Badische Noten in Spandau

Denkmal in Schwetzingen

Berlin. Der Kampf gegen rechte Gewalt verbindet, auch über Landesgrenzen hinweg. Der Weg führt aus dem badischen Schwetzingen auch nach Spandau.

Von Frank Bürger

„In Schwetzingen begann das Erinnern an die jüdische Gemeinde und deren Schicksal während des Naziregimes 1933 bis 1945 im Jahr 1976 bei einem Schulprojekt am Hebel-Gymnasium unter der Leitung des damaligen Religionslehrers Albrecht Lohrbächer. Auf Spurensuche nach jüdischem Leben nahmen die Schüler Kontakte zu den Überlebenden des Holocausts auf. Ihre Zeitzeugenberichte mündeten in eine Dokumentation zur Geschichte der Schwetzinger Juden. Darüber hinaus wurde am 12. November 1978 zum 40. Jahrestag der Reichspogromnacht der erste Gedenkstein am Eingang zum nördlichen Zirkelgebäude, das von 1911 bis 1933 teilweise als Synagoge diente, feierlich enthüllt.

Der zweite Stein der Gedenkstätte, die in Granit gemeißelte Thorarolle des jungen Steinmetzen Dennis Kolb, entstand 2005 im Rahmen des landesweiten ökumenischen Jugendprojektes „Mahnmal“ zur Erinnerung an die Deportation der badischen Juden ins Internierungslager Gurs am 22. Oktober 1940. Beide Steine wurden nach dem Entwurf von Stadtbaumeister Mathias Welle in Zusammenarbeit mit dem Land Baden-Württemberg zu einer jüdischen Gedenkstätte vereint und am 1. April 2006 in Anwesenheit ehemaliger jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger offiziell übergeben“, ist es auf einer Tafel in der Nähe des Amtsgerichts zu lesen.

Der Weg nach Spandau ist nicht weit. Am 21. April setzt die Weihnachtskirchengemeinde deutlich Zeichen gegen rechte Gewalt

In Schwetzingen, wie gelesen, hat sich Albrecht Lohrbächer, mein früherer Religionslehrer, in diesem Bereich engagiert

Alles begann 1978 in Schwetzingen, als Albrecht Lohrbächer, der als Lehrer am Hebel-Gymnasium arbeitete, Ruth Gogol (geborene Bermann) anlässlich der Einladung ehemaliger jüdischer Mitbürger in deren ehemalige Heimatstadt Schwetzingen kennenlernte. Sie kam damals aus der israelischen Stadt Ramat Gan in die Kurpfalz und erzählte ihm von ihrem Mann, Schmuel Gogol, der Auschwitz überlebt hatte.

Albrecht Lohrbächer erinnert sich an das Gespräch: „Er, so erzählte Ruth Gogol, habe in Ramat Gan – die Stadt kannte ich bis dato gar nicht – ein Mundharmonika-Kinderorchester ins Leben gerufen, das wohl einzigartig in der Welt sei. 1981 lernte ich dann Schmuel in Israel kennen und ganz schnell auch sein wirklich einzigartiges Orchester, das auf unterschiedlich gestimmten Mundharmonikas klassische Melodien und gleichermaßen Folklore spielt. Diese Begegnungen waren für mein Leben und das meiner Familie von da an prägend“, so Lohrbächer.

Das Orchester besuchte Deutschland zu drei Konzertreisen in den Jahren 1983, 1988 und 1990. „Als Schuldekan wollte ich auch ermöglichen, dass junge Menschen aus den beiden Ländern sich regelmäßig begegnen können. Darum begann neben der bis heute intensiven Beziehung zu den Musikern 1986 ein Schüleraustausch zwischen Weinheim und Ramat Gan. Dieser Austausch geht jetzt ins 32. Jahr. Er hat nicht nur jeweils vierwöchige Begegnungen während des Austauschs zur Folge gehabt, sondern über viele Jahre bestehende Freundschaften zwischen beteiligten Familien. Dass diese Kontakte schließlich 1999 in eine lebendige Städtepartnerschaft zwischen der Großstadt Ramat Gan und der Kleinstadt Weinheim mündeten, war nur folgerichtig. Die Beziehungen der jungen Menschen beider Länder gehören zu den Fundamenten der deutsch-israelischen Beziehungen“, sagt Lohrbächer.

Doch das ist längst nicht die einzige Errungenschaft seines Wirkens. Hier kann man nur einige Schlaglichter erwähnen, wie sein Wirken für den christlich-jüdischen Dialog, das er mit Publikationen untermauerte, und seine akademisch-praktische Auseinandersetzung mit der Schoa und „Erinnern, Lernen, Gedenken“ wie es im Untertitel des von ihm 1999 herausgegebenen Buches heißt. Doch wer Lohrbächer kennt, der weiß, dass er sich in Deutschland rund um das Thema Flüchtlinge und Integration im Arbeitskreis Asyl verdient macht und dafür mit seinen Mit-Aktivisten erst kürzlich mit dem Rolf-Engelbrecht-Preis für Integration ausgezeichnet wurde.

