„Gärtnerin aus Liebe“ im Schwetzinger Schlossgarten

Foto: Nerida Quartett (c) Valentin Behringer, Schwetzinger Mozartgesellschaft

Exklusivinterview mit Benjamin Helmer

Berlin. Am 14. Juli 2023 präsentiert die Mozartgesellschaft Schwetzingen im weltberühmten Schlossgarten der Stadt Mozarts „Gärtnerin aus Liebe“ in einem besonderen Arrangement von Benjamin Helmer.

Von Frank Bürger

Minerva, die Göttin der Weisheit, der taktischen Kriegsführung und der Kunst – ihr Tempel im Schlossgarten ist am Abend des 14. Juli der „Gärtnerin aus Liebe“ geweiht. In Mozarts Oper versucht die unglückliche Marchesa Violante Onesti – als Gärtnerin Sandrina verkleidet – Ordnung in ihr turbulentes Liebesleben zu bringen. Mit ihrem vermeintlich taktischen Auftreten inkognito löst sie jedoch ein großes Chaos in mehreren gewollten und ungewollten Beziehungen aus. Sie treibt die Figuren bis an den Rande des Wahnsinns, aber schlussendlich doch alle Liebespaare zum Happy End.

Mythologisch geht es auch bei der musikalischen Umsetzung weiter: Der Name „Nerida Quartett“, inspiriert von den Nereiden der griechischen Mythologie, symbolisiert das Wasser als starkes und doch fließendes Element, das stets neue Erscheinungsformen annehmen kann. Die vier Musikerinnen des Nerida Quartetts setzen sich in ihrer Arbeit kompromisslos mit der Musik auseinander und gehen dabei gern Wege abseits der Konvention. Ein ungewöhnliches Repertoire und spannende Programme machen die Konzerte des Ensembles zu einem besonderen Erlebnis.
In die Rollen der Gärtnerin und Ihrer Mitstreiterinnen schlüpft an diesem Abend Anna Gschwend. Die Schweizer Sopranistin präsentiert die schönsten Arien der Violante/Sandrina und Arminda – arrangiert für Streicher und Sängerin von Benjamin Helmer.

Mit dieser Open Air-Produktion beteiligt sich die Mozartgesellschaft Schwetzingen am diesjährigen Schwetzinger Themenjahr der „Sommerfrische“ und macht Mozarts Jugendwerk an einem ganz besonderen Ort erlebbar: eine Gärtnerin gehört schließlich in den Garten!

Und nicht nur was den Ort betrifft geht die Mozartgesellschaft neue Wege: Um auch zu diesem klassischen Musik-Abend ein breitgefächertes Publikum anzusprechen und ihm in finanziell schwierigen Zeiten den Zugang zu ermöglichen, steht dieses Konzert unter dem Motto „Zahl, so viel Du willst“. Wer wenig zur Verfügung hat, kann bereits für 10 € ins Konzert und wer es sich leisten kann, die Kultur zu unterstützen, darf für seine Karte bis zu 70 € zahlen.


Bei schlechter Witterung findet die Veranstaltung im Mozartsaal statt.

Exklusivinterview mit Benjamin Helmer

Infos von der Homepage Benjamin Helmers:

http://www.benjaminhelmer.comp

Benjamin Helmer (*1985 in Heidelberg), Sohn des Schwetzinger Kirchenmusikdirektors Detlev Helmer, studierte Komposition in Mannheim (Diplom 2013) bei Prof.Dr.Sidney Corbett und anschließend bei Prof.Dr.Manfred Stahnke in Hamburg (Master 2016). Darüber hinaus zählt Minas Borboudakis zu einem wichtigen Lehrer vor dem Studium. Ab 2006 nahm er regelmäßig an internationalen Festivals und Kursen für Komposition teil, darunter die Donaueschinger Musiktage, Internationalen Ferientag für Neue Musik Darmstadt, Atlas Akademie Amsterdam, Internationale Sommerakademie Opus XXI. Von 2011 bis 2012 war er Stipendiat des Baden – Württemberg Stipendiums und studierte für ein Jahr traditionelle koreanische Musik an der Seoul National University in Südkorea. Seit 2015 kommt er einem Lehrauftrag im Fach Musiktheorie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg nach, an der er zudem seit April 2017 den Promotionsstudiengang zum Dr.sc.mus. belegt.

Sein Interesse gilt seit einiger Zeit auch der Auseinandersetzung mit Musikinstrumenten außereuropäischer Tradition wie z.B. der iranischen Handtrommel Tombak oder koreanischen Instrumenten. Derzeit lebt und arbeitet er in Hamburg.

