 60er Jahren den Wehrdienst verweigerten, wie ich 1970 auch selbst.

Machen wir uns kurz die Situation um das Jahr 1980 bewusst: Mit dem Entstehen der „Solidarnosc“ in Polen kam 1980 ein neuer Akteur im Spiel, der uns in der DDR große Hoffnung machte. Wo hatte es das im Kommunismus je gegeben – ein solch wirkmächtiger und unabhängiger gesellschaftlicher Akteur mit einer eigenen Agenda. Die polnische unabhängige Gewerkschaft Solidarnisc wurde 1980 im System des Kalten Krieges und auch der deutschen Ostpolitik ein neuer Faktor – der gerade auch der SED-Führung Angst einjagte. Honecker trat im Ostblock für den Einmarsch und damit ein gewaltsames Ende dieses Aufbruchs ein.

Gleichzeitig versuchte er einen Kurs des außenpolitischen Dialogs, von dem die DDR gerade auch wirtschaftlich profitierte. Innenpolitisch wurde zugleich der Druck erhöht, die Militarisierung der Gesellschaft nahm erheblich zu, an den Schulen wurde 1978 ein Wehrunterricht eingeführt.

Die Sowjetunion hatte Ende der 70er Jahre mit den SS20 ihre atomaren Mittelstreckenwaffen modernisiert und war im Dezember 1979 in Afghanistan eingefallen. Im Westen wurde heftig über eine „Nachrüstung“ von nuklearen Mittelstreckenwaffen diskutiert.

Der Kalte Krieg drohte heiß zu werden. Mit dieser neuen Runde des Wettrüstens drohte die Vorwarnzeit gewaltig abzunehmen, die menschliches Handeln zur Abwendung eines „Krieges aus Versehen“ kaum noch möglich machte. Im Falle eines Krieges würde gerade im Zentrum Europas, also von Deutschland, wenig übrigbleiben.

Und das machte Angst – in West- wie Ostdeutschland. Die Friedensfrage wurde existentiell. Das spürte man gerade auch unter den Jugendlichen in der DDR. Sie wurde heftig diskutiert, und in der DDR insbesondere in den Kirchen. Andere halbwegs öffentliche Orte, wo das möglich gewesen wäre, gab es in der DDR nicht. Auch nach dem Bau der Mauer 1961 waren die Kirchen in Ost und West eng verbunden geblieben, auch institutionell. Das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit war nach wie vor stark – durch den gemeinsamen Glauben, gemeinsame Geschichte und Tradition sowie vielfältige persönliche Verbindungen. Es war eine Verbundenheit, die beide Seiten als existentiell ansahen. Jede Landeskirche, ja, jede Kirchgemeinde in der DDR hatte im Westen Deutschlands eine Partnerkirche bzw. Partnergemeinde – und viele von diesen waren wirklich lebendig… Durch Besuche und persönliche Begegnungen blieb eine Verbundenheit und Kenntnis voneinander erhalten, wo sie sonst in der Gesellschaft auf beiden Seiten eher abnahm.

Zum 40. Jahrestag des Überfalls auf Polen und damit des Beginns des Zweiten Weltkriegs, zu diesem 1. September 1979 hatten die EKD und der Bund ev. Kirchen in der DDR erstmals eine gemeinsame Erklärung zum Frieden veröffentlicht. Jugendmitarbeiter der Kirchen aus Ost un d West erarbeiteten dann 1980 Texte für einen „Bittgottesdienst für den Frieden“.

