Warum zerbricht der Gral ?

Kelch der Doña Urraca, Basilika San Isidoro, León

Berlin. Der Besuch bei den Bayreuther Festspielen wirft eine große Frage auf. In der Inszenierung des Parsifal zerbricht am Ende der Gral. Das lässt natürlich Fragen offen.  

Von Frank Bürger

Die Frage von BR Klassik an Regisseur Jay Scheib ist zu Beginn eines Interviews klar:

Wer ist der Gral?

Jay Scheib: (lacht) Wer ist der Gral, wer ist der Gral, so fragte Parsifal. Für uns hat der Gral damit zu tun, dass man ein Problem hat und überall nach der Lösung sucht, bis man schließlich verstehen muss: Ich bin selbst das Problem. Man selbst ist Teil des Problems, das man zu lösen versucht. Bei den großen Klimaproblemen beispielsweise gibt es verschiedene Lösungen, wie die Elektromobilität, die aber wiederum andere Probleme hervorrufen. Zum Beispiel der Kobaltabbau in Afrika, der für die Herstellung von Batterien essentiell ist, aber unter schrecklichen ausbeuterischen Arbeitsbedingungen stattfindet. Elektroautos scheinen eine gute Lösung für unser Klimaproblem zu sein, aber das hat zugleich auch seinen Preis.

Und am Ende der Inszenierung zerbricht Parsifal den Gral. Er geht in 1000 Stücke.

Parsifal zerschlägt den Heiligen Gral, „Zauberweib“ Kundry lebt weiter, Erlösung gibt’s aber am Ende des Bayreuther „Parsifal“ am Ende doch für den Helden und Gralskönig Amfortas. Die Inszenierung von Richard Wagners Bühnenweihfestspiel bietet Bewährtes und Neues.

Die Handlung:

Der Gralskönig Amfortas hat im Kampf gegen den abtrünnigen Ritter Klingsor, der trotz seines Verlangens nach Heiligkeit nicht fähig war, ein reines Leben zu führen und sich deshalb selbst entmannte und eine Zauberburg geschaffen hat, den heiligen Speer verloren, als er sich von der dämonischen Kundry verführen ließ. Klingsor hat Amfortas mit dem Speer eine niemals heilende Wunde geschlagen; nun sucht Kundry, die sich in Klingsors Gewalt befindet, ihre Schuld zu sühnen, indem sie Amfortas heimlich lindernde Kräuter und Tränke bringt.

ERSTER AUFZUG

Im Wald bei der Gralsburg, unweit des heiligen Sees, hält sich der alte Gralsritter Gurnemanz mit einigen Knappen auf und befiehlt ihnen, das Bad für den kranken König zu bereiten. Nach seinem Morgengebet erscheint Kundry und bringt Heilkräuter aus fernen Ländern. In traurigem Zug wird Amfortas herbeigetragen; seinen Dank weist Kundry zurück. Nach dem Bad des Königs erzählt Gurnemanz den Knappen die Geschichte vom ersten Gralskönig Titurel und dessen Sohn Amfortas . Eine Hoffnung ist für Amfortas geblieben: Seine Wunde kann durch die Berührung des heiligen Speers geheilt werden; aber nur ein durch Mitleid wissender reiner Tor kann ihn zurückbringen. Plötzlich wird die Stille des Waldes gestört. Ein tödlich getroffener Schwan fällt zu Boden, die Ritter bringen den Schuldigen, einen fremden Jüngling, zu Gurnemanz, der ihm die Frevelhaftigkeit seines sinnlosen Handelns vorhält. Beim Anblick des toten Tieres zerbricht der Jüngling in einer plötzlichen Aufwallung der Gefühle seinen Bogen. Er weiß nichts von seiner Herkunft, kennt nicht seinen Namen, weiß nur, dass seine Mutter, der er weggelaufen ist, Herzeleide genannt wurde. Kundry hat zugehört; sie kennt seine Herkunft und sagt ihm hart, dass seine Mutter tot sei, worauf er sie wild an der Kehle packt. Gurnemanz kann ihn beruhigen. Er hält ihn für den verheißenen reinen Toren und führt ihn in die Gralsburg, wo er Zeuge des Liebesmahles der Bruderschaft der Gralsritter und der furchtbaren Klage des leidenden Amfortas wird, der sich weigert, Titurels Bitte um Enthüllung des lebensspendenden Grals, der Schale mit dem Blut des Erlösers, nachzukommen . Doch Titurels Befehl muss erfüllt werden; alle sinken in die Knie, während der geheimnisvolle Gral in seltsamem Licht erglüht. Der Jüngling fühlt, dass hier etwas Unfassbares vorgeht, doch schweigend verweilt er bei der heiligen Handlung; sein Mitleid ist nicht zur Tat geworden. Enttäuscht jagt Gurnemanz ihn hinaus. Aus der Kuppel des Raumes tönt eine Stimme: Durch Mitleid wissend, der reine Tor.

