
Schwetzingen. Das Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker mit dem Startenor Jonas Kaufmann und Chefdirigent Kirill Petrenko wird in vielen Kinos übertragen. Wir erleben es an interessanter Stätte fernab der Philharmonie: Limburgerhof.
Von Frank Bürger
Der Bass Georg Zeppenfeld kann heute beim Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker nicht mitwirken. Der Sänger habe seine Auftritte aus gesundheitlichen Gründen abgesagt, teilte das Orchester am Samstag mit. Tobias Kehrer übernehme am Abend und am Sonntagnachmittag die Partie des Hunding in der konzertanten Aufführung des ersten Aktes der Wagner-Oper „Die Walküre“.
Der gebürtige Dessauer gibt damit sein Debüt bei den Berliner Philharmonikern. Das Orchester danke Kehrer für sein kurzfristiges Einspringen und wünsche Zeppenfeld eine baldige Genesung.
Bei den Konzerten zum Jahreswechsel interpretiert Chefdirigent Kirill Petrenko Werke von Richard Wagner. Die Abende beginnen mit der Ouvertüre und der ersten Szene (Der Venusberg) aus „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg“. Es folgt der erste Akt aus der „Walküre“ mit Jonas Kaufmann als Siegmund und Vida Miknevičiūtė als Sieglinde sowie nunmehr Kehrer als Hunding.
Im Porträt: Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker
Berliner Philharmoniker über Kirill Petrenko
Seit der Saison 2019/20 ist Kirill Petrenko Chefdirigent und künstlerischer Leiter der Berliner Philharmoniker. Ein Porträt
Meiningen, München, Berlin – drei Orte, mit denen Kirill Petrenko in seiner bisherigen Laufbahn als Dirigent besonders eng verbunden ist: die kleine thüringische Residenzstadt, in der er 2001 Wagners Ring des Nibelungen an vier aufeinanderfolgenden Abenden zur Premiere brachte; die bayerische Metropole, deren renommierter Staatsoper er neue Höhenflüge bescherte; und die deutsche Hauptstadt, in die er – nach fünfjähriger Amtszeit als Generalmusikdirektor der Komischen Oper (2002–2007) – nun wiederkehrt, um die künstlerische Leitung der Berliner Philharmoniker zu übernehmen.
»Geboren und aufgewachsen bin ich in Omsk, einer Stadt in Sibirien, die von Waffenindustrie und Petrochemie lebte – deswegen war sie auch für Ausländer tabu, eine ›geschlossene Stadt‹. Die Chemie war nicht sehr gesund, aber es gab auch viel Grün in der Stadt. Nur nicht im Winter, da herrschte klirrende Kälte. Manchmal fiel deshalb die Schule aus: Die Kleineren durften ab minus 34 Grad zu Hause bleiben, die Großen mussten noch bis minus 38 Grad frieren.«
Als Kind einer Musikerfamilie – der Vater Konzertmeister, die Mutter Dramaturgin – stand für Kirill Petrenko quasi von Geburt an fest, dass auch er Musiker, ja Dirigent werden sollte und bereit war, alles zu tun, damit sich seine bald erweisende Begabung entfalten könne. Von Omsk ging es (mit gerade 18 Jahren) nach Feldkirch, vom dortigen Konservatorium an die Musikuniversität in Wien, vom Abschlusskonzert direkt als Repetitor und Kapellmeister an die Wiener Volksoper. Dann kam, 1999, der Ruf als Generalmusikdirektor ans traditionsreiche Meininger Theater und damit auf Jahre hinaus zunächst eine Laufbahn als Operndirigent. In drei Städten war Kirill Petrenko musikalischer Leiter von Opernhäusern, das Musiktheater stand bislang unzweifelhaft im Zentrum seines Wirkens – obwohl sein Berufswunsch anfangs eigentlich der Symphonik gegolten hatte. Doch der Fachwechsel innerhalb des Metiers war ein Zufall, der sich als Glücksfall erwies.
»Meine Meininger Zeit ist die Basis für meine ganze darauffolgende Karriere gewesen. Es waren unschätzbare Lehrjahre. Etwas Besseres kann einem Dirigenten nicht passieren, und ich wünsche jedem jungen Kollegen, auf diese Weise Erfahrung sammeln und sich ein Fundament schaffen zu können. Ich habe sehr viel Glück gehabt, dass ich in Meiningen beginnen durfte.«
Geschichtenerzähler mit Tönen
Sein ursprüngliches Ziel hat er dabei nie aus den Augen verloren. Viele symphonische Programme an den eigenen Theatern und stetes Gastieren bei immer prominenteren Orchestern sorgten dafür, dass neben dem Opern- auch das Konzertrepertoire zur Geltung kam. Mehr noch: Die Erfahrung mit szenischer Musik wurde zu einem integralen Bestandteil von Kirill Petrenkos Musizieren, sie beeinflusst seine Interpretation auch von wort- und programmlosen Werken und macht ihn zu einem Geschichtenerzähler mit Tönen:
»Weil auch die Entstehung eines Gefühls immer mit einer Geschichte verbunden ist. Wir können uns nicht vom Umfeld lösen und uns rein musikalisch mit Klängen beschäftigen. Es gibt einfach historisch und sozial Verbindungen, die in die Musik einfließen und die man wieder hervorholen muss, wenn man sie interpretiert.«
Meiningen, München, Berlin: Schon durch Weg und Wirken Hans von Bülows (1830–1894) haben diese drei Orte eine enge Beziehung zueinander. Der vormalige Münchner Hofkapellmeister hat mit einem Gastspiel seines Meininger Orchesters die Musiker der Bilse’schen Kapelle zur Gründung des Berliner Philharmonischen Orchesters inspiriert und wurde später zu ihrem ersten Chefdirigenten berufen. Durch Kirill Petrenko wird dieses Geflecht mit einem weiteren Faden verdichtet.
