Jesu bleibet meine Freude

Der Berliner Dom. Foto: Frank Bürger

Berlin. Der vierte Sonntag nach Trinitatis hat es in sich. Im ZDF-Fernsehgottesdienst als auch im Berliner Dom, um nur zwei Beispiele zu nennen, erklang der Choral „Jesus bleibet meine Freude“ von Johann Sebastian Bach. Passend zum Thema die Einführung von Kathrin Deisting als Pfarrerin der Siemensstadtgemeinde in Spandau durch Superintendent Florian Kunz, unsere Glückwünsche.

Von Frank Bürger

Wohl mir, dass ich Jesum habe – Jesus bleibet meine Freude sind die Textanfangszeilen einer der bekanntesten Choralbearbeitungen von Johann Sebastian Bach. Er komponierte das Werk für vierstimmigen Chor, Streicher, Oboen und Trompete 1723 für seine Kantate Herz und Mund und Tat und Leben (BWV 147). Mit dem Text Wohl mir, dass ich Jesum habe beschließt es deren ersten Teil, mit dem Text Jesus bleibet meine Freude – musikalisch identisch – den zweiten. In der englischsprachigen Welt erfreut sich das Werk unter dem Titel Jesu, Joy of Man’s Desiring ebenfalls außerordentlicher Popularität.

Für seinen ersten Leipziger Kantatenjahrgang 1723/1724 schuf Bach überwiegend zweiteilige Werke, die die Predigt umrahmten. Oft griff er dabei auf eigene ältere Kompositionen zurück. Herz und Mund und Tat und Leben entstand für das Fest Mariä Heimsuchung am Freitag, dem 2. Juli 1723, also genau vor 300 Jahren. Dieses Fest wurde im lutherischen Leipzig des 18. Jahrhunderts liturgisch wie ein Sonntag begangen. Bach erweiterte dafür eine Adventskantate, die er 1716 in Weimar komponiert hatte. Die Zweiteiligkeit markierte er durch die Neukomposition eines identischen Schlusschorals beider Teile Wohl mir, dass ich Jesum habe – Jesus bleibet meine Freude. Die Gemeinde stimmt damit gleichsam in den Lobgesang Mariens ein, der den roten Faden der Kantate bildet.

Das feiern nicht nur Kirchenmusiker.

Im Berliner Dom predigte Stefan Scholpp, auch hier erklang der Choral. Der Domprediger setzte in seiner Auslegung zu 1. Petr 3,8-17 literarische Akzente. Er fokussierte das Werk von Tanja Maljartschuk. Tanja Maljartschuk wurde 1983 in Iwano-Frankiwsk (Ukraine) geboren, studierte dort Philologie und arbeitete als Autorin und Journalistin in Kiew. Seit 2011 lebt sie als Schriftstellerin in Wien. 2004 erschien ihr erstes Buch mit einer Sammlung von Kurzprosa, nach vier weiteren Erzählbänden folgten die Romane „Biografie eines zufälligen Wunders“, Residenz 2013 und „Blauwal der Erinnerung“.

Maljartschuks Prosa wurde in viele Sprachen übersetzt und erhielt internationale Auszeichnungen. Mit dem Text „Frösche im Meer“ gewann sie 2018 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Tanja Maljartschuk schreibt regelmäßig auch Kolumnen und Essays.

Sie hielt nun zu den 47. tage der deutschsprachigen Literatur die Rede zur Literatur.

Aber Scholpp verlor nicht den Faden zum Predigttext, ohne die Aktualität nicht zu verlieren.

„Gott gibt den 17-jährigen Nahel nicht auf“, sagte er mit Blick auf Frankreich. „Gott gibt niemand auf“, so die Botschaft.

Literatur sei ambivalent…auch die Bibel sei ambivalent

„Gott ist solidarisch mit den Opfern der Gewalt“, so sein Predigtfazit.

Frohe Botschaft an diesem besonderen Tag in der Spandauer Siemensstadtgemeinde. Denn diese hat mit Kathrin Deisting eine neue Pfarrerin. Sie wurde am 2. Juli von Superintendent Florian Kunz in der Christophoruskirche in ihr Amt eingeführt.

