




Fotos: Frank Bürger
Berlin. Der Weg vom Schwielowsee nach Zerben ist kein weiter. Auf den Spuren von Theodor Fontane und Elisabeth von Plotho
Von Frank Bürger
Die Bootsfahrten mit der Reederei Kuhn mit Theaterflair waren ausverkauft. Sogar aus Riesa kamen Gäste, um literarischen Spuren auf einem Boot zu folgen.
Theodor Fontane begibt sich auf eine Dampferfahrt über den Schwielowsee und begegnet einer geheimnisvollen Fremden. Während er versucht zu erraten wer sie ist, plaudern und philosophieren sie über das Wasser und seine Naturgewalt, über Schiffe aller Arten und den Schwielowsee.
Es spielen Edward Scheuzger (Theodor Fontane) und Michaela Wrona (die geheimnisvolle Fremde).
Bühne: Jens-Uwe Behrend. Kostüme: RUDI.
Stück, Textauswahl und Inszenierung lagen in den Händen von Karoline Hugler, für die Deutsch-Polnischen Nachrichten keine Unbekannte.
John Maynard!
„Wer ist John Maynard?“
„John Maynard war unser Steuermann,
aushielt er, bis er das Ufer gewann,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron‘,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.“
Die „Schwalbe“ fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
von Detroit fliegt sie nach Buffalo –
die Herzen aber sind frei und froh,
und die Passagiere mit Kindern und Fraun
im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
und plaudernd an John Maynard heran
tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?“
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
„Noch dreißig Minuten … Halbe Stund.“
Wer kennt es nicht, wer kennt nicht die Birnen von Ribbeck.
Bei der geheimnisvollen Fremden handelt es sich um Elisabeth von Plotho.
Da müssen wir nach Sachsen-Anhalt reißen, in das kleine Örtchen Zerben.
Die wahre Effi Briest hieß Elisabeth
„eine Geschichte nach dem Leben“
So heißt es 1895 in einem Brief von Theodor Fontane an Marie Uhse. Das Ehe-Epos und Schicksal der gleichnamigen Titelheldin „Effi Briest“ beruht auf der wahren Geschichte der Elisabeth von Ardenne, geb. Edle und Freiin von Plotho.
An den Ufern der Elbe wird sie 1853 im Schloss Zerben, zu jener Zeit im Besitz der Familie von Plotho, geboren. Dort wächst Elisabeth, jüngste Tochter des Edlen Freiherrn Carl Albrecht Felix von Plotho und Franziska Maria geborene Welling, mit ihren drei Schwestern und dem ältesten Bruder Wolfgang, dem einzigen männlichen Nachkommen, auf.
Elisabeth, im Kreise der Familie kurz „Else“ gerufen, zeigt sich in ihrer Kindheit als ein äußerst aufgeschlossenes, lebhaftes junges Mädchen. Mit ihren vornehmlich männlichen Spielkameraden verbringt Elisabeth so viel Zeit wie möglich in der Natur. Nicht selten wird ihr unerschrockenes und temperamentvolles Auftreten zum Gegenstand von Gesprächen der Dorfbewohner Zerbens, welche die junge Elisabeth schlicht und liebevoll „unser Elseken“ nennen. Elisabeth und ihre Geschwister lieben in Kindertagen besonders die Ausflüge zum Forsthaus in Penningsdorf und die Picknicks mit ihrer Mutter.
Die Erziehung Elses liegt jedoch in weiten Teilen in den Händen des Pfarrers, einer Gouvernante und einer Privatlehrerin, die von Else als langweilig und unfähig beschrieben wird.
1864 verliert die junge Elisabeth ihren Vater durch einen tödlichen Jagdunfall. Die Mutter ist es nun, die die Güter Zerben, Penningsdorf und Güsen alleine führen muss. Diese Verantwortung tragend und der Reputation des Herrengeschlechts verpflichtet, bemüht sich die Mutter ihre Töchter statthaft unter die Haube zu bringen.
So kommt es, dass die vierzehnjährige Else mit dem Fähnrich Léon Armand von Ardenne, einem Zieten-Husar der Garnisom von Rathenow, bekannt gemacht wird. Wider Willen wird die noch kindliche Else von ihrer Mutter angehalten, dem Klavierspiel Ardennes zuzuhören. Die Mutter Elses ist sichtlich bestrebt, eine Heirat beider in die Wege zu leiten.