Er komponierte Bühnenmusik für das Theater Osnabrück sowie eine Kinderoper im Auftrag des Nationaltheaters Mannheim und arbeitete mit verschiedenen Künstlern und Ensembles wie dem Trio Catch, dem Minguet Quartett, Asian Art Ensemble Berlin, Ensemble KNM Berlin, Ensemble TIMF, Korean Music Project, den Hamburger Sinfonikern, der Philharmonie der Nationen, dem Atlas Esemble, Esemble Sinkro, dem Verdi Quartett, Nikolaus Friedrich, Sori Choi, Jan Gerdes, Joss Turnbull, Thorsten Gellings. Zudem schrieb er Musik zu den deutsch-brasilianischen Tanzfilmprojekten „Ama, não ama” (Regie: Ormuzd Alves, Otávio Bastos, Petra Stransky, Weltpremiere beim Jumping Frames Dance Video Festival HongKong 2011) und „FLUIDUM VIDALIQUIDA“ (Regie/Choreographie: Petra Stransky, Otávio Bastos, Kamera; Ormuzd Alves, Weltpremiere in Stuttgart 2011). Konzerttätigkeiten führten ihn neben Deutschland auch in die Schweiz, Niederlande sowie nach Südkorea und Israel.

Von Schwetzingen hinaus in die Welt, was bedeutet der Satz für dich?

Vor allem bedeutet es, ein Privileg genossen zu haben und noch zu genießen, diese Möglichkeit überhaupt geboten bekommen zu haben. Fast widersprüchlich dazu ist es aber auch nichts Ungewöhnliches. Viele Leute, wenn auch nicht alle, die ich kenne und mit denen ich zur Schule ging, sind diesen Weg gegangen, unabhängig von ihrer Tätigkeit, sei es direkt nach der Schule, während des Studiums oder im Anschluss daran. Manche führte es eventuell wieder zurück, manche nicht. Die Möglichkeiten hatten sich um die Jahrtausendwende rasant verändert: Reisemöglichkeiten, Schulaustausch, Erasmus, Globalisierung haben den Weg hinaus „in die Welt“ vereinfacht und fast selbstverständlich werden lassen – eine Selbstverständlichkeit, die für jüngere Generationen u.U. wieder mit anderen Fragen verbunden sein wird, wenn es z.B. um nachhaltiges Reisen geht usw. Letzten Endes sehe ich es als Gewinn, andere Lebensperspektiven kennenzulernen und seine eigene zu hinterfragen.

Früh, nach den Experimenten auf der Violine, kam dein Interesse an der Popmusik, der Wechsel zum Schlagzeug als Instrument, wie wirkt sich die Entwicklung auf dein heutiges Schaffen aus?

Jedes Instrument, das etwas länger in der Hand gehalten wurde, ist für das Komponieren und Arrangieren vertrauter. Der Kontakt mit den verschiedenen Musikwelten führt bis heute dazu, dass ich wenig Berührungsängste mit diesen Welten habe, oder mir das zumindest einbilde.

Korea, prägende Erfahrungen, eine prägende Zeit, wie bist du auf diesen Kulturkreis gestoßen, wie wirkt sich das auf dein Schaffen aus?

Das kam durch den Besuch des Korean Music Ensembles der Seoul National University zustande, mit der die Musikhochschule Mannheim einen akademischen Austausch pflegte und über die vor mir schon andere Studierende aus Mannheim nach Korea gingen. Von der Musik war ich sofort begeistert und merkte zudem, dass wir in Mannheim viele Kommiliton:innen aus Korea hatten, die sich intensiv mit europäischer Musiktradition auseinandersetzen, aber kaum jemand den umgekehrten Weg ging. Das machte mich ebenfalls neugierig. Es trafen letzten verschiedene Aspekte aufeinander, die einfach passten: Interesse an einer anderen Musikkultur, eine Partnerschaft zwischen den Universitäten und nach Ergreifen der Initiative die Förderung durch das Baden-Württemberg Stipendium. Die koreanische Musik beeinflusst mich im rhythmischen und metrischen Hören, aber auch in der Färbung und Ornamentation eines Tons, ohne dass ich danach strebe, nun das, was als traditionelle koreanische Musik bezeichnet wird, kopieren oder sie in meiner Musik ausstellen zu wollen. Es gibt aber eine kleine und rege Szene in der Welt traditioneller koreanischer Musik, die sich zeitgenössischen Werken widmet, unabhängig vom Stil.

