Ein kultureller Verlust

Quelle: Jürgen Trinkewitz

Berlin. Am 13. Mai ist Sybille Lewitscharoff gestorben. Die Deutsch-Polnischen Nachrichten führten ein Interview mit ihr und ich durfte mir einige Werke anschauen. Es ist nicht nur ein literarischer, sondern auch ein kultureller Verlust

Von Frank Bürger

Die Begegnung mit der renommierten Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff im Juli 2021 war eine besondere. Vier Bücher hat mir die mehrfache Literaturpreisträgerin mir mit auf den Weg gegeben. Zur Begegnung kam es über die Freundschaft mit Jürgen Trinkewitz, Kantor an der Evangelischen Weihnachtskirche

Der Georg-Büchner-Preis gilt als wichtigste literarische Auszeichnung in Deutschland. 2013 ging er an die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff. Die Jury lobte vor allem ihre erzählerische Phantasie.

„In ihren Romanen hat Sibylle Lewitscharoff mit unerschöpflicher Beobachtungsenergie, erzählerischer Phantasie und sprachlicher Erfindungskraft die Grenzen dessen, was wir für unsere alltägliche Wirklichkeit halten, neu erkundet und in Frage gestellt.“ Das erklärte die Jury des Georg-Büchner-Preises in ihrer Begründung.

Der literarische Durchbruch gelangt Lewitscharoff mit der Erzählung „Pong“. Im Juni 1998 erhielt Lewitscharoff dafür den Ingeborg-Bachmann-Preis der Stadt Klagenfurt, einen der begehrtesten Literaturpreise für deutschsprachige Nachwuchsschriftsteller. Mit ihrer Schilderung der Welt aus der Sicht eines Verrückten sei der Autorin, so damals die Jury, ein „fulminanter Text auf höchstem sprachartistischem Niveau“ gelungen.

Nach dem Bachmann-Preis wurden ihr auch der Preis der Leipziger Buchmesse zuerkannt, der Berliner Literaturpreis, der Kleist-Preis und der Ricarda-Huch-Preis.

Der Büchner-Preis wird seit 1951 jedes Jahr von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im hessischen Darmstadt. Einzige Ausnahme: 1952. Damals konnte man sich nicht auf einen Preisträger einigen. Namensgeber ist der deutsche Revolutionär und Dramatiker Georg Büchner, der 1813 im Großherzogtum Hessen geboren wurde und 1837 in Zürich starb.

Die Auszeichnung können Schriftsteller und Dichter erhalten, „die in deutscher Sprache schreiben, durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten und die an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben“. Zu den bisherigen Preisträgern zählen die renommiertesten Namen der deutschsprachigen Literatur, wie Gottfried Benn (1951), Erich Kästner (1957), Günter Grass (1965), Heinrich Böll (1967), Friedrich Dürrenmatt (1986), Elfriede Jelinek (1998) oder Friedrich Christian Delius (2011). 2012 wurde Felicitas Hoppe ausgezeichnet.

Über Kantor Jürgen Trinkewitz war sie auch mit der Evangelischen Weihnachtskirche verbunden. Nun weilt sie nicht mehr unter uns und wird der Kulturszene in der ganzen Welt fehlen.

Hier das Interview vom März 2022

„Die Beschäftigung mit ihren Büchern zeugt von Tiefgang, Eintauchen in das Denken und Fühlen von Individuen…Wie beschreiben Sie nach der Wahl im September die ethischen und gesellschaftlichen Prozesse in Deutschland, vielleicht auch in der Welt…

Jeder, der seine Tassen im Schrank hat, wird die derzeitige Lage in Europa als brandgefährlich einstufen.

Wladimir Putin ist völlig außer Kontrolle geraten.

Sie verwenden theologisches Vokabular in ihren Büchern, haben aber eine kritische Haltung zur Kirche…Gibt es bezüglich der Haltung eine Entwicklung. Wie würden Sie diese heute beschreiben?

Da gibt es keine Entwicklung. Die evangelische Kirche agiert flau im öffentlichen Diskurs und hat sich marginalisiert.

Sie haben auch Erfahrungen im Ausland gesammelt? Wie würden Sie diese beschreiben? Fließen diese Erfahrungen in Ihr Schaffen ein?

Ich habe zwei Jahre in Südamerika verbracht, lebte ein Jahr in Paris, zwei Jahre mit Unterbrechung in Rom, 4 Monate in Rumänien, 6 Monate in der Schweiz … diese Erfahrungen waren außerordentlich prägend für mich, sie haben meine Haltung zur Welt und zum Schreiben stark beeinflußt.

Immer wieder ist die Kombination von Kunst und Literatur zu bemerken. Was war der Weg dorthin?

Mit welchen künstlerischen Mitteln arbeiten Sie?

Kunst und Literatur haben mich immer interessiert. Im Elternhaus war man dafür sehr aufgeschlossen. Ich bin so erzogen worden. Ich arbeite mit allen möglichen Materialien – diversen Papieren und Pappen für die Collagen, mit Stiften, Acrylfarben und Ölfarben.

Welche Bücher empfehlen Sie zum Lesen, aus heutiger Sicht?

Jessas! Unmengen Büchersind empfehlenswert. Gerade lese ich von Esther Kinsky „Rombo“ – der Roman ist ausgezeichnet!

Was haben Sie sich in der nächsten Zeit vorgenommen?

Ich schreibe an einem Roman über zwei Stuttgarter Familien, die von extremen Katastrophen heimgesucht wurden.“

Durch ihre Krankheit war es Sybille Lewitscharoff nicht mehr vergönnt, diesen Roman fertig zu schreiben. Der Tod setzte einen Schlusspunkt hinter das Schaffen der Literatin.

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