Appell an die Menschheit

Berlin. Ein Besuch am Hiroshima-Nagasaki-Platz in der Villenkolonie Neubabelsberg lässt einen demütig das Haupt senken vor einem der Tiefpunkte des vergangenen Jahrhunderts. Zu Recht wandte sich der Musiker, Theologe und Mediziner Albert Schweitzer gegen Versuchsexplosionen in der Atmosphäre.

Von Frank Bürger

Vor 50 Jahren, am 23. April 1957, strahlten Radio Oslo, die Rundfunkstation in der Stadt des Friedensnobelpreises, und etwa 150 angeschlossene Stationen in 50 Staaten einen von Albert Schweitzer verfassten „Appell an die Menschheit“ aus.

Erst 1954, nach dem Beginn der Wasserstoffbombenversuche in der Atmosphäre mit dem BRAVO-Test auf dem pazifischen Bikini-Atoll am 1. März 1954, begann er eine intensive Beschäftigung mit den wissenschaftlichen und politischen Aspekten der atomaren Tests und Bewaffnung. Verschiedene Ereignisse und Begegnungen der Jahre 1954 bis 1957 führten Schweitzer dazu, seine bisherige Zurückhaltung aufzugeben und seine Ablehnung der Atomrüstung öffentlich zu machen. Dazu gehörten insbesondere: die von ihm als Verpflichtung empfundene Verleihung des Friedensnobelpreises für das Jahr 1952 im Oktober 1953; der Tod des Freundes Albert Einstein, der tief verzweifelt war über die von ihm mit heraufbeschworene atomare Gefahr, am 18. April 1955.

Im „Appell an die Menschheit“  analysierte Schweitzer als Arzt nüchtern die medizinisch-biologischen Folgen von Kernexplosionen und rief dazu auf, die damit verbundene zunehmende Gefährdung der Menschheit durch Fortsetzung der Versuchsexplosionen unter allen Umständen zu verhindern. Nur eine gemeinsame öffentliche Meinung der Völker könne den Verzicht auf die Versuchsexplosionen durchsetzen: „Eine öffentliche Meinung dieser Art bedarf zu ihrer Kundgebung keiner Abstimmung und keiner Kommissionsbildung. Sie wirkt durch ihr Vorhandensein. Kommt es zur Einstellung der Versuche mit Atombomben, so ist dies die Morgendämmerung des Aufgehens der Sonne der Hoffnung, auf die unsere arme Menschheit ausschaut.“

Welchen Einfluss Albert Einstein auf den Entwickler der ersten Atombombe Robert Oppenheimer hatte, zeigt der gleichnamige Kinostreifen.

Zum Inhalt:

Während des Zweiten Weltkriegs beauftragt Generalleutnant Leslie Groves Jr. den Physiker J. Robert Oppenheimer mit der federführenden Mitarbeit am streng geheimen Manhattan-Projekt: Oppenheimer und ein Team von Wissenschaftlern arbeiten jahrelang an der Entwicklung und Konstruktion der Atombombe. Ihre Arbeit trägt am 16. Juli 1945 Früchte, als sie Zeugen der ersten Atomexplosion der Welt werden, die den Lauf der Geschichte für immer verändert.

„Es ist immer wieder behauptet worden, dass der Befehl dafür hier in Potsdam gegeben wurde. Nach allem, was wir wissen, ist das so nicht der Fall gewesen und stand die konditionierte Entscheidung bereits fest, ehe der amerikanische Präsident in Potsdam ankam: Wenn die Japaner nicht bedingungslos kapitulierten, dann würde man die neuartige Waffe einsetzen, um den Krieg auch in Ostasien zu beenden. Als während der Potsdamer Konferenz dann klar wurde, dass die japanische Führung dazu nicht bereit war, erfolgte quasi automatisch der Angriff mit der Atombombe, allerdings erst nach Trumans Abreise. Aber das sind historische Details: Fest steht, dass dieser Ort, die Truman Villa, sachlich und zeitlich eng verknüpft ist mit dem Einsatz der Atombombe“, so Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Sitz der Stiftung ist in der Truman-Villa in Potsdam.