Wie sieht es aktuell mit deinem Wirken aus, national und international…

Derzeit bin ich viel in der Lehre und auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HfMT Hamburg tätig, wo ich auch meine Promotion abschließe. In den letzten Jahren beschäftigte mich im Rahmen der Promotion eine Kammeroper, „Der Verlorene Vater“, nach einem Libretto von Jari Niesner, frei nach Dostojewskis „Der Großinquisitor“. Dazu kommt es immer wieder zu kleineren Aufträgen, vorrangig innerhalb Deutschlands. Vor Covid fand auch fast jährlich ein Projekt mit Korea statt, aber die Pandemie hat hier bis dato eine Schneise geschlagen. Für Interessierte der Region Rhein-Neckar: In diesem Jahr, am 26.11. gibt es zudem neben dem Deutschen Requiem von Brahms eine Uraufführung in der evangelischen Christuskirche Oftersheim für Chor, Orchester und Solo-Gesang.

Am 14. Juli gibt es im historischen Schwetzinger Schloßgarten „La finta giardiniera“, Teile daraus, im Auftrag der Schwetzinger Mozartgesellschaft, wie kam es zu dem Auftragswerk?

Ich erhielt die Anfrage dazu von Nikolaus Friedrich, dem künstlerischen Leiter der Festtage. Wir konnten schon einige wunderbare Projekte zusammen realisieren, von Werkaufträgen im Kammermusikbereich, für Soloklarinette hin zu mehreren Bearbeitungen und Arrangements von Stücken Mozarts. Die Bearbeitung von „La Finta“ ist nun das nächste (und vermutlich nicht das letzte) Projekt.

Was fasziniert dich an der ursprünglichen Mozartoper?

Bezogen auf den Stoff in Mozarts Opern wird viel vorweggenommen, was später in den „da Ponte-Opern“ zu finden ist: Eine Opera buffa, die bei näherem Hinhören und Hinschauen – wie im Fall von Così fan tutte und auch Don Giovanni zum Beispiel – schon fast einen schalen Beigeschmack haben kann und sich auch moralisch-gesellschaftlich in ein großes Spannungsfeld begibt. Vermutlich ist das genau die Narrenfreiheit, die sich eine Opera buffa nehmen kann. 

Musikalisch reizt mich, was mich bei den meisten Stücken von Mozart anspricht: Zunächst die Melodie – was bei Mozart ein Zwischenspiel sein kann, könnte bei anderen als ganzes Thema taugen (so oder so ähnlich hat das sicher schon jemand vor mir formuliert!). Bei den Bearbeitungen der Arien für Streichquartett ohne Gesang war es einer der wichtigsten Aspekte, die Gesangslinie, wenn sie nicht gerade sowieso durch die erste Violine gedoppelt wird, auf das Ensemble zu verteilen. Darüber hinaus fasziniert mich an Mozart immer wieder seine Könnerschaft, besonders bzgl. gängiger musikalischer Wendungen und harmonischer Modelle, die er schon so früh in seinem Leben perfektioniert hatte, dass ihm eine scheinbar endlose Palette an Variationsmöglichkeiten der gleichen Modelle zu Verfügung stand. Diese wusste er ganz exakt im richtigen Moment einzusetzen (oder eben gerade nicht einzusetzen). Eine scheinbar einfache Kadenz, die Mozart tausendfach fast schon schmerzhaft gut auskomponieren konnte, ist dafür das beste Beispiel. Nicht die musikalische Struktur ist dabei Entscheidende, aber seine Ausarbeitung. Damit ist er zwar nicht alleine in der Musikgeschichte, aber hat sicher dazu beigetragen, die Messlatte höher zu legen.

Nach welchen Kriterien hast du das „Best of“, das erklingen wird ausgewählt?

Die Auswahl der gesungenen Arien gehen auf die Auswahl der Sopranistin Anna Gschwend zurück. Die Ergänzungen meinerseits ergaben sich aus dem formalen Rahmen: Ouvertüre und Finale, und einer Mischung aus  Tempiwechseln, eingängigen Nummern, Möglichkeiten der Bearbeitungen für Streichquartett und teilweise auch Tonartbezügen. Für die konzertante Version haben wir auf Recitative weitestgehend verzichtet.

Warum wurde der Minervatempel als Kulisse gewählt?

Diese Frage muss ich weiterspielen an die Mozartgesellschaft. 

Sind weitere Kooperationen mit der Mozartgesellschaft zu erwarten?

Konkret ist nichts geplant, aber natürlich würde ich mich freuen.

