Rassismus im Fokus

Dr. Carola Brückner. Foto: Phil Dera

Berlin. Die Gemeinde der evangelischen Weihnachtskirche Spandau lädt am 18. Juni um 11 Uhr zur Präsentation des Films „Einer von uns“ ein. Es geht um einen Nazi-Aussteiger. Interessierte OberschülerInnen aus Spandau sind eingeladen. Grußworte kommen von Dr. Carola Brückner, Stellv. Bürgermeisterin, Stadträtin für Bildung, Kultur, Sport und Facility Management.

Von Frank Bürger

Die Präsentation des Dokumentarfilms „Einer von uns“ schlägt immer noch Wellen. Die Spandauer Verwaltung hat zu der Präsentation am 18, Juni um 11 Uhr im Gemeindesaal der evangelischen Weihnachtskirche, Haselhorster Damm 54-58, 13599 Berlin Spandauer Oberschüler eingeladen. Das war Ergebnis eines Gespräches im Spandauer Rathaus mit Dr. Carola Brückner, Stellv. Bürgermeisterin, Stadträtin für Bildung, Kultur, Sport und Facility Management. Sie wird auch Grußworte der Verwaltung an die Besucher richten.

Die Geschichte des Films ist eine besondere. Es liegt fast 13 Jahren zurück. Vor der Premiere des 45-minütigen Dokumentarfilms „Einer von uns“ an den Uckermärkischen Bühnen Schwedt gab es im Internet Morddrohungen gegen den Protagonisten Kevin Müller.

„Wir werden dich und deine Freundin umbringen“, diese Mailnachricht bekam er aus der Rechten Szene. Im Rahmen des Aussteigerprogramms „Exit“ wurde der 22-jährige Uckermärker zu seinem Schutz in einem Berliner Hotel untergebracht.

Die Morddrohung, aber auch die Tatsache, dass Kevin Müller heute ein lange erhofftes Praktikum in einem Seniorenheim beginnen konnte – das ihm die Chance auf eine Ausbildung und damit auf eine Reintegration in die Gesellschaft bietet – sind die Gründe dafür, dass er nicht zur Erstaufführung des Films erscheinen wollte. Die ursprünglich geplante Gesprächsrunde im Anschluss an den Film musste somit leider ausfallen. Auch heute ist es besser, wenn Kevin Müller nicht persönlich ins Rampenlicht rückt.

Unter den Besuchern waren auch „Rechte“ auszumachen. So trug einer von ihnen eine „Thor Steinar“  Jacke. Das in Zeesen (Dahme-Spreewald) ansässige Unternehmen Mediatex GmbH produziert die bei Rechtsextremisten hoch im Kurs stehende Marke „Thor Steinar“. Das Sortiment der Firma Mediatex kann als Bedienung völkischer Symbolik in Farbgebung und Schrifttyp – etwa durch das Verwenden von Tarnfarben und -mustern oder gedruckten Schriftzügen in Runenschrift – verstanden werden. Auch gibt es Bekleidungsstücke mit militärischen Reminiszenzen. Das Tragen von „Thor Steinar“ dient als identitätsstiftendes Erkennungszeichen unter Rechtsextremisten.

PoDeSt-Vereinsvorsitzender Frank Bürger informierte zu Beginn der Veranstaltung das Publikum über die Hintergründe von Kevin Müllers Fehlen. Auch der Schwedter Bürgermeister Jürgen Polzehl, der das Projekt unterstützte, forderte vor der Präsentation des Films, weiterhin mit solch mutigen Projekten den Kampf gegen Rechts zu unterstützen.

Unter den Gästen war auch Pfarrer i. R. Hans-Rainer Harney. Er war drei Jahre lang als ehrenamtlicher Ausländerbeauftragter der Stadt tätig und ist Mitbegründer des Schwedter Bündnisses gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt. Für seinen Einsatz erhielt er als Sonderpreis das Band für Mut und Verständigung.