Die evangelische Christophoruskirche, ursprünglich Evangelische Kirche Siemensstadt, liegt am Schuckertdamm 336–340 im Berliner Ortsteil Siemensstadt des Bezirks Spandau. Sie wurde von Hans Christoph Hertlein im Architekturstil der Neuen Sachlichkeit entworfen und steht unter Denkmalschutz.

Das von Siemens seit 1897 in der Kolonie am Nonnendamm geschaffene und seit 1914 Siemensstadt genannte Viertel war neben produktionstechnischen Anlagen mit allen für ein Gemeinwesen erforderlichen infrastrukturellen Einrichtungen ausgestattet. Kirchliche Einrichtungen bestanden zunächst nicht. Die evangelischen Christen wurden von einem Hilfsprediger der Pfarrei der St. Nikolai aus Spandau betreut. Evangelischer Gottesdienst und Konfirmationsunterricht fanden ab 1906 in Schulräumen statt, 1907 richtete die Gemeinde einen „Betsaal“ in einer Wohnung ein, der sich als zu eng erwies. Das preußische „Ansiedelungsgesetz“ schrieb die Bereitstellung der Kirchen für die beiden großen christlichen Konfessionen vor.

Die Firma Siemens erwarb 1908 – entsprechend ihrer 1904 eingegangenen Verpflichtung – eine kleine hölzerne Kapelle, die von den Architekten Johannes Vollmer und Heinrich Jassoy für rund 20.000 Mark für die evangelische Epiphaniengemeinde in Charlottenburg als Interimskirche gebaut wurde. Die Kapelle wurde am Rohrdamm Ecke Jugendweg wieder aufgebaut und am 6. September 1908 für die nun etwa 580 Gemeindeglieder zur provisorischen Kirche bestimmt. Das kleine Gotteshaus konnte auf Dauer die seelsorgerischen Ansprüche der wachsenden Gemeinde nicht erfüllen. 1928 wurde an der nordwestlichen Peripherie der geplanten Siedlung Heimat, am Schuckertdamm gegenüber der Einmündung des Lenther Steiges, der Bauplatz für eine große, repräsentative Kirche festgelegt. Die Firma Siemens stellte das für den Bau der Kirche nebst Pfarr- und Gemeindehaus ausgesparte Grundstück der evangelischen Gemeinde unentgeltlich zur Verfügung und trug als Bauherr die mit 660.000 Mark (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 2,97 Millionen Euro) veranschlagten Kosten für die Gebäude. Am 21. Juli 1929 erfolgte die Grundsteinlegung der neuen Kirche. Die Kirchweihe des neuen Gotteshauses für die nun rund 9000 Gemeindeglieder fand am 9. Dezember 1931 im Beisein von Carl Friedrich von Siemens statt. Nach Fertigstellung der Kirche wurde die Kapelle abgerissen, als Wichernkapelle (heute: Wichernkirche) in der Waldsiedlung Hakenfelde wieder aufgebaut und am 23. Oktober 1932 eingeweiht.

Zur Zeit des Nationalsozialismus gehörte der Siemensstädter Pfarrer Heinrich Kroppenstedt – Pfarrer in Siemensstadt von 1912 bis 1954 – zur Bekennenden Kirche und war enger Vertrauter von Superintendent Martin Albertz. Kroppenstedt wurde 1934 von der Kirchenleitung, die unter dem Einfluss der Deutschen Christen stand, verwarnt. Im Gemeindekirchenrat hatten die Deutschen Christen die Mehrheit und setzten 1934 die Errichtung einer zweiten Pfarrstelle in Siemensstadt durch, die mit Pfarrer Lüders besetzt wurde. Es kam zu ständigen Auseinandersetzungen im Gemeindealltag. Am 25. Juli 1937 wurde Heinrich Kroppenstedt nach dem Gottesdienst von der Gestapo wegen verbotener Ankündigung einer Kollekte für die Bekennende Kirche verhaftet und bis zum 17. August 1937 in Plötzensee inhaftiert. Die Kirchenleitung entzog ihm die Geschäftsführung der Kirchengemeinde, die Kroppenstedt erst am Kriegsende wieder übernahm.

Kathrin Deisting mit Frank Bürger Mai 2022. Foto: Joanna Bürger

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