Aus meiner Sicht als Deutsch-Israelin und als Politologin kommen weiteren Initiativen Lohrbächers herausragende Bedeutung zu. Wann immer er Israel in den Medien falsch porträtiert sieht oder blinde Feindseligkeit zum Tragen kommt, die sich als Anti-Zionismus ausgibt, jedoch ein in ein neues Gewand gekleideter tradierter Antisemitismus ist, so meldet er sich zu Wort, schreibt und argumentiert, verschafft sich Gehör, protestiert, klärt und deckt auf. Gerade in diesen Zeiten braucht es nicht nur Israel, sondern auch in Deutschland mutige Stimmen wie diese, die sich unerschrocken in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen, Fakten aufarbeiten und nicht müde werden, mit Feingefühl und Respekt, Missstände in Worte zu fassen.

Doch Lohrbächer treibt seit 13 Jahren ein weiteres Unterfangen um, an das er sich mit viel Akribie und Herzensblut macht und es so ausführt, als sei es nebenbei gemacht: Jedes Jahr im Frühjahr reist er mit einer Medienvertreter-Delegation von Presse, Rundfunk und TV nach Israel. Er möchte aufzeigen, dass Israel ein sehr facettenreiches Land ist. Immer wieder zeigt sich, dass selbst Medienvertreter, die aufgrund ihres Berufes sehr viel mehr Ein- und Durchblick haben müssten, auf den von Lohrbächer zu verschiedenen Themeneinheiten konzipierten Reisen tagtäglich Neues erfahren und bedeutsame Begegnungen machen, die weit verbreitete Israel-Bilder zumindest in Frage stellen, wenn nicht sogar ins Wanken bringen, auch bezüglich Minderheiten, Religionen, Ethnien, Technologie, Armee und Wirtschaft. Albrecht Lohrbächer schafft es, ein Stück Herzensbildung weiterzugeben.

(Quelle: Schwetzinger Zeitung)

Gemeinsam mit Hartmut Ruppel veröffentlichte Lorbächer Schriften zum Verhältnis von Juden und Christen. Ruppel arbeitet auch eng mit Pfarrer i. R. Dr. Lorenz Wilkens zusammen. Er war zu Gast bei der Feier des 80. Geburtstages von Wilkens im Gemeindesaal der Weihnachtskirche.

Lorenz Wilkens und Frank Bürger bei der Geburtstagsfeier

Ruppel und Wilkens konzipierten gemeinsam eine Ausstellung zu Martin Luther und die Juden, die in der Evangelischen Siemensstadtgemeinde und der Weihnachtskirche Spandau zu sehen war.

In der Spandauer Christophoruskirche war 2020 die Ausstellung zu sehen, die das Thema Antisemitismus von vielen Seiten fokussiert. Ausgangspunkt ist Martin Luther und sein Verhältnis zu Judentum, aber auch das Dritte Reich kommt in Bild und Wort ausführlich zur Sprache.

Eine dazugehörige Ausstellung in der Festspielstadt Bayreuth unterstreicht die Bedeutung dieser Aussage.

Hier nun der Link zu Materialien, bei denen Lohrbächer, Ruppel und Wilkens 2020 zusammenwirkten

Die Weihnachtskirche wird nach derzeitigem Stand Initiator einer weiteren Ausstellung. „Von christlicher Juedenfeindschaft“ soll voraussichtlich im Juli und August in Spandau gastieren. Die Vorbereitung trifft Pfarrer Oskar Hoffmann mit Pfarrer i. R. Klaus Will, der auch in der Weihnachtskirche predigt.

Bischof Christian Stäblein: „Judenfeindschaft und antijüdische Generalverdachte waren auf schreckliche Weise Bestandteil christlicher Theologie und kirchlichen Handelns. Sie sind noch immer nicht vollständig überwunden. So gilt es weiter, die Quellen antijüdischer Vorurteile in unserer Tradition zu erkennen, aufzudecken und nachhaltig zu bekämpfen. Dazu leistet die Wanderausstellung ‚Von christlicher Judenfeindschaft‘ einen wichtigen Beitrag. Sie dokumentiert ungeschönt und in erstmalig gezeigter Systematik christliche Muster antijüdischer Generalverdachte, wie sie entstanden und laufend weiterwirkten.“

Die Ausstellung umfasst alle Jahrhunderte seit Entstehung des Christentums und zeigt anhand von wiederkehrenden Motiven und Verschwörungserzählungen wie dem angeblichen Hostienfrevel, Ritualmord, Brunnenvergiften oder Wucher die Absurdität und Grausamkeit christlichen Judenhasses auf.

Konzipiert wurde die Ausstellung von der Expertengruppe unter der Leitung von Pfarrerin Marion Gardei, Beauftragte der EKBO für Erinnerungskultur und gegen Antisemitismus, unter Mitwirkung von Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama und der ehemaligen Präses der EKD und Staatsministerin a.D. Dr. Irmgard Schwaetzer. Kuratiert wurde die Ausstellung von dem Historiker Dr. Bodo Baumunk, die graphische Umsetzung gestaltete Sabine Klopfleisch. Gefördert wurde die Ausstellung über den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Dr. Felix Klein, vom Bundesministerium des Inneren.

Die Schau ist als Wanderausstellung gedacht und nach ihrer Eröffnung sechs Wochen in der Sophienkirche zu sehen, danach kann sie von Kirchengemeinden, Schulen und anderen öffentlichen Institutionen ausgeliehen werden. Ansprechpartnerin ist Marion Gardei, marion.gardei(at)gemeinsam.ekbo.de.

(Quelle: Ekbo)

Impressionen Auschwitz 2009

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