Weitere Infos und Tickets unter www.mozartgesellschaft-schwetzingen.de.

Blick in den Schwetzinger Schlossgarten

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Der Minervatempel

Foto: Frank Bürger

Die römische Göttin Minerva ist mehrfach im Schlossgarten dargestellt. Symmetrisch zu dem Minerva-Tempel war als Gegenstück ein Tempel des Cupido geplant, der nicht zur Ausführung kam.

Der von Pigage entworfene Tempel war 1769 vollendet. Seine viersäulige Front korinthischer Säulenordnung ist durch ein antik-römisches Vorbild angeregt, den Eingangsbau zur Portikus der Octavia. Einmalig ist die Umkehrung des Verhältnisses von Säulenhalle und Cella: Die Tempelcella wird zu einer gegenüber der Natur geöffneten Raumhülle umgedeutet, innerhalb derer sich die Säulenstellung fortsetzt.
Minerva, Göttin der Weisheit, erscheint vor der Rückwand in einem umgearbeiteten Standbild von Gabriel Grupello. Sie ist, auch nach Ausweis des Giebelfeldes, die Göttin der friedlichen Künste und Wissenschaften, insbesondere der Gartenkunst. Die mit Marmorbänken ausgestattete Cella dient Parkbesuchern als Ruheraum, kann aber auch als imaginärer Versammlungsort derjenigen, die Weisheit erlangt haben, verstanden werden.
Unterhalb des Tempels befindet sich ein rechteckiger Raum, mit Nischen und runden Fensteröffnungen. Dieser Raum ist von außen zugänglich und zeigt Merkmale eines geheimen Versammlungsortes. Er wird von Pan regiert, wie eine Maske über der Tür anzeigt. Der Minerva-Tempel, der sich über dieser irrationalen Sphäre erhebt, wird so ein aufklärerisches Monument der gestaltenden Vernunft und der menschlichen Zivilisationsleistung.
Der Minervatempel ist einer der Symbole der Freimaurerei im Schlossgarten. 

Weitere Infos und Quelle

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Die Mozartgesellschaft Schwetzingen

Die Mozartgesellschaft Schwetzingen wurde am 30. April 1969 von Generalmusikdirektor Dr. Richard Treiber und neun gleich gesinnten Musikfreunden gegründet – so belegt es die Gründungsurkunde. Als gemeinnütziger Verein hat sie sich die Pflege der Tonkunst im Allgemeinen und die Pflege der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart im Besonderen zur Aufgabe gemacht. Die Verantwortlichen arbeiten ehrenamtlich im Sinne des Vereinszwecks.

Seit Ihrer Gründung spielt die Mozartgesellschaft Schwetzingen eine tragende Rolle im kulturellen Leben dieser Stadt und der Kurpfalz.

In Erinnerung an die drei Besuche von Wolfgang Amadeus Mozart am Kurpfälzischen Hof und in Schwetzingen (1763, 1777, 1790) sowie im Sinne des Vereinszweckes lädt die Mozartgesellschaft Schwetzingen e.V. gemeinsam mit der Stadt Schwetzingen zum alljährlichen Mozartfest und den Schwetzinger Schlosskonzerten ein. Jeweils im September/Oktober findet das Schwetzinger Mozartfest statt, das seit 1975 Musikfreunde aus Nah und Fern in die kleine Mozartstadt Schwetzingen lockt. Die überregionale Bedeutung dieser Festspiele spiegelt sich in der Akzeptanz der Besucher aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland wieder.

Konzerte werden im herrlichen Ambiente des Schwetzinger Schlosses auch während des Winterhalbjahres veranstaltet. 

Dabei eignen sich das glanzvolle Ambiente des historischen Rokokotheaters und die schönen Zirkelsäle wie auch die Schlosskapelle hervorragend als Podium für internationale Künstler und namhafte Orchester. Die Programme bieten eine bewährte Mischung aus Sinfoniekonzerten über die Oper bis hin zur Kammermusik. Die bedeutendsten Künstler unserer Zeit musizieren immer wieder gerne in Schwetzingen.

Ein ausdrückliches Ziel der Mozartgesellschaft Schwetzingen stellt die Förderung des künstlerischen Nachwuchses dar. Das herausragende musikalische und auch gesellschaftliche Ereignis auf diesem Gebiet ist alljährlich das Konzert mit den Stipendiaten der Jürgen Ponto-Stiftung.

Die Kulturpolitikerin Roa Grünstein hat den Vorsitz der Schwetzinger Gesellschaft.

Quelle: Mozartgesellschaft Schwetzingen

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