Dabei ist es zu jener Zeit freilich nicht die Liebe, die eine Ehe begründet. Vielmehr gilt es vordergründig sowohl monetären als auch gesellschaftlichen Einfluss durch eine standesgemäße Heirat zu sichern. Elisabeth jedoch lehnt eine Heirat mit Léon Armand von Ardenne zunächst beharrlich ab.
Erst später fügt sich Else dem Bestreben ihrer Mutter und nimmt die Ablehnung einer Heirat in einem Brief an Armand zurück. Dieser schickt ihr daraufhin Feldpost von der Front und bittet seinen Vater im Folgenden um Erlaubnis, Else zu ehelichen.
1871 findet die Verlobung Léon Armand von Ardennes und Elses in Stechow bei Rathenow und 1873 sodann die Hochzeit in Zerben statt. Am selben Tag noch verlässt Else ihr Elternhaus, das Schloss Zerben, und zieht mit ihrem Bräutigam nach Berlin.
Zwischen 1873 und 1877 bringt diese Verbindung die Kinder Margot und Egmont hervor.
Zu Gast bei Carl Robert Lessing, dem Besitzer der Vossischen Zeitung, und seiner Frau Emma macht Theodor Fontane die Bekanntschaft mit Elisabeth und Armand.
Die Familie von Ardenne verlässt Berlin jedoch schon bald, um im Schloss Benrath bei Düsseldorf am Rhein, dem einstigen Wohnsitz des Kurfürsten Karl Theodor, zu wohnen. Hier nimmt das Schicksal der unglücklich verheirateten Elisabeth seine Wendung. Sie lernt den Amtsrichter Emil Hartwich kennen und lieben. Beide wechseln fortan Liebesbriefe.
Elisabeths Ehemann aber schöpft Verdacht und findet die Schreiben Hartwichs. In der Folge dessen fordert Léon Armand von Ardenne seinen Nebenbuhler 1887 zum Duell heraus, welches für Hartwich tödlich endet. Die Ehe zwischen Elisabeth und Armand wird geschieden und die Kinder dem Mann zugesprochen.
Der „Fall Ardenne“ erhebt sich zu einem gesellschaftlichen Skandal; wird in Zeitungen thematisiert und in Tischgesellschaften diskutiert. Auch Fontane erfährt zu Gast bei dem bekannten Ehepaar Lessing von dem Ehebruch Elisabeths und den jüngsten Ereignissen in der Familie von Ardenne, die er Anfang der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts so schließlich in seinem Gesellschaftsroman „Effi Briest“ zu einem Meisterwerk verarbeitet.
Während „Effi“ in Fontanes Roman jedoch frühzeitig am Verlust ihrer Kinder zerbricht und verstirbt, wird Elisabeth im wahren Leben 98 Jahre alt. Nach sechzehn langen Jahren, in denen ihr die Kinder entzogen wurden, kann sie schließlich auch die Verbindung zu diesen wieder aufnehmen.
Elisabeth war zeitlebens eine starke, bemerkenswerte Frau mit ausgeprägter Schaffens- und Willenskraft. Sie arbeitete als Krankenschwester, reiste viel und bestieg mit 50 Jahren den 2970 hohen Berg „Scesaplana“ bei Liechtenstein. Auch im Alter zeigte sich ihre Rastlosigkeit und ihr überaus großer Willen aktiv am Leben teilzunehmen und es frei zu gestalten. So lernte sie noch mit 60 Jahren das Skilaufen und mit 80 Jahren das Radfahren.
In Gedenken an die beeindruckende Persönlichkeit Elisabeths und mit viel Liebe zum Detail stehen Gemeinde, Kreis und Land Sachsen-Anhalt für die Erhaltung dieses kulturgeschichtlichen Erbes ein. Von einer einzigartigen Wälder- und Seenlandschaft umrahmt, lädt das Schloss Zerben heute sowohl Literaturfreunde als auch Naturliebhaber zum Staunen, Entdecken und Verweilen ein.
Quelle: Schloss Zerben
Elisabeth von Plotho, Vorbild für die Romanfigur „Effi Briest“, liegt abgelegen auf dem Südwestfriedhof Stahnsdorf begraben, wo es regelmäßig Führungen gibt.

In den vergangenen Jahren versucht ein Förderverein, mit den Organisatoren, dem Violinist Marco Reiß und der Superintendentin Ute Mertens, auch gemeinsam mit der Gemeinde dem Schloss wieder Leben einzuhauchen. Da zeigte sich auch: Der Weg von Zerben nach Bayreuth ist kein weiter. Noch in Planung ist eine Vorstellung des Buches „Kloster Götschendorf“ in dem Schloss…da begegnen sich Welten…