Hier kommt nun Harald Bretschneider ins Spiel, damals Landesjugendpfarrer in Sachsen. Er brachte in diese Gespräche eine mit Freunden und Vertrauten diskutierte Idee ein: Er schlug vor, eine „Friedensdekade“ einzurichten – 10 Tage Gebete, Gottesdienste und andere Aktivitäten der Kirchen für den Frieden, abschließend mit dem Buß- und Bettag. Gerade dieser Tag, an dem Kirche zur Umkehr ruft aus unseren von Schuld und Zerrüttung geprägten Verhältnissen, eignete sich besonders zum Ruf der Umkehr aus den Irrwegen einer die Welt nur noch mehr gefährdenden Sicherheitspolitik. Motto dieser Friedensdekade solle sein: „Frieden schaffen ohne Waffen – Schwerter zu Pflugscharen“. Damit wurde ein prophetisches Wort der Bibel ins Zentrum gestellt (Jes. 2,4 und Micha 4.3).Der Ideenreichtum ging jedoch noch weiter und wurde ganz praktisch: Auf der Suche nach einem Symbol stieß Harald auf die Plastik des sowjetischen Künstlers Jewgeni Wutschetitsch, die dieser für die Weltausstellung in Brüssel 1958 geschaffen hatte. 1959 schenkte Chruschtschow eine Replik dieser Plastik den Vereinten Nationen – und dort steht sie bis heute. Die Idee war nun, diese Plastik auf einem Lesezeichen abzubilden und den ersten Entwurf machte er gleich selbst.

Die Dresdner Grafikerin Ingeborg Geißler gestaltete aus diesem eine Druckvorlage. Gedruckt wurde dies dann auf Vlies, weil in der DDR bei Textildrucken keine Genehmigung nötig war. Das Material für die Friedensdekade, die seitdem von den deutschen Kirchen in Ost und West begangen wird, wurde in der DDR zu Tausenden gedruckt und verteilt – dazu 100 000 Lesezeichen. Manche Jugendliche nähten sich das Symbol auf die Kleidung – und trugen es so auf die Straßen und in die Öffentlichkeit.

Bei der nächsten Friedensdekade 1981 wurde das Symbol dann in gleicher Größenordnung als Aufnäher gedruckt und erfreute sich großer Beliebtheit und Verbreitung.

Anfangs taten sich die staatlichen Stellen im Umgang mit diesem Symbol schwer –es war ja in der Sowjetunion und in Ungarn sogar auf Briefmarken veröffentlicht worden. Im Schul-Geschichtsbuch der 6. Klasse in der DDR war es auch abgedruckt.

Doch mit dieser Initiative wurde es nun genutzt, um sich gegen staatliche Friedenspolitik zu wenden und eine Abkehr zu fordern – gegen das Wettrüsten und die Stationierung neuer Raketen, gegen Militarisierung der Gesellschaft, gegen das Denken in Freund-Feind-Kategorien. Gewaltlosigkeit und Dialog wurden ins Zentrum gestellt, die Notwendigkeit, die Sicherheitsinteressen der anderen Seite zu berücksichtigen und „gemeinsame Sicherheit“ anzustreben, eine Sicherheit, die nicht gegeneinander er-rüstet, sondern durch Verhandlungen und Abkommen gemeinsame Rechts- und Sicherheitsstrukturen schafft. Die internationale PalmeKommission (benannt nach ihrem Vorsitzenden Olof Palme, dem schwedischen Ministerpräsidenten) tagte unter Beteiligung von Experten aus Ost und West und schlug 1982 der UNO unter dem Titel der gemeinsamen Sicherheit konkrete Abrüstungsschritte vor, die von den Kirchen und der Friedensbewegung sofort aufgegriffen wurden.

Der Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ passte sowohl zu einer solchen alternativen Sicherheitspolitik wie auch zu dem Lebensgefühl und der Grundhaltung vieler Jugendlichen und überhaupt bei wachen Menschen in Ost und West, die sich nicht mit dem System der gegenseitigen Bedrohung abfinden wollten.

Mit der zunehmenden Bekanntheit und Beliebtheit des Aufnähers bei jungen Menschen wuchs zunehmend die Nervosität der staatlichen Stellen, im November 1981 wurde das Tragen dieses Symbols untersagt. Doch ließen sich viele Jugendlichen das Tragen des Aufnähers nicht verbieten – mit der Folge einer regelrechten Hetzjagd auf sie. Polizisten oder Pädagogen schnitten die Aufnäher aus der Kleidung, beschlagnahmten die Symbole oder konfiszierten gleich das ganze Kleidungsstück.