Unter den Gästen befand sich auch die Berlinerin Irmela Mensah-Schramm. Seit Jahrzehnten kämpft Irmela Mensah-Schramm international gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Sie ist bekannt geworden durch ihr 1986 begonnenes Dokumentieren und das konsequente Entfernen von rassistischen und antisemitischen Aufklebern und Graffiti im Stadtgebiet von Berlin. Nach der Wende weitete sie ihre Beseitigung dieser Parolen auch auf andere Bundesländer aus. Mit über 300 Ausstellungen zum Thema „Hass vernichtet“ und vielen Unterrichtsbesuchen dokumentiert sie ihre Arbeit. Für ihr Engagement wurde sie 2005 mit dem Erich-Kästner-Preis des Presseclubs Dresden ausgezeichnet. Andere Preisträger sind der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker oder die verstorbene Herausgeberin der „Zeit“, Dr. Marion Gräfin Dönhoff.

Gemeinsam mit dem Verein Polnisch-Deutsche Standortentwicklung organisierte Irmela Mensah-Schramm einen „Schweigemarsch“ gegen rechte Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Schwedt.

.Der Film „Einer von uns“, der als Auftragswerk des Schwedter Vereins „Polnisch-Deutsche Standortentwicklung PoDeSt“ mit Mitteln aus dem Förderprogramm „Vielfalt tut gut“ realisiert wurde, schildert den Weg des Jugendlichen Kevin Müller in die Neonazi-Szene und seinen späteren Ausstieg. Der Film zeigt auch einen gemeinsamen Besuch des Jugendkonzentrationslagers Ravensbrück, bei dem sich Kevin Müller den Fragen von deutschen und polnischen Jugendlichen stellte. Die Idee zum Film stammt vom Vereinsvorsitzenden Frank Bürger, Projektverantwortlicher ist der Bielefelder Politologe Nicolaus Raßloff. Umgesetzt wurde der Film von den Berliner Filmemachern Karoline Hugler und Julian Tyrasa.

Die Resonanz auf das Projekt ist groß. Das Amt für Kirchliche Dienste in Berlin bestellte sofort zehn Exemplare für die Bibliothek. Auch die Opferperspektive Potsdam will mit dem Film arbeiten. Anfragen kamen von der Kirchengemeinde Adlershof, dem Kirchenkreis Oranienburg, aus Frankfurt (Oder), der Dreiklang-Schule Schwedt.

Hintergrund: Der Verein Polnisch-Deutsche Standortentwicklung hat sich den Kampf gegen Rassismus und rechte Gewalt auf die Fahne geschrieben. So organisierte der Trägerverein vor zwei Jahren einen Schweigemarsch gegen rechte Gewalt durch Schwedt, an dem auch Bürgermeister Jürgen Polzehl und der Schwedter Landtagsabgeordnete Mike Bischoff beteiligt waren. Es folgten Ausstellungen und auch ein deutsch-polnisches Projekt mit dem Besuch des KZ Auschwitz.

Kevin M. schildert seinen Weg: Erst als jugendlicher Linker drangsaliert von Neonazis in der Uckermark, wurde er dann in Berlin selber ein Nazi und stieg im System der NPD auf, bis schließlich ein Gewalterlebnis sein Umdenken auslöste. Eine intensive Auseinandersetzung mit Deutschland, der gegenwärtigen Politik und den Lebensbedingungen in diesem Land. Ein Film über menschliche Werte und über das Erwachsenwerden.

 D 2010. 48 Min. Farbe. HD.

Mit Kevin Müller, Monika Müller,Nicolaus Raßloff, Lothar Priebe u.a.

Idee und Produktion: Frank Bürger / PoDeSt e.V.  Konzept, Kamera, Schnitt, Regie: Karoline Hugler und Julian Tyrasa

Über Rassismus diskutieren am 18. Juni 202 nach der Präsentation Ibraimo Alberto, Lothar Priewe, Irmela Mensah-Schramm. Ich persönlich moderiere die Gesprächsrunde, zu der noch weitere Gäste erwartet werden.

Alberto war auch als Ausländerbeauftragter in Schwedt tätig. Er war Teilnehmer des Schweigemarschs gegen Rechts. Lothar Priewe war Mitinitiator des Filmprojekts.

Bei Interesse zur Teilnahme an der Veranstaltung bitte anmelden über Frank.Buerger.Berlin@gmail.com

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