Das „Haus Erlenkamp“ in der damaligen Kaiserstraße 2 in Neubabelsberg wurde von den Architekten Karl von Großheim und Heinrich Joseph Kayser geplant und 1891 bis 1892 erbaut. Bauherr war Carl Müller-Grote (1833–1904), Eigentümer der G.Grote’schen Verlagsbuchhandlung und Verleger der Werke von Theodor Fontane. Die Villa diente ihm als Sommerresidenz und war frühzeitig Treffpunkt bedeutender Persönlichkeiten. Ein regelmäßiger Gast war Edwin Redslob, der Reichskunstwart der Weimarer Republik, der 1945 den Tagesspiegel mitbegründete.

Den Namen „Truman-Villa“ erhielt das Haus, weil der Präsident der Vereinigten Staaten Harry S. Truman während der Potsdamer Konferenz hier wohnte; deshalb und wegen ihres weißen Anstrichs erhielt die Villa auch den Beinamen „Little White House“. Vom 15. Juli 1945 an wohnte Truman für 17 Tage in der Villa zusammen mit US-Außenminister James F. Byrnes und Verteidigungsberater William D. Leahy. Von der Truman-Villa aus erließ Präsident Truman den Befehl für die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.

Dennoch:

Im Sommer 1945 wurde im Potsdamer Schloss Cecilienhof Weltgeschichte geschrieben: Nach dem Ende der Kampfhandlungen in Europa trafen sich hier die Vertreter der drei Hauptalliierten des Zweiten Weltkriegs, um auf höchster Ebene über die Neuordnung Europas und das künftige Schicksal Deutschlands zu beraten. Teilnehmer der Zusammenkunft waren die Staatsoberhäupter und Außenminister der USA, der Sowjetunion und Großbritanniens: Harry S. Truman, Joseph Stalin und Winston Churchill, der von seinem  Nachfolger Clement Attlee abgelöst wurde. Die Ergebnisse der offiziell als „Dreimächtekonferenz von Berlin“ bezeichneten Konferenz wurden im Potsdamer Abkommen und in der Potsdamer Erklärung festgehalten.

Die Dauerausstellung präsentiert sich am authentischen Ort inhaltlich überarbeitet, neu gestaltet und in allen Schlossräumen. Eine Fülle an historischen Fotografien und vielschichtige Informationen sowie erläuternde Texten in Deutsch und Englisch lassen ein lebendiges Bild rund um das Konferenzgeschehen vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 entstehen. Auch der historische Kontext von Hitlers Aufstieg über das verheerende Kriegsgeschehen bis zum Ende des Krieges im Pazifik – von Potsdam aus gab Truman grünes Licht für den Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki – wird in der Ausstellung beleuchtet.

Quelle: Homepage der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.

Potsdam ist sich schon der Bedeutung der Konferenz bewusst:

Der Hiroshima-Nagasaki-Platz in Potsdam trug einst keinen Namen. Erst am 25. Juli 2010 erfolgte eine feierliche Namensweihe. Dies geschah in Erinnerung an die Atombombenabwürfe der USA auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 und in Gedenken an die 270.000 Toten (Stand 2011), die in Folge der Abwürfe sterben mussten. Gleichzeitig wurde der Hiroshima-Nagasaki-Gedenkort eingerichtet. Dieser Ort zum Gedenken wurde, genau wie das Einweihungsdatum, bewusst gewählt. Denn auf der nordöstlichen Straßenseite steht die sogenannte Truman-Villa. Hier residierte im Jahr 1945 während der Potsdamer Konferenz der damalige Präsident der USA, Harry S. Truman.

Albert Einstein und Robert Oppenheimer um 1950

Hinterlasse einen Kommentar