Viele, die den Aufnäher trotz Aufforderung nicht entfernten, wurdenvon der Schule oder Universität verwiesen, ihnen wurde das angestrebte Abitur oder andere Ausbildungen verweigert – die Repression hatte viele Formen. Der Bund der ev. Kirchen protestierte gegen diese Angriffe auf die Jugendlichen und bekannte sich zu dem Symbol, das ein Ausdruck kirchlichen Friedenszeugnisses sei.

Die Bundessynode der evangelischen Kirchen beschloss im September 1982: Wir halten an dem Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“ als Zeichen der Friedensdekade fest. Aber wir verzichten ´um des Friedens willen´ auf den Druck weiterer Aufnäher.“ Naja, das hat uns damals nicht überzeugt, war aber typisch für diese Zeit. Gleichzeitig jedoch konnten sich unter Druck geratene Jugendliche auf den Beistand der Kirche verlassen.

 Ich erinnere mich an Bischof Gottfried Forck in Berlin, der auch weiterhin das Symbol auf seiner Aktentasche trug. Weit über die DDR hinaus bekannt wurde das Symbol und der unabhängige Friedenswille der Kirchen und der Jugendlichen durch die von Friedrich Schorlemmer initiierte Aktion während des Kirchentages in Wittenberg im September 1983.

Friedrich Schorlemmer, heute allgemein bekannt als begnadeter Redner und Publizist, über drei Jahrzehnte auch nach 1990 ein streitbarer öffentlicher Intellektueller und vielfach geehrt, war damals Dozent am Predigerseminar in Wittenberg und in vielfältiger Weise engagiert in der kirchlichen Friedensarbeit. Unter dem Motto „Vertrauen wagen“ fanden in diesem Jahr in der DDR sieben Kirchentage statt, jeder von ihnen eigenständig vorbereitet. Friedrich war in die Vorbereitung in Wittenberg involviert und brachte die Idee ein, das Umschmieden eines Schwertes auf dem Hof des Lutherhauses öffentlich als Symbolhandlung zu vollziehen. Zum Friedenskreis „Frieden 83“ gehörte auch der praktizierende Schmied Stefan Nau, der sich trotz des hohen Risikos mutig dazu bereit erklärte, dieses Umschmieden als Aktion zu übernehmen. Und so geschah es – die ARD übertrug das Ganze und trug so die Botschaft in die breite Öffentlichkeit, im Westen, international und eben auch zurück in die DDR – denn die meisten DDR-Bürger sahen damals das Westfernsehen.

Die SED verstand dies als Kampfansage. Der Begriff des feindlich-negativen „Pazifisten“ wurde zu einem Feindbegriff, um Staatsfeinde zu charakterisieren bzw. sie als solche zu klassifizieren. Über die sicherheitspolitische Dimension hinaus rückte die Friedensfrage ins Zentrum oppositioneller Aktivitäten. Seit Anfang der 80er Jahre begannen sich die vielerorts entstehenden „Friedensgruppen“ zu vernetzen, den Kontakt untereinander aufzunehmen, in Diskurs miteinander zu kommen und Zusammenarbeit zu suchen. So sprach man insbesondere in westlichen Medien und dann auch im Osten selbst zunehmend von einer „unabhängigen Friedensbewegung Schwerter zu Pflugscharen“, die zu einem Nährboden der Opposition wurde.

Oft liest man, dass die Opposition in der DDR sich unter dem Dach der Kirche zusammenfand. Diese Formulierung finde ich immer etwas merkwürdig, hört es sich doch so an, als hätte es eine Opposition in der DDR gegeben, die sich dann aus praktikablen Gründen in der Kirche zusammenfand. Schon das bisher Gesagte macht jedoch deutlich, dass dies mitnichten so war.

Im Gegenteil!

Die evangelischen Kirchen in der DDR waren – nicht nur, aber gerade in der Friedensfrage und immer mehr auch in anderen gesellschaftspolitischen Herausforderungen – ein eigenständiger und offener Diskursraum, den es sonst im Lande nicht gab. Die Initiative für die Debatten und Aktionen kamen zumeist von engagierten Christen in den Kirchen – und das übrigens auf allen Ebenen, vom Bischof, Gemeinde- oder Jugendpfarrer, vom Diakon oder Studienleiter bis hin zu ganz normalen engagierten Jugendlichen oder anderen Gemeindegliedern. Diese hatten auch untereinander oft verschiedene Positionen, diskutierten sie aber im offenen Dialog und öffneten sich gleichzeitig in die Gesellschaft hinein. So wurden die Kirchen zu einem Anziehungsraum für andere freie und kritische Geister im Lande.