Homepage der Berliner Philharmonie
Auch der einstige Heidelberger Sänger Georg Ueltzhöffer hatte ein Gastengagement am Theater Meiningen. Auf Einladung des langjährigen Berliner Chordirektors Walter Hagenkroll sollte er 1957 nach Berlin folgen, auf den Spuren Herbert von Karajans. Aber diesem Ruf folgte er nicht. Auch deshalb ist die Verbindung zur deutschen Oper groß.


Auch Startenor Jonas Kaufmann hegt eine Liebe zu Richard Wagner
Nach seinem triumphalen Bühnenerfolg als Siegmund und Lohengrin singt Jonas Kaufmann Auszüge aus drei neuen Wagner-Rollen und zwei Raritäten: die Urfassung der Gralserzählung und die von Tenören höchst selten gesungenen Wesendonck-Lieder.
Derzeit an stimmlichen, darstellerischen und an optischen Voraussetzungen konkurrenzlos, begann der Münchener Tenor Jonas Kaufmann vor einigen Jahren damit, sich das Wagnerfach sich peu à peu anzueignen und zu erobern. Kaufmann stieß in ein Terrain vor, das noch immer von Sängern dominiert wird, die – wenngleich stimmlich durchaus respektabel – nicht über Kaufmanns bezwingende Virilität in Timbre, Stamina und Bühnenpräsenz verfügen. Kaufmann ist es gelungen, den Typus des Wagnertenors wieder zur stimmlichen und optischen Identifikationsfigur zu machen und sich in dieser Hinsicht als legitimer Nachfolger von Peter Hofmann zu präsentieren.
Auf seinem neuen Album mit Arien aus Die Walküre, Siegfried, Rienzi, Tannhäuser, Die Meistersänger von Nürnberg und Lohengrin präsentiert er die ganze Bandbreite seines sängerischen Könnens.
“Jonas Kaufmann singt in einer Klasse, von der andere Wagner-Tenöre nur träumen können.” (Stereoplay)“
Quelle: Klassikakzente
Auch der Ort ist gut gewählt. Limburgerhof ist eine verbandsfreie Gemeinde im Rhein-Pfalz-Kreis in der Metropolregion Rhein-Neckar und ist überregional bekannt durch das BASF-Agrarzentrum Limburgerhof. Limburgerhof ist eine verbandsfreie Gemeinde im Rhein-Pfalz-Kreis in der Metropolregion Rhein-Neckar und ist überregional bekannt durch das BASF-Agrarzentrum Limburgerhof. Das BASF-Agrarzentrum Limburgerhof wurde im Jahr 1914 von dem Chemiker und Industriellen Carl Bosch gegründet. Die Versuchsarbeit begann im Frühjahr 1914 mit vier Mitarbeitern, im Jahr 2010 sind es 1500 Mitarbeiter.
Die Tschira-Stiftung hat ihren Hauptsitz in der Villa Bosch in Heidelberg. Das repräsentative Landhaus samt Nebengebäuden wurde 1921–1922 im Auftrag des Ludwigshafener Chemie-Unternehmens BASF für ihren Vorstandsvorsitzenden, den Chemiker und Nobelpreisträger Carl Bosch, erbaut.
Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Villa Bosch zunächst den US-amerikanischen Streitkräften als Unterkunft für hochrangige Militärs. Für eine kurze Zeit residierte hier auch General Dwight D. Eisenhower als Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone. Später diente sie einige Jahre einem Heidelberger Unternehmen als Sitz.
1967 übernahm der Süddeutsche Rundfunk (SDR) die Villa, um hier sein Studio Heidelberg-Mannheim einzurichten. 1994 entschied sich der SDR zum Verkauf der Villa. Neuer Besitzer wurde Klaus Tschira, der das Gebäude als Sitz für seine geplante Stiftung nutzen wollte und dafür zahlreiche Restaurierungs-, Renovierungs- und Modernisierungs-Arbeiten vornehmen ließ. Letztendlich erstand die Villa Bosch zur Jahresmitte 1997 im historischen Erscheinungsbild wieder, gleichzeitig mit hoch moderner Infrastruktur. Seither ist sie Sitz der Klaus Tschira Stiftung gGmbH (KTS).
Und von da aus ist der Weg nach Schwetzingen nicht weit
Der Autor des Textes war Stipendiat des Richard Wagner-Verbandes Heidelberg. In seinem Buch über das Kloster Götschendorf, das im Januar 2023 erschien, spielt Russland, Richard Wagner und der Lebensweg eine wichtige Rolle. Dabei ist ihm in der Festspielstadt auch die Person Albert Schweitzer begegnet. Dazu gibt es am 5. Februar 2024 um 15 Uhr im Lutherhaus der Gemeinde einen Vortrag