ZWEITER AUFZUG

Auf seiner Zauberburg sieht Klingsor den von langer Wanderschaft kommenden Jüngling herannahen. Auf sein Geheiß erwacht Kundry mit einem furchtbaren Schrei aus todesähnlichem Schlaf; Klingsor zwingt sie, den Jüngling zu umgarnen und zu vernichten. Ein zauberhafter Garten entsteht; verführerische Mädchen umdrängen den staunenden Jüngling. Dann erscheint Kundry, die ihn mit seinem richtigen Namen Parsifal anspricht und vom Sterben seiner Mutter erzählt. In zauberhafter Schönheit nähert sie sich dem von der Erzählung bewegten Jüngling. Bei ihrem Kuss aber erwacht Parsifal zu plötzlichem Wissen; das Bild des leidenden Amfortas ersteht vor seinem inneren Auge. Er stößt Kundry von sich; ihre Verlockungen können ihn nicht mehr bewegen, er wird sich seiner Sendung bewusst. In ihrer Verzweiflung ruft Kundry Klingsor herbei, der den heiligen Speer nach Parsifal schleudert. Doch über seinem Haupt bleibt die Waffe schweben, sodass Parsifal sie ergreifen und damit das Zeichen des Kreuzes schlagen kann. Mit einem Mal versinken der Zaubergarten und Klingsors falsches Reich. Du weißt, wo du mich wiederfinden kannst, ruft er Kundry zu, dann begibt er sich auf die Fahrt zur Gralsburg.

DRITTER AUFZUG

Im einsamen Wald lebt Gurnemanz traurig und verlassen. Titurel ist gestorben, Amfortas enthüllt den lebensspendenden Gral nicht mehr. In den Büschen findet Gurnemanz die erstarrte Kundry, die sich demütig anbietet, nur noch zu dienen. Ein Ritter in dunkler Rüstung mit geschlossenem Visier schreitet durch den Wald; freudig erstaunt erkennt Gurnemanz den Toren, den er einst fortgeschickt hatte, und Amfortas´ heiligen Speer. Parsifal erfährt von Gurnemanz die Not der Gralsritter; dann wäscht Kundry ihm die Füße. Gurnemanz begrüßt ihn als neuen Gralskönig; als solcher vollzieht er als erstes Amt an Kundry die Taufe. Gurnemanz preist die Bedeutung des Karfreitagswunders; in leuchtender Schönheit erblüht die Natur . Dann geleitet Gurnemanz Parsifal zur Gralsburg. Dort schreiten die Ritter in düsterem Zug zur Totenfeier für Titurel. Noch einmal soll Amfortas ihnen den Gral enthüllen; doch er weigert sich und fleht sie an, ihm den Tod zu geben. Da betritt Parsifal in Begleitung von Kundry und Gurnemanz den Saal. Mit dem Speer berührt er Amfortas´ Wunde und erlöst ihn hierdurch von seinem Leiden. Als neuer Gralskönig enthüllt er die heilige Schale; während ihr Licht strahlt, wird Kundry durch den Tod erlöst.

© Harenberg Kulturführer Oper, 5. völlig neu bearbeitete Auflage, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus

Das Gespräch mit einem Kunstkenner bringt es noch mehr auf den Punkt. Das Zerspringen des Grals beinhaltet die Entzauberung von Bayreuth.

Festspielleiterin Katharina Wagner hat eine Mammutaufgabe. Vergangenes und Neues so zusammenzubringen, dass der Mythos Bayreuth weiter lebt.

Doch der Mythos kommt auch nach Berlin. Nach einer aktuellen Umfrage bei Bachtrack ist der Russe Kirill Petrenko der beste Dirigent der Welt, die Berliner Philharmoniker traditionell das beste Orchester.

Der Jahreswechsel steht im Zeichen großer Dramatik – es geht um Blutrache, Inzest und höchstes Liebesglück. Siegmund aus Wagners Walküre ist eine Paraderolle Jonas Kaufmanns, der ihn leidenschaftlich und kämpferisch präsentiert. Kirill Petrenko dirigiert hier den ersten Akt der Oper. Mit Georg Zeppenfeld steht ihm ein weiterer stimmgewaltiger Sänger zur Verfügung…Bayreuther Flair zum Jahreswechsel in der Philharmonie. Zudem erklingt. Zudem erklingt aus Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg die Ouvertüre und Der Venusberg.

Balkonmusik in Bayreuth…Parsifal 2023

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