1988/89 gab es dann – angeregt durch die Ökumene, also weltweit organisierte Kirchenorganisationen – einen von allen christlichen Kirchen in der DDR unternommenen Versuch, angesichts der globalen Herausforderungen von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (also der Umwelt- und Klimafrage) zu gemeinsamen Forderungen und Positionen zu kommen. Auch in diesem (sogenannten konziliaren) Prozess waren unsere Preisträger mit großem Engagement beteiligt. In einem zentralen Text dieser „Ökumenischen Versammlung“

1989 wurde – im Geist der Botschaft „Schwerter zu Pflugscharen“ dazu aufgerufen, gewaltlosen Konfliktlösungen immer den Vorzug zu geben (Option für die Gewaltlosigkeit). Viele, die im Herbst 1989 neue, demokratische Bewegungen und Parteien gründeten, hatten vorher an dieser Ökumenischen Versammlung teilgenommen und manche programmatische Forderung dieser neuen Initiativen waren dort schon formuliert worden.

Für die Friedliche Revolution in der DDR vor 35 Jahren wurden Kerzen zu ihrem Symbol – und hier gibt es in der klaren Entscheidung zur Gewaltlosigkeit einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ Anfang der 80er Jahre. Was in der DDR 1989 geschah, stand nun aber in engem Zusammenhang mit dem, was bei den Nachbarn Polen und Ungarn und dann in der Tschechoslowakei geschah – die Friedliche Revolution war im Grunde Teil einer mitteleuropäischen Revolution. In der CSSR sprach man etwa von der „Samtenen Revolution“. Diese Länder nutzten die Räume zur Veränderung, die Gorbatschow eröffnet hatte, als er deutlich machte, dass nicht wieder Panzer aus Moskau rollen würden (s. seine Rede vor der UNO im Dezember 1988).

Polen prägte mit dem „Runden Tisch“ schon Anfang des Jahres 1989 gewissermaßen das Modell des Umbruchs. Diese – ganz wesentlich von Tadeusz Mazowiecki und Bronislaw Geremek geprägte – auf Verhandlungen basierende Strategie des Wandels setzte ebenfalls klar auf Gewaltlosigkeit.

Dass der Sieg von Freiheit und Demokratie in Mitteleuropa gewaltfrei möglich war, erfüllt auch im Nachhinein noch mit großer Freude und Dankbarkeit. Und auch der Zusammenbruch der Sowjetunion verlief schließlich ganz weitgehend ohne großen Blutzoll (obwohl wir die militärischen Konflikte in Litauen, Georgien und um Bergkarabach nicht vergessen dürfen!).

In der „Charta von Paris“ im November 1990 schien der Weg zu einer demokratischen und friedlichen Entwicklung für ganz Europa vorgezeichnet. Wir wissen, es kam dann anders. Erst im Irak, dann auf dem Balkan – und weltweit.

In der Frage, ob und in welcher Weise sich Deutschland auch militärisch an der Eindämmung internationaler Konflikte beteiligen sollte, wurde im geeintenDeutschland heftig diskutiert. Die Positionen verliefen nicht entlang der alten Grenze zwischen Ost und West. Auch zwischen den Protagonisten der Bewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ gab es erhebliche Meinungsunterschiede und so zerbrach dann manche Gemeinschaft, die es im gemeinsamen gewaltfreien Kampf für Demokratie und die Ermöglichung freier Verantwortungswahrnahme in den 80er Jahren gegeben hatte. Die von der UNO ins Spiel gebrachte „responsibility to protect“, also die Schutzverantwortung der internationalen Staatengemeinschaft, wurde und wird bis heute sehr unterschiedlich beurteilt.

Auch zur Russlandpolitik Deutschlands gab es in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend Differenzen. Dies ist insbesondere jetzt der Fall – nach dem nun schon zwei Jahre währenden brutalen russischen Krieg gegen die Ukraine und der sogenannten „Zeitenwende“ in Deutschland.

Ich gehöre nun zu denen, die davon überzeugt sind, dass wir der überfallenen Ukraine mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln helfen müssen, sich zu verteidigen, auch mit weitreichenden Raketen, mit Flugzeugen und allem, was es braucht, die russische Lufthoheit zu beenden. Es gilt zu verhindern, dass das ganze Land zerbombt und die wirtschaftliche Infrastruktur funktionsunfähig gemacht wird.

Hier gibt es m.E. keine gewaltfreien Wege, die Zerstörung der Ukraine und eben auch der auf internationalem Recht basierenden internationalen Ordnung zu verhindern.

Leider ist Gewaltlosigkeit nicht das Wundermittel für alle Konflikte. Der angestrebte Frieden darf nicht das auf Unterwerfung basierende Schweigen der Waffen sein. Frieden ist auch in der biblischen Botschaft mit Gerechtigkeit verbunden – also mit der Ermöglichung, das Leben in Würde und in Anerkennung der Menschenrechte zu führen.

Das heißt jedoch nicht, dass Gewaltlosigkeit heute passé wäre. Auch heute gibt es m.E. viele Bereiche für gewaltfreie Aktion. Man stelle sich nur einmal vor, wenn Palästinenser nicht wie die Hamas mit Terror und Mord auf die hoch problematische Politik Israels reagieren würden, sondern mit massenhaftem gewaltfreiem Protest wie ein Mahatma Gandhi…

Die Friedliche Revolution ist kein Modell, das woanders einfach angewandt werden könnte. Dabei bleibt jedoch für alles politische Handeln die Vorrangigkeit gewaltloser Mittel – und hier ist auch strategisch und konzeptionell noch viel zu tun. Ich kann das hier nicht ausführen.

Im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine möchte ich betonen, dass nach meiner Überzeugung auch der Einsatz militärischer Gewalt zum Schutz vor Leben zerstörenden Übergriffen und zur Durchsetzung von Recht nicht nur gerechtfertigt ist, sondern auch erforderlich. Ich glaube sogar, dass Deutschland und Europa hier noch mehr tun können und sollten, und vor allem konzeptioneller und schneller.

Gleichzeitig darf es nicht bei militärischen Anstrengungen bleiben. Unsere Solidarität braucht einen weit umfassenderen Ansatz und auch viel mehr Prävention vor künftigen Gefahren.

Das sind wir dann jedoch Themen, die hier nicht mehr in diese Laudatio gehören. Zentral ist hier: Damals, 1980 beim Entstehen der Bewegung „Schwerter zu Pflugscharen“, dann 1989/91 und schließlich heute gilt die damals entwickelte Zielstellung eines „gerechten Friedens“, eines auf Recht gegründeten und Leben in seiner Würde erhaltenden Friedens. So, wie es das Psalmwort sagt (Ps. 85,11):

„Daß Gerechtigkeit und Friede sich küssen.“

Damit sind wir wieder bei diesem wunderbaren Emblem am Eingang dieses Schlosses, das diesen Friedenskuss darstellt und mit den Worten versieht: „Friede ernehrt, Unfriede verzehret“ (Friede ernährt – Unfriede verzehrt)

Meine Damen und Herren,

mit dem heute verliehenen Preis wird eine gewaltfreie Bewegung in der DDR geehrt, die viel bewirkt hat und in welcher gerade junge Menschen viel Risiko und Leid auf sich genommen haben, um für ihre Überzeugungen und für eine lebenswerte Zukunft einzustehen. Harald Bretschneider und Friedrich Schorlemmer, die großen Anteil an dieser Bewegung und an ihrem Erfolg hatten, sei von Herzen gedankt!

Ich danke Ihnen!

Quelle: Website Markus Meckel

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Infos zu Markus Meckel

Exclusiv Fotosession in Berlin Januar 2019 – Portraits – mit Markus